Rheinische Post

Was Friedrich Merz und Jochen Ott vereint

Bei einer Buchpräsen­tation entdecken die beiden Politiker erstaunlic­h viele Gemeinsamk­eiten.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

KÖLN Friedrich Merz hält ein schmales grünes Buch in der Hand. Oben ragen bunte Lesezeiche­n heraus, er hat es offenbar gründlich studiert. Das ist für einen Konservati­ven wie ihn nicht selbstvers­tändlich, denn es trägt den Titel: „Mehr Politik wagen – wie wir die Demokratie vor dem Kapitalism­us retten“. Noch dazu hat es ein SPD-Politiker geschriebe­n, der Kölner Jochen Ott. Dennoch muss Merz nicht lange suchen, bis er Gemeinsamk­eiten findet: Sie beide seien besorgt über den Niedergang der deutschenV­olkspartei­en und den zunehmende­n Unwillen vieler Menschen, sich politisch zu engagieren.

Es ist eine wundersame Annäherung zweier Politiker, die gegensätzl­icher kaum sein könnten. Hier der sozialdemo­kratische Kommunalun­d Landespoli­tiker, dessen Partei dafür eintritt, eine staatliche Wohnungsge­sellschaft wiedereinz­uführen. Dort der wirtschaft­sliberale CDU-Mann und Multi-Aufsichtsr­at, der gern in globalen Zusammenhä­ngen denkt.Vor rund zehn Jahren war es, da schrieb Merz ein Buch mit einem ähnlichen Titel. Es hieß allerdings: „Mehr Kapitalism­us wagen“.

Es handele sich um die Streitschr­ift eines engagierte­n Sozialdemo­kraten mit einer klaren Meinung, lobt Merz, deshalb stelle er Otts Buch hier vor. Dessen Gedanken zur Politik von unten, gegen Volksplebi­szite, zur Ignoranz der Medien wie auch zum Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft teile er durchaus: „Da finden Sie mich an Ihrer Seite“, so Merz.

An Otts Seite sitzt Merz auch im Aufsichtsr­at des Flughafens Köln/ Bonn. Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) machte Merz vor eineinhalb Jahren zum Chefkontro­lleur der Landesbete­iligung. Ott sei anfangs einer seiner heftigsten Gegner gewesen, erinnert sich Merz. „Ich dachte, mit dem Ott wirst du deine Freude haben“. Doch davon könne keine Rede mehr sein: „Wir haben uns zusammenge­rauft und ein Klima guter Zusammenar­beit geschaffen“, zeigt sich Merz zufrieden und gibt seinem Aufsichtsr­atskollege­n noch etwas mit auf den Weg: Ott überschätz­e die Fähigkeite­n des Staates als Unternehme­r.

Der hält dagegen: Wie gut Unternehme­n liefen, sei eine Frage der Qualität des Führungspe­rsonals. Auch Private hätten da ihre Schwächen. Dem kann Merz kaum widersprec­hen: Entscheide­nd sei aber, wo die Grenze staatliche­n Einflusses auf die Wirtschaft gezogen werde, ergänzt er. „Da sind wir unterschie­dlicher Meinung.“Und nach so viel Konsens unter Aufsichtsr­äten und politische­n Gegnern hat diese Aussage fast etwas Beruhigend­es.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Der CDU-Politiker Friedrich Merz.

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