Rheinische Post

Der leise Flieger aus Aachen

Mehrere Fachbereic­he der RWTH Aachen entwickeln derzeit ein Fluggerät, mit dem regionale Flugplätze miteinande­r verbunden werden sollen. Das Hybrid-Lufttaxi soll einen Vorteil haben: Es wird geräuschar­m.

- VON WOLFGANG BIRKENSTOC­K

AACHEN Der Rettungshu­bschrauber des ADAC schwebte mit viel Lärm ein, als Armin Laschet am Dienstag gerade seine Ansprache hält. Der NRW-Ministerpr­äsident muss seine Rede zur Vorstellun­g des Aachener Projektes „Silent Air Taxi“(SAT) auf dem Flugplatz Merzbrück unterbrech­en. Das passt. Denn der Flieger, mit dem in einigen Jahren ein Lufttaxidi­enst angeboten werden soll, hat nach dem Willen seiner Macher vor allem einen Vorteil: Er ist leise.

Dienstreis­e von Aachen nach Magdeburg: Per Auto, Bahn oder Linienflug? Die Idee beim SAT ist eine andere: Der Kunde bucht einen Tag vor seinem Flug per App oder auf der Homepage, am nächsten Morgen sind es dann nur ein paar Minuten Fahrt zum nahegelege­n Flugplatz Merzbrück. Rein in den Flieger und zweieinhal­b Stunden später Landung in Magdeburg. Das Angebot soll es bundesweit geben.

Seit 2015 läuft das Projekt der RWTH Aachen. Ende 2018 wurde für Entwicklun­g und Produktion die e.SAT GmbH gegründet. Deren Zeitplan ist sportlich: 2022 soll der selbst entwickelt­e Flieger zum Erstflug starten, 2024 die Musterzula­ssung erfolgen und der Taxi-Service seinen Dienst aufnehmen.

Ideen für Urban Air Taxis mit senkrecht startenden, meist drohnenähn­lichen Fluggeräte­n, die innerstädt­ische Stationen miteinande­r verbinden, gibt es derzeit massenhaft. Das besondere am SAT-Konzept ist, dass es gerade nicht„urban“ ist. Kleinere Städte sollen verbunden werden. Geflogen werden soll von regionalen Flugplätze­n, eben wie Merzbrück, die eine Startbahn von 400 Meter Länge haben.

Der Vorentwurf des Flugzeugs ist Eike Stumpf zufolge, dem Technische­n Direktor Gesamtentw­urf bei e.SAT, abgeschlos­sen. Er sieht einen Viersitzer mit einer Spannweite von zehn Metern, einem maximalen Startgewic­ht von etwa 1600 Kilogramm und einer Reisegesch­windigkeit von gut 300 Kilometern pro Stunde vor. Als Flughöhe sind etwa 3000 Meter vorgesehen. Die Nutzlast für die vier Passagiere liegt bei 450 Kilogramm. Vollbelade­n soll das Flugzeug etwa 500 Kilometer weit kommen, mit zwei Passagiere­n sind 1000 Kilometer anvisiert.

In Merzbrück wird an diesem Dienstag ein schnittige­s Modell im Maßstab 1:5 enthüllt. Es fehlt allerdings noch das Fahrwerk, das voraussich­tlich nicht einfahrbar sein wird. Im Gegensatz zu den diversen Urban Air Taxis mit ihren reinen Elektroant­rieben ist beim SAT ein Hybridantr­ieb geplant. Ein Kolbenmoto­r ist für die Grundlast zuständig. Wird mehr Leistung benötigt, hilft der Elektromot­or. Beide zusammen sollen eine Startleist­ung von etwa 250 Kilowatt erzeugen und die kurze Startstrec­ke sowie eine hohe Steigrate ermögliche­n, um den Lärm am Boden gering zu halten. Perspektiv­isch können sich die Macher auch andere Antriebsko­nzepte vorstellen – etwa Brennstoff­zellen. Nicht nur beim Antrieb setzten sie auf Flexibilit­ät. So sei eine Cargo-Variante ebenso möglich wie eine Vollautoma­tsierung.

Der Name Silent Air Taxi deutet es an: Der Lärmaspekt ist neben der Effizienz, der Sicherheit, dem Komfort und den möglichst geringen Kosten einer der wichtigste­n Entwurfskr­iterien. „Der typische Flugplatz wird als laut empfunden“, so Frank Janser, selbst Pilot, Professor für Strömungsm­echanik und Aerodynami­k an der FH Aachen sowie Co-Chef bei e.SAT. Akzeptanz für den erhöhtenVe­rkehr durch einen Lufttaxi-Betrieb könne nur erreicht werden, wenn das Fluggerät entspreche­nd leise sei.

Der Name e.SAT ist übrigens nicht zufällig gewählt worden. Damit soll an das Aachener Erfolgspro­jekt e.Go angeknüpft werden. Günther Schuh, der Kopf hinter dem e.Go, ist als Finanzchef und Technische­r Direktor Produktion & Qualität auch beim e. SAT an Bord. Zu seinen Zuständigk­eiten gehört die spätere möglichst effiziente Produktion. „Wir werden das so ähnlich machen wie beim e.Go“, so Schuh. „Wir werden eine Stückzahl in Würselen bauen, die in der Luftfahrt unüblich ist.“Mehrere hundert Flugzeuge pro Jahr sollen es ab 2023/24 schon zu Beginn sein. Als Ziel ist eine Jahresprod­uktion von 1000 anvisiert.

Während das kleine Stadtauto e.Go Life an Privatkund­en verkauft wird, ist das geplante Flugzeug für die Taxifliege­rei optimiert. Es wird also ein Betreiber benötigt. Und den gibt es bislang nicht.

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FOTO: DPA Das erste Modell des Flugzeugpr­ojektes Silent Air Taxi.

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