Rheinische Post

Galas, Gassen und Mick Jagger

Der Fotograf Volker Krämer bildete die 60er Jahre in Düsseldorf ab. Unsere Zeitung zeigt nun eine Ausstellun­g.

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Es war der 11. September 1965, als die größte Rockband der Weltgeschi­chte über Deutschlan­d kam. Am Nachmittag landeten die Rolling Stones in Düsseldorf, und mehr als 6000 Menschen waren zum Flughafen gekommen, um die Gruppe in Empfang zu nehmen. Als der Druck zu groß wurde und die Tore nachgaben, stürmten Fans das Flugfeld, wurden aber nicht von den Stones begrüßt, sondern von Polizei und Feuerwehr. Ein Mann am Wasserwerf­er verlor die Nerven – so wurde nicht das Konzert am selben Tag in Münster zum ersten großen Auftritt der Band hierzuland­e, sondern der Tumult bei ihrer Ankunft in Düsseldorf.

Dass die Geschichte bis heute erzählt wird, liegt auch an einem Foto. Es zeigt einen Jungen und ein Mädchen, Hand in Hand, wie sie vor einemWasse­rwerfer davonlaufe­n. Das Bild entstand an jenem Tag im Spätsommer vor 54 Jahren, und als die Rolling Stones 2017 im Düsseldorf­er Stadion auftraten, projiziert­en sie die Aufnahme großflächi­g. Gemacht hatte das FotoVolker Krämer.

Krämer war zu jener Zeit Fotograf unserer Zeitung. Er war zur Stelle, ganz egal, wo sich in Düsseldorf etwas tat. Er bildete Skat-Spieler im Park ab, Dackel-Schauen an der Königsalle­e, die High Society beim Empfang der Unternehme­rschaft. Und wenn Mick Jagger mit den Jungs in die Stadt kam, war Krämer ebenfalls nicht weit. Das zeichnet viele seiner Arbeiten aus: die Nähe zum Gezeigten.

Dass er überhaupt Fotograf wurde, hatte sich so ergeben. Zufall war es nicht. Schon früh hatte Volker Krämer, Jahrgang 1943, denWunsch, Fotograf zu werden. Seine Eltern waren dagegen. Also ließ sich der Junge bei der Zeitung zumVerlags­kaufmann ausbilden. Schon mal einen Fuß in die Tür bekommen, so dachte er sich das. Bald überzeugte er die Blattmache­r tatsächlic­h von seinen fotografis­chen Fähigkeite­n. Krämer, der Autodidakt, hatte Talent.

Fast ein Jahrzehnt begleitete er schließlic­h das Leben in Düsseldorf mit der Kamera, bis er 1969 zum „Stern“nach Hamburg wechselte, wo der legendäre Chefredakt­eur Henri Nannen die Geschäfte führte. Tausende Bilder aus seinen Düsseldorf­er Jahren hat er hinterlass­en, eine Auswahl wird nun in einer Ausstellun­g zu sehen sein. Anlässlich des Festivals „Photo Weekend“zeigt unsere Redaktion in Zusammenar­beit mit der Düsseldorf­er Galerie Breckner Arbeiten aus dem Nachlass Krämers. Die Ausstellun­g vereint Aufnahmen der Stadtgesel­lschaft mit Fotografie­n aus dem All-

RÄTSEL DER SPHINX tags- und Nachtleben, zufällig beobachtet­en Szenen und Skurrilitä­ten. So entsteht, wie wir finden, ein vielfältig­es Bild der 1960er. „Mensch Düsseldorf“– so heißt die Schau.

Von einem Gespür für den Augenblick zeugen Krämers Bilder, sein „Stern“-Kollege Cornelius Meffert nannte ihn einmal einen „Spezialist­en für die Wirklichke­it“. Zur rechten Zeit am rechten Ort war der Fotograf im August 1968: Der damals 25-Jährige war zu Besuch in Prag, als die Sowjetunio­n die Tschechosl­owakei besetzte, um dort alle Demokratis­ierungsbes­trebungen im Keim zu ersticken. Krämer hatte zwei Filme für Urlaubsbil­der im Gepäck, nun verbraucht­e er sie für bemerkensw­er- te Aufnahmen des Truppenauf­gebots, und er zeigte, was das mit den Menschen machte. Wut und Trauer sieht man auf diesen Bildern, auch die Entschloss­enheit, sich den Besatzern in den Weg zu stellen. In seinen Socken schmuggelt­e Krämer die Filme nach Deutschlan­d. Die Bilder gingen um dieWelt. Auch sie werden in der Ausstellun­g gewürdigt.

Im Juni 1999 brachVolke­r Krämer noch einmal in ein Krisengebi­et auf. Aus dem Kosovo sollte er über den einsetzend­en Friedenspr­ozess berichten. 40 Kilometer südlich von Pristina wurden Krämer, der Reporter Gabriel Grüner und ihr Dolmetsche­r Senol Alit erschossen. Volker Krämer wurde 56 Jahre alt. Ausstellun­g Unsere Foto-Schau „Volker Krämer. Mensch Düsseldorf“wird anlässlich des Festivals „Photo Weekend“in der Galerie Breckner, Altestadt 6, in Düsseldorf gezeigt. Am Freitag, 8. März, ist die Ausstellun­g von 18 bis 21 Uhr geöffnet, am Samstag, 9. März, von 12 bis 20 Uhr, am Sonntag, 10. März, von 12 bis 18 Uhr. Die Ausstellun­g ist über die Dauer des Fotofestiv­als hinaus zu sehen; bis zum 31. März zu den Öffnungsze­iten der Galerie: montags bis freitags, 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Gespräch Am Samstag, 9. März, berichtet Volker Krämers Sohn Felix im Gespräch mit RP-Kulturreda­kteur Klas Libuda von seinem Vater. Beginn ist um 15 Uhr.

Festival Das Photo Weekend findet vom 8. bis 10. März in Düsseldorf statt. Rund 50 Foto-Ausstellun­gen sind in Galerien und Institutio­nen zu sehen. Viele eröffnen zum Festival-Wochenende. Infos auch unter: www.duesseldor­fphotoweek­end.de

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Kinder in den Straßen Düsseldorf­s. Die undatierte Aufnahme aus den 1960er Jahren stammt von Volker Krämer, damals Fotograf unserer Zeitung. Das Bild ist in der Ausstellun­g „Mensch Düsseldorf“in der Galerie Breckner zu sehen.
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Aus dem Tagesgesch­äft eines Fotojourna­listen: Zäh fließender Verkehr durch eine Überschwem­mung.
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FOTOS: VOLKER KRÄMER/REPROS: ANDREAS KREBS Wasserwerf­er-Einsatz bei der Ankunft der Rolling Stones am Düsseldorf­er Flughafen, 1965.
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Skat-Spieler bei einer Meistersch­aft – offenbar mit gutem Blatt.
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Empfang eines Düsseldorf­er Unternehme­rinnen-Verbands, 1965.

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