Mit 14 Jahren an die Uni oder ein Ticket nach Harvard
Am Luisen-Gymnasium werden Schüler gefördert, die der normale Unterricht nicht auslastet: mit einem Schülerstudium, der Möglichkeit zu überspringen oder einem Doppel-Abi.
Die Osterferien sind schon fast wieder vorbei. Sonderlich entspannen konnte Clemens Wittberg diesmal nicht.Während seine Klassenkameraden Urlaub vom Unterricht machen, drückt der 14-Jährige freiwillig weiter die Schulbank – allerdings nicht wie sonst am Luisen-Gymnasium, sondern in denVorlesungssälen der Heinrich-Heine-Universität.
Wittberg hat einen Traum: Er möchte Teilchenphysiker werden und das so schnell wie möglich. Um diesenWerdegang zu beschleunigen, begann der Neuntklässler zu Beginn des Sommersemesters mit einem Studium der Mathematik. Sechs Wochenstunden verbringt er nun zusätzlich zum regulären Unterricht an der Uni und sammelt dabei Leistungspunkte, die er sich nach dem Abitur für einen schnelleren Abschluss anrechnen lassen kann. Die Umstellung von Schule auf Universität bereitete ihm keine Probleme. „Im Gegenteil, es ist ein cooles Gefühl. Man muss selbständiger arbeiten, vor allem beim Finden der Lösungswege“, sagt Wittberg. Angesprochen auf sein Alter wird er in den Seminaren manchmal schon. „Das ist aber nicht schlimm. Beim Stoff haben die Studenten schließlich dieselben Probleme wie ich.“
Eine Begabtenförderung wieWittbergs Schülerstudium bedingt exzellente Noten, erklärt Angelika Miller. Die Beratungslehrerin ist die Ansprechpartnerin für Schüler am Luisen-Gymnasium, die der Unterricht unterfordert. „Ausdauer und emotionale Stabilität müssen aber auch stimmen“, sagt Miller. In Gesprächen klärt sie mit Schülern und Eltern, wie gefördert werden kann. Neben einem Schülerstudium können das auch Vorversetzungen, Begleitungen beiWettbewerben oder Hospitationen in Kursen der Oberstufe sein. An solch einem „Drehtür-Modell“durfte etwa Sam Osmani (16) teilnehmen. Anstatt Politik besuchte er in der achten Klasse den Philosophie-Kurs der Q1, obwohl er erst kurz zuvor aus der sechsten Klasse vorversetzt worden war. Sozialisierungsprobleme mit seinen viel älteren Mitschülern hatte er aber nie. „Man hört oft das Argument, dass man zu jung sei, um sich integrieren zu können. Ich finde eher, dass auch soziale Reife mit Intelligenz einhergehen kann“, sagt er. Als Stufensprecher kümmert er sich inzwischen sogar um die Abiball-Vorbereitungen seiner Stufe. Kann er seinen Notenschnitt von 1,0 im nächsten Jahr halten, könnte es auch mit dem angestrebten Medizin-Studium auf Anhieb klappen.
Auch Alexander Raßbach (15) möchte studieren, am liebsten schon im Sommer. Und wenn alles klappt, dann vielleicht sogar in Harvard. Möglich macht es ein Essay-Wettbewerb, der Jugendlichen aus ganz Europa die Möglichkeit gibt, einen Monat an der renommiertesten Universität der Vereinigten Staaten zu studieren. Dass der Aufsatz im perfekten Englisch geschrieben sein muss, ist für das Sprachentalent das geringste Problem. Raßbach spricht auch Französisch und Rumänisch, lernt in seiner Freizeit Italienisch und Koreanisch. Verständlicherweise strebt der Zehntklässler deshalb auch ein deutsch-französisches Abitur an – am Luisen-Gymnasium eine weitere Förderungsmöglichkeit für Sprachbegabte. „Trotz meines Rollstuhls liebe ich das Reisen. Besonders, wenn man die Sprache des Landes kann. Dann sind die Einheimischen meist auch viel netter“, erklärt er lächelnd. Zur Entspannung greift er gerne zu einem Text in einer ihm völlig fremden Sprache, um diese kennenzulernen. Dolmetscher möchte er aber nicht werden.„Dann würde ich wohl den Spaß verlieren. Schließlich wird das Übersetzen dann nur noch zur alltäglichen Routine.“