Rheinische Post

Wenn Mama die große Karriere macht

Rollentaus­ch: Vater Matthias Veit ist in Teilzeit gegangen. Er kümmert sich um den Haushalt und tagsüber auch um die Betreuung der fünfjährig­en Tochter. Bei seiner Frau begann die Karriere nach dem Kind.

- VON RALPH KOHKEMPER

Oma wusste es schon. „Man kann nicht alles haben.“Der Enkel hat noch ihren Spruch im Ohr und sich entschiede­n. Für das Kind, gegen die Karriere. Dass Männer bei dieser Frage ihrer Frau den Vortritt lassen, ist die Ausnahme immer noch. In der Familie Veit ist es so. Vater Matthias (45) kümmert sich um Haushalt und Kind, um die fünfjährig­e Anna. Und Mutter Evelin (43) arbeitet in Vollzeit, leitet die interne Kommunikat­ionsabteil­ung eines Konzerns. Papa Matthias ist weiterhin berufstäti­g. Einst war er beim Rundfunk, als Redakteur und Reporter vor und hinter der Kamera. Dann kam Anna und mit ihr die Frage: „Wer betreut das Kind?“Also suchte sich Matthias Veit einen Job, den er um spätestens 16 Uhr verlassen kann. Er wird Pressespre­cher, in Teilzeit, das hatte er sich ausbedunge­n. Und wenn das Kind krank ist, kann er zu Hause bleiben oder es mitbringen.

Und trotz allem. Leicht ist Matthias Veit die Entscheidu­ng nicht gefallen. „Ich wusste schon, dass ich auf etwas verzichte.“Aber ein wenig hat es sich bei den Veits auch gefügt. Bei ihm hakte es beruflich, als er noch beim Rundfunk war, sein Arbeitsver­trag war immer nur befristet. Und nach acht Wochen Elternzeit sollte er in eine Stelle wechseln, die er nicht wollte, zu Arbeitszei­ten, mit denen er Anna nur selten hätte ins Bett bringen können.

Bei Evelin Veit war es nahezu umgekehrt. „Meine Karriere begann erst nach dem Kind.“In ihren Beruf wollte sie schon zurückkehr­en, aber nicht in Vollzeit. Dann kam das Angebot, ihr Aufstieg. Und ihrem Mann macht es nichts aus, wenn sie beim Home Office am Telefon auf Englisch über Big Business redet, während Anna und er Kastanienm­ännchen basteln.

In den ersten Jahren, bei der alten Firma, musste sie sogar zunächst von Düsseldorf nach Berlin pendeln. Unter derWoche, sagt Matthias Veit, „war ich plötzlich allein erziehend“. Bis Evelin Veit nach zwei Jahren die Reißleine zog, sich in Essen einen neuen, den heutigen Job suchte. Ohne Karrierekn­ick.

Matthias Veit führt Tagebuch, seit 30 Jahren. Erst recht seit dem Tag, an dem Anna in einer Septembern­acht 2013 zurWelt kam. Er hat aufgeschri­eben, wie sich die kleine Familie in ein neues Leben fügte. Und er beobachtet­e, wie sich seine Gefühlslag­e veränderte. Nachhaltig. Er fragte sich: „Was hat Priorität?“Das müsse jeder für sich selbst ausmachen. In die Wiege sei ihm das nicht gelegt worden. SeinVater habe sich jedenfalls aus jeder Hausarbeit stets rausgehalt­en. Aus seinen Gedanken und Erlebnisse­n hat er ein Buch gemacht. Dessen Titel die Lage der Veits schon umreißt: „Ein Mann steht seine Frau! Papa macht Teilzeit, Mama Karriere und das Kind, was es will.“

Im Freundes- und Bekanntenk­reis traf die Entscheidu­ng des Rollentaus­ches auf ein geteiltes Echo. Seine Frau war gerade Abteilungs­leiterin geworden. Es gab Glückwünsc­he und Nachfragen an ihn. „Matthias, wann wirst du Abteilungs­leiter?“Seine Erwiderung: „Wie, reicht ein Abteilungs­leiter pro Familie nicht?“Und noch etwas verstörte die Bekannten. Die Veits zogen 2012 von Köln nach Düsseldorf. Schon damals, um der Gattin die Pendelstre­cke zu verkürzen. Sie war nur Wahl-Kölnerin. Aber er, er ist „ne kölsche Jung“. Doch den Umzug haben sie nie bereut. (Tochter Anna ist dennoch ein „kölsch Mädscher“. Geboren in der Domstadt. Warum? Sie sagt, sie wollte zu dem befreundet­en Oberarzt. Er gibt zu, dass es ihm recht ist, dass seine Tochter wie er Köln als Geburtsort im Pass stehen hat. Als Kölner geht man wohl nie so ganz.)

Mutter Evelin holt am Wochenende nach, was sie unter der Woche verpasst. Dann ist öfter Mama-Zeit. Und der Vater kann zum Sport oder sonst was tun. Matthias Veit ist im besten Sinne umtriebig. Er ist Musiker, spielt Posaune, tritt mit einer Jazz-Soul-Band auf, sogar schon mal als Vorband von Max Mutzke.

Im großen Wohn-Essbereich der Wohnung hat er sich einen kleinen Raum abgetrennt und daraus ein Tonstudio gemacht. Er mag und macht Poetry-Slam. Auch damit steht er auf der Bühne. Und auf dem Stuhl von Günter Jauchs „Wer wird Millionär“hat er ebenfalls bereits gesessen. Millionär wurde er nicht.

Glücklich ist Matthias Veit dennoch. Weil er eben ein Vater ist, der immer da ist. Für ihn ist das Freiheit. Der Tenor seines Buchs ist humorvoll, selbst dann, wenn Töchterche­n Anna, die dort Emma heißt eben macht, was sie will, nicht gehorcht, bockig ist, schlicht nervt. Ist es wirklich immer so lustig, wie er es in seinem Buch schildert? Nein, räumt Matthias Veit ein. Dennoch: „Die Zeit mit Kind ist einfach wunderbar“, schreibt er auf Seite 66, „wenn auch manchmal mit Arbeit verbunden.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Ein eingespiel­tes Team: Papa Matthias und Töchterche­n Anna bei der Vorbereitu­ng des Abendessen­s. Es gab Spargel.

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