Schrecken der Geschichte
Spricht man von deutschen Gräueltaten, geht es meist um den Zweiten Weltkrieg, als die Nazis aufgrund ihrer Gier nach Macht halb Europa überfielen und Millionen unschuldiger Menschen ermordeten. Über dieses Thema zu reden, ist heute nichts Ungewöhnliches mehr, denn die Aufarbeitung hat in den vergangenen Jahrzehnten gut funktioniert – die Deutschen sind sich in der Regel ihrer Geschichte und der Verantwortung, die sich daraus ergibt, bewusst. Anders sieht es mit der deutschen Kolonialisierung Afrikas aus, die Anfang des 20. Jahrhunderts bereits zu einem Genozid an der indigenen Bevölkerung Namibias führte: Diese Zeit rückt – nicht zuletzt wegen „prominenterer“Verfehlungen in der Geschichte – weit in den Hintergrund, sodass selbst die Bundesregierung erst 2015 anerkannte, dass es überhaupt einen Völkermord gegeben hat. Die Dokumentation „Unter Herrenmen
schen“(Vortag, 21.45 Uhr, ARTE) von Christel Fomm, die dieses wenig bekannte Kapitel beleuchtete, sorgte vor diesem Hintergrund für ein extrem unangenehmes Gefühl. Dabei reichte im Grunde schon der nüchterne Teil aus, der den deutschen Kolonialismus in Namibia von Anfang bis Ende schilderte und die heute noch spürbaren Folgen aufzeigte. Betroffen machten aber vor allem die persönlichen Geschichten der Opfergruppen oder Betroffener wie Desirée Kahikopo, deren Familie durch die Inhaftierung in Arbeitslagern auseinandergerissen wurde. Gleichzeitig setzte sich beim Zuschauer eine Katharsis in Gang, die den Blick für verursachtes Elend schärfte und einem ins Bewusstsein rief, dass die Welt sich unbedingt bessern muss. (sup)