Das Abenteuer Einsamkeit
„Louise by the Shore“zeigt das Leben einer alten Dame in einem leeren Urlaubsort.
(ry) Für viele stehen mit der Urlaubszeit spannende oder entspannende Wochen erst noch bevor. Für Louise sollten diese nun eigentlich vorbei sein. Doch das größte Abenteuer wartet noch auf sie: Die alte Dame genießt am Meer von Bilingen die letzten Sonnenstunden eines sich dem Ende zuneigenden Sommers. Dann ist es so weit: Die Taschen sind gepackt, und Louise ist auf dem Weg zur Bahnstation des kleinen Örtchens. Doch als sie dort ankommt, ist der Zug bereits abgefahren – und mit ihm alle anderen. Die Stadt ist wie ausgestorben, menschenleer. Erschöpft kehrt Louise in ihre Wohnung zurück.
In der Nacht verwandelt sich das Urlaubsparadies in einen den Gezeiten ausgesetzten Albtraum. Das Meerwasser fließt erbarmungslos durch die Gassen, der Wind heult gespenstisch durch die Fensterläden, und Louise liegt schutzsuchend in ihrem Bett und versteckt sich vor dem Unwetter.
Am nächsten Morgen ist es ruhig. Die Gestrandete beschließt deshalb, weiterhin zu bleiben – und das Abenteuer, das auf sie wartet, zu beginnen. Sie baut ihr eigenes kleines Reich am Wasser, duscht vor den leerstehenden Hotels und bricht in verlassene Kaufhäuser ein. All ihre Erlebnisse dokumentiert sie in einem Tagebuch. Plötzlich trifft sie auf einen alten Hund, der genau wie sie auf der Suche nach einem Weggefährten ist. Louise erzählt ihm von ihrer Vergangenheit, ihrer Kindheit und ihrer Liebe.
Mit zahlreichen Nominierungen ist „Louise by the Shore“(im Original „Louise en hiver“) bereits der sechste animierte Langfilm des französischen Regisseurs JeanFrançois Laguionie, der mit Werken wie „Le château des singes“(1999), „L’île de Black Mór“(2003) oder auch „Le Tableau“(2011) berühmt wurde. Seinem neustesWerk haucht der Regisseur Intimität und Lebendigkeit ein und zieht Parallelen zu seinem eigenen Leben. Es ist ein melancholisch schöner Film in den Weiten eines leer gefegten Paradieses, das zum Träumen inspiriert. Jordan Mintzer vom „Hollywood Reporter“schrieb, der Film sei kein einfaches Futter für Cartoon-Fans, sondern erfreue vielmehr Zuschauer, die mehr von einem Aninationsfilm erwarten als nur aktiongeladene Gags. Weiterhin verglich er den Film mit „Die rote Schildkröte“von Michael Dudok deWit, allerdings sei„Louise by the Shore“eine düstere und tiefgreifendere Charakterstudie über das Leben und das Älterwerden – vor einer menschenleeren Kulisse und mit zarten Pastellfarben gezeichnet.
Jean-François Laguionie, der nicht nur Regie führte, sondern auch für das Drehbuch verantwortlich war und darüber hinaus den Film gemeinsam mit Galilé Marion-Gauvin produzierte, leiht dem Hund im Original auch noch seine „Stimme“.
In dieser Woche findet im französischen Annecy das „Festival du Film d’Animation d’Annecy“statt. Aus diesem Grund zeigt der deutsch-französische Kultursender Arte nicht nur Jean-François Laguionies Werk in Erstausstrahlung, sondern direkt im Anschluss ab 0.10 Uhr auch den französischen Animationsfilm „Das Mädchen ohne Hände“, der 2016 auf eben diesem Filmfestival gelobt wurde. Regisseur Sébastien Laudenbach erzählt darin eine Art modernes Märchen, für das er sich von den Gebrüdern Grimm hat inspirieren lassen: Als ein armer Müller auf eine Gestalt trifft, erkennt er darin den Teufel. Dieser will ihm ewigen Reichtum schenken – das kann der arme Mann natürlich nicht abschlagen. Der Preis ist jedoch hoch: Er verkauft seine Tochter an den Teufel. Getrennt von ihrer Familie, wird die Geschichte des jungen Mädchens ohne Hände erzählt, das auf seiner Reise manche Licht- und Schattengestalten sowie dem Prinzen seines Herzens begegnet. Doch damit ist nicht alles gut, denn die junge Frau – und inzwischen Mutter – muss erneut fliehen und versteckt sich in den Bergen. Eines Tages bekommt sie unerwarteten Besuch. Louise by the Shore, 22.55 Uhr, ARTE