Schulden ohne Reue
2020 greift die Schuldenbremse. Ausgerechnet jetzt beginnt eine Diskussion, ob Kredite für öffentliche Investitionen nicht doch sinnvoll sind.
Deutschlands Wirtschaft steht sehr gut da: Die Arbeitslosigkeit ist auf einem 30-Jahre-Tief, in manchen Regionen herrscht Vollbeschäftigung, die öffentlichen Kassen sind prall gefüllt. Das Ergebnis einer klugen Tarif- und Arbeitsmarktpolitik sowie eines Sparkurses bei den öffentlichen Finanzen. Die ökonomischen Tugenden der Sparsamkeit und der Flexibilität haben sich in Deutschland bewährt.
Doch Vorsicht ist geboten, wenn solche Tugenden zur Ideologie werden. Die Länder haben sich in ihren Haushalten verpflichtet, ab 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Und der Bund darf sich gerade mal mit 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden, um konjunkturelle Ausschläge zu glätten.
Im Kern ist das vernünftig. Doch in der aktuellen Lage der deutschen und der Weltwirtschaft ist es
nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn in Deutschland wurden die Investitionen in öffentliche Infrastruktur und Bildung sträflich vernachlässigt, in Sachen Digitalisierung erreicht das Land in Teilen bestenfalls Dritt-Welt-Niveau. Hier besteht ein riesiger Nachholbedarf.
Warum also nicht für solche Investitionen neue Schulden aufnehmen? Der Bund muss für Kredite bei 0,2 Prozent kaum Zinsen zahlen, für die Länder gilt das Gleiche. Dafür hemmen fehlende Breitbandversorgung, Unpünktlichkeit im Bahnverkehr und Dauerstau auf Autobahnen die Wirtschaftsentwicklung. Öffentliche Investitionen in diesen Bereichen hätten eine mehrfach höhere interne Rendite. Es wäre ökonomisch ein Fehler, das nicht zu nutzen.
Das Gegenargument liegt zwar auf der Hand. Wenn Politiker ihre Budgetrestriktionen als nicht mehr bindend empfinden, werden sie maßlos in ihren Wünschen. Das ist richtig. Deshalb wären genau definierte Investitionen, die oberhalb des normalen Investitionstrends liegen, vielleicht doch eine bessere Obergrenze als die Schwarze Null.
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