Ein bisschen Farbe für Oberkassel
Seit einem Vierteljahrhundert stehen Jill und Yahia Issaoun immer dienstags und freitags auf dem Markt in Oberkassel. Sie verkaufen Gerbera, Rosen, Lilien oder Exoten wie Strelizien, Kurkuma oder Orchideen.
OBERKASSEL Im tiefenWinter haben Jill und Yahia Issaoun ihre 16-jährige Tochter einmal mitgenommen zum Markt, wollten ihr zeigen, wie die Arbeit hinter dem Stand ist, bei Wind und Kälte und Regen, im Dunkeln, frühmorgens, nachdem sie schon eine gute Stunde Autofahrt hinter sich hatten. „Das war Absicht“, sagt Jill Issaoun, die seit 25 Jahren Blumen auf dem Oberkasseler Markt verkauft, die ihren Job liebt, ihn um nichts in der Welt hergeben würde, die ihrer Tochter aber klarmachen wollte, „dass es Knochenarbeit ist“. 1994 hat Jill Issaoun als Angestellte beim Blumenhändler auf dem Markt im Linksrheinischen angefangen, den es damals gerade einmal zwei Jahre gab. Drei Jahre später übernahm sie das Geschäft, in das ihr MannYahia bald einstieg, der gebürtige Algerier, der Industriekaufmann gelernt hat und als Berufsboxer nach Deutschland kam. „Vom Boxen zu den Blumen“, sagt Yahia Issaoun, der überzeugt ist, dass die Arbeit am Blumenstand gar nicht so anders ist als der Job im Ring. „Boxen ist nicht so hart, wie es aussieht“, sagt der 50-Jährige mit dem freundlichen Lachen, der die Namen vieler Kunden kennt, die so gerne zum Stand auf dem Barbarossaplatz kommen, manchmal nur, um ein bisschen zu plaudern. Das kann Yahia Issaoun gut und vor allem in sieben Sprachen, „Spanisch, Arabisch, Französisch, Berbisch, Englisch, Kroatisch und Deutsch“, erzählt seine Frau stolz.
Der enge Kontakt zu den Menschen ist es auch, den die Issaouns so schätzen, der auf dem Markt ganz anders ist, intensiver als im Laden. Ein Geschäft hatte das Paar einmal, „das hat nicht funktioniert, wir haben immer Personal gebraucht“, erzählt die 44-Jährige, die oft gewartet hat auf die Kunden, „auf dem Markt ist das andersrum, hier kommen wir manchmal gar nicht hinterher“. Drei Tage verkaufen Jill und Yahia in Düsseldorf Blumen, dienstags und freitags in Oberkassel, samstags auf dem Fürstenplatz in Friedrichstadt. Wäre da nicht der Rückhalt der Familie, hätten die Issaouns längst den Stand schließen müssen, „ein Babysitter kommt nicht um halb fünf morgens“, sagt die zweifache Mutter. Pausenbrote schmieren, Schulranzen kontrollieren, Kinder für Kita und Schule fertigmachen – zumindest noch den fünf Jahre alten Sohn: Das übernehmen Oma und Opa.
Viele Tage fangen bei den Issaouns noch früher an, um 3.30 Uhr, wenn nicht Markttag ist, sie aus Hamminkeln nach Straelen fahren zu den Versteigerungen. Eine Stunde Zeit haben sie dann, um durch die Hallen zu laufen, sich die Ware anzuschauen, bevor sie um 5.30 Uhr in einem Hörsaal sitzen, an einem Pult, das mit Knöpfen ausgestattet ist, immer den Blick nach vorn auf die acht Versteigerungsuhren, die Preis, Sorte, Qualität, Länge, Gewicht, Züchter und Artikelnummer anzeigen. Ein Auktionator leitet die Versteigerung, „wir müssen schnell drücken, wenn wir eine bestimmte Ware haben wollen“, sagt Jill Issaoun.
Mit Glück wird sie dann über das Headset mit dem Auktionator verbunden und gibt an, wie viel sie von den Rosen oder Tulpen oder Orchideen haben will. „Manchmal müssen wir zocken“, sagt Yahia Issaoun, je begehrter eine Blume ist oder eine Farbe, zur Kommunion etwa oder in der Hochzeitssaison, um so teurer wird sie. Für Jill Issaoun Nervenkitzel pur am frühen Morgen, ihr Mann dagegen hat richtig Spaß daran, würde gerne mal einen Versuch in Vegas wagen, im Glücksspielparadies. Und wenn die beiden ein Schnäppchen machen bei der Versteigerung, „dann geben wir das auch gerne weiter an die Kunden“, sagt die 44-Jährige.
Wenn Jill Issaoun jemand sagt, dass Blumen zu vergänglich sind, um sie zu verschenken, dem wird sie kontern, dass das Leben das auch ist. „Blumen helfen, das Leben aufzuhellen, für jeden Anlass gibt es die passende Blume“, sagt Issaoun, die Schnittblumen bevorzugt, weil sie keinen grünen Daumen für Topfpflanzen hat, weil ihr bei Topfpflanzen die Abwechslung fehlt.Vier oder fünf Sträuße hat sie immer zu Hause. Selten Rosen, „die schon etwas überbewertet sind“, findet Jill Issaoun, die trotzdem immer mal wieder Rosen bekommt von ihrem Mann, der gern Rosen verschenkt, „vielleicht auch ein bisschen, weil meine Frau sie nicht mag“, sagt der 50-Jährige. Rosen sind Blumen für Fleißige, „sie müssen täglich angeschnitten werden, damit sie sich halten“, erzählt Jill Issaoun, „Tulpen sind da pflegeleichter“.
Viel hat sich nicht verändert in den letzten 25 Jahren auf dem Markt in Oberkassel, „der Platz hier ist immer noch toll“, sagt Jill Issaoun. Nur die Menschen, die sind anders geworden. „Sie sind nachhaltiger, wollen lieber regionale Blumen und fragen nach Pflanzen, die den Bienen Lebensräume geben.“