Homeoffice führt zu Überstunden
Frauen nutzen die Heimarbeiter stärker zur Kinderbetreuung als Männer.
DÜSSELDORF (maxi/dpa) So mancher Chef vom alten Schlag wird mit den Augen rollen, wenn sein Mitarbeiter mit dem Wunsch an ihn herantritt, im Homeoffice zu arbeiten. Doch Sorgen, der Mitarbeiter könnte ohne die Kontrolle des Vorgesetzten die Zeit verbummeln, sind offenbar unbegründet. Das belegt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach führen flexible Arbeitszeitmodelle zu längeren Arbeitszeiten im Job, schreibt Studien-Autorin Yvonne Lott.
Sie beobachtete insbesondere die unterschiedlichen Auswirkungen des Homeoffice auf Frauen und Männer. Demnach gaben männliche Beschäftigte mit einer Homeoffice-Regelung an, sie würden nahezu sechs Stunden pro Arbeitswoche Überstunden machen. Ihre Kollegen, die nicht im Homeoffice arbeiteten, kommen dagegen auf knapp vier Stunden. Mütter im Homeoffice arbeiten im Schnitt eine Stunde mehr als ihre Kolleginnen mit Anwesenheitspflicht im Büro. Insgesamt kommen aber auch sie auf knapp viereinhalb Überstunden proWoche.
Auch wenn das Arbeiten daheim als modern gilt, kann Böckler-Expertin Lott zufolge gerade dieses alte Rollenbilder verfestigen: Während die Homeoffice-Mütter auf 21 Stunden wöchentliche Kinderbetreuung kommen, sind es bei den Vätern trotz gerade einmal 13 Stunden. „Väter nutzen Homeoffice und selbsstbestimmte Arbeitszeiten ausschließlich, um deutlich länger zu arbeiten“, schreibt Lott. Mit Gleitzeit und völlig selbstbestimmten Arbveitszeiten investierten sie sogar etwas weniger Zeit in die Kinderbetreuung.
Um die Erwerbs- und Sorgearbeit gleichmäßiger zwischen Männern und Frauen zu verteilen, schlägt die Expertin vor, man solle das steuerliche Ehegatten-Splitting abschaffen und die Partnermonate beim Elterngeld verlängern. Auch in den Betrieben müsse sich vieles ändern.
Unterdessen belegt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), dass die Arbeitnehmer in Deutschland 2018 so viel gearbeitet haben wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Das Ar- beitsvolumen der Erwerbstätigen sei im Vergleich zu 2017 um 1,4 Prozent auf 61,1 Milliarden Stunden gestiegen. Erstmals seit Beginn der Zeitreihe 1991 sei damit die Schwelle von 61 Milliarden Stunden überschritten worden. Auch die Zahl der Erwerbstätigen erreichte mit 44,8 Millionen im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand. Sie nahm um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. „Die Arbeit geht uns wahrlich nicht aus, auch wenn das oft behauptet wird“, sagte der Leiter des IAB-Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen, Enzo Weber.
Das Mehr an Arbeitsstunden sei zum einen wegen des Trends zu mehr Vollzeit und weniger Minijobs entstanden, zum anderen wegen der Plusstunden auf den Arbeitszeitkonten, erklärte Arbeitsökonom Weber. Gleichgeblieben sind laut der IAB-Studie dagegen die durchschnittlichen Krankheitstage der Deutschen. Im vergangenen Jahr fehlten sie an 10,6 Tagen wegen Krankheit am Arbeitsplatz – genauso lange wie 2017.