„119 Millionen Schüler ersetzen Fortuna“
Udo Brockmeier ist Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf, des Partners von Texthelden. Im Interview erklärt er, welche Formel aus der Schule ihm im Job hilft und wie viele Fahrrad fahrende Schüler es bräuchte, um die Energie eines Kraftwerks zu
Udo Brockmeier ist studierter Maschinenbauer, hat nach seiner Promotion in diesem Fach im Bereich Energietechnik auch habilitiert, er könnte also Professor an einer Uni sein. Er ist aber seit neun Jahren Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf. Wie funktioniert ein Kraftwerk? Was treibt ihn morgens ins Büro? Und wie viel Energie produziert der Block Fortuna? Das sind Fragen, die er locker aus dem Effeff beantwortet. Wie funktioniert das Kraftwerk Fortuna? Läuft das genauso wie bei meinem Fahrraddynamo? Tatsächlich handelt es sich bei der Stromerzeugung in unserem Erdgaskraftwerk auf der Lausward und der Stromerzeugung am Fahrrad, um das Vorder- und Rücklicht zum Leuchten zu bringen, um dasselbe Prinzip: Mechanische Energie wird in elektrische Energie umgewandelt. Was beim Fahrrad der Dynamo ist, ist beim Kraftwerk der Generator.
In unserem Kraftwerk liefert umweltfreundliches Erdgas oder zukünftig Wasserstoff die Energie. Es wird in einer Art überdimensionalen Flugzeugturbine verbrannt, die in schnelle Rotation versetzt wird und den Generator bewegt, der diese Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandelt.
Beim Fahrrad ist die eingesetzte Energie die Muskelkraft der Radlerin oder des Radlers, statt einer Turbine wird ein Fahrradreifen bewegt und mithilfe des Dynamos elektrische Energie erzeugt, die ausreicht, um ein Fahrrad im Straßenverkehr sicher zu beleuchten. Wo besteht der Unterschied?
Zunächst einmal in der Größe, aber auch in der Zuverlässigkeit. In Düsseldorf dürfen nie die Lichter ausgehen, die Bahnen stehen oder die Aufzüge stecken bleiben. Außerdem muss immer genau dann und genau so viel Strom da sein, wie in dem Augenblick gebraucht wird. Beim Fahrrad wird das Licht genau dann gebraucht, wenn das Rad fährt und mit unserem Dynamo erzeugen wir den Strom „just in time“. Das ist bei einer Stadt natürlich viel komplizierter, denn wir müssen dafür sorgen, dass immer genügend Energie zur Verfügung steht. Das kann ganz unterschiedlich sein. So braucht unsere Stadt an einem lauen Sommerabend, wo sich viele Menschen draußen aufhalten, wesentlich weniger Energie als an einem kalten und dunklen Wintertag, an dem der Auflauf im heißen Backofen gart. Unser hochmodernes Kraftwerk kann ganz flexibel darauf reagieren, wie hoch der aktuelle Strombedarf ist.
Und es gibt noch eine weitere Variable, die für den Betrieb von Block Fortuna wichtig ist: In Deutschland haben erneuerbare Energien, zum Beispiel aus Sonnen- undWindenergie, immerVorrang, das heißt, es wird immer zuerst diese Energie in die Netze eingespeist und genutzt. An einem windstillen und wolkigen Tag muss Block Fortuna also mehr arbeiten als an einem Tag, an dem viel regenerative Energie erzeugt wird. Wie viele Schülerinnen und Schüler mit Fahrrädern und Dynamos bräuchte es, um Block Fortuna zu ersetzen? Wenn man davon ausgeht, dass ein Dynamo etwa 5 Watt Leistung hat, benötigt man 119 Millionen Schülerinnen und Schüler. Das sind knapp eineinhalb Mal so viele Einwohner, wie Deutschland hat! Für wie viele Haushalte reicht das?
Das Kraftwerk produziert genug Energie, um ganz Düsseldorf zu versorgen. Gibt es eine Formel aus Ihrer Schulzeit, die Ihnen nun im Arbeitsleben wieder begegnet? Ja, sin2x+cos2x=1. Scherz beiseite. Ich will nur sagen, Kompliziertes kann so einfach sein, wenn ich mich darauf einlasse. Deswegen ist es nicht eine Formel, die mir immer wieder begegnet und mir bei der täglichen Arbeit hilft, sondern das Grundlagenwissen. Die Begeisterung für technische Zusammenhänge habe ich immer noch und es bereitet mir große Freude, sie dafür einzusetzen, die Lebensqualität in unserer Stadt weiter zu steigern. Was lieben Sie an Ihrem Job besonders? Welcher Gedanke lässt sie morgens fröhlich das Haus verlassen? Man muss Technik mögen in meinem Job und die Herausforderung, die Lösung, die gestern noch gut war, durch eine ganz neue Idee zu ersetzen. Und das jeden Tag. Das kann große Freude bereiten, wenn im Unternehmen viele so denken. Und bei den Stadtwerken gibt es immer mehr Menschen davon. Sie hören 2020 auf, damit die Stadtwerke sich verjüngen können. Was kann ein junger Nachfolger besser? Unsere Väter und Großväter, unsere Mütter und Großmütter, die vor langer Zeit die großen Unternehmen in Deutschland gründeten, waren nach unseren heutigen Maßstäben oft sehr jung. Das vergessen wir heute manchmal. Ich vertraue auf die Kraft und die Verantwortung junger Menschen.