Frankfurt feiert einfach weiter
Nach einem 2:0-Erfolg über Benfica Lissabon steht die Eintracht im Halbfinale der Europa League.
FRANKFURT/M Adi Hütter stieß die Fäuste in den Abendhimmel und drückte anschließend jeden an die Trainerbrust, der nicht schnell genug aus dem Weg kam. Auf dem Rasen tanzten die Spieler ein wildes Freuden-Ballett, und viele Fans der Eintracht drängten sich gefährlich nah am Spielfeldrand. Frankfurt feierte den nächsten erstaunlichen Kraftakt bei der Tour durch Europa. Mit einem 2:0-Erfolg im Viertelfinal-Rückspiel (Hinspiel 2:4) gegen Benfica Lissabon stößt die Eintracht zum ersten Mal seit 1980 in ein Halbfinale im europäischenWettbewerb vor. Gegner in der Vorschlussrunde ist der FC Chelsea.
Vor 39 Jahren gewann Frankfurt sogar den Uefa-Cup, und im Team, das in den beiden Finalspielen Borussia Mönchengladbach bezwang, lebte noch ein bisschen vom Glanz der Weltmeisterschaft 1974. Bernd Hölzenbein präsentierte den Pokal, und der Fußball der Eintracht lebte von spielerischen Feingeistern.
Das ist heute anders. Die Mannschaft, die so unaufhaltsam durch Europa marschiert, schaltet ihre Gegner mit Wucht, faszinierender Lauf- und Kampfstärke, mit Mannschaftsgeist aus. Die Flügelspieler Filip Kostic und Danny da Costa ackern im Sprint über die Außenbahn wie nimmermüde Duracell-Häschen. Torwart Kevin Trapp schlägt den Ball beim Abstoß gern wie früher die Briten 60, 70 Meter nach vorn. Dort werfen sich Athleten wie Luka Jovic und Ante Rebic in die Zweikämpfe. Und es macht den Gegnern garantiert keinen Spaß, in diese Zweikämpfe gehen zu müssen.
Dem Publikum schon. „Es war eine unglaubliche Stimmung“, sagte Mittelfeldspieler Sebastian Rode, der den entscheidenden Treffer erzielt hatte. Auch er ist einer der Dauerläufer, die Adi Hütters System zum Tragen bringen. Weil Leidenschaft ein wesentliches Stilmittel dieser Mannschaft ist, versetzt sie nicht nur den eigenen Anhang in Begeisterung. Sie bringt ganz Fußball-Deutschland hinter sich. Zu einem ganz kleinen Teil liegt das auch daran, dass außer der Eintracht kein deutscher Verein mehr mitspielen darf. „Es macht uns stolz, dass wir Deutschland als einziges Team vertreten dürfen“, erklärte Sportvorstand Fredi Bobic.
Er darf sich zu seiner Politik beglückwünschen. Als er vor drei Jahren antrat, da hatte der Klub in den Relegationsspielen gegen den 1. FC Nürnberg so eben die Klasse gehalten und zählte zu den ganz armen Bundesligisten. Mit einem anfangs milde belächeltem Leasingmodell baute Bobic eine Mannschaft aus Leihspielern auf. Unter ihnen waren viele, die anderswo nicht so richtig klar kamen. Es wuchs ein Team aus vielen Nationen, das Trainer Niko Kovac in die Spur setzte. Der Einzug ins Pokalfinale 2017 und der Sieg im Endspiel 2018 schufen neue wirtschaftliche Möglichkeiten. So mancher ehemalige Leihspieler konnte fest verpflichtet werden – Rebic und Jovic zum Beispiel. Niemand lächelte mehr milde.
Adi Hütter hat diese Mannschaft weiter entwickelt. In ihrem Zusammenhalt überschreitet sie Grenzen, die unüberwindlich scheinen. Deshalb hat sie sich in dieser Spielzeit gegen viel größere Gegner durchgesetzt. Die Liste der Opfer ist lang: Olympique Marseille, Lazio Rom, Schachtar Donezk, Inter Mailand, Benfica Lissabon. Und jetzt kommt Chelsea. „Es geht nicht härter“, stellte Rode fest. Er sah nicht so aus, als würde ihm das Angst machen.