Rheinische Post

So funktionie­ren die Spuren für Fahrgemein­schaften in den USA

Die Umweltspur­en sollen bald auch für Fahrgemein­schaften freigegebe­n werden – damit wäre Düsseldorf ein Vorreiter in Deutschlan­d. In Amerika sind die „Diamond Lanes“verbreitet.

- VON FRANK HERRMANN UND ARNE LIEB

Die Interstate 66, die aus Washington DC ins Umland führt, ist chronisch zugestaut, wenn die Pendler am Nachmittag aus der Stadt strömen. Die linke Fahrspur ermöglicht ein schnellere­s Durchkomme­n: Nur Autos mit zwei oder mehr Insassen dürfen sie nutzen, und die gibt es nicht allzu oft. Die Allein-Fahrer müssen sich die anderen drei Spuren teilen.

Nicht nur in der Hauptstadt gibt es solche HOV (High-occupancy vehicle) Lanes, in den USA sind Fahrspuren für Autos mit mindestens zwei oder manchmal auch drei Insassen verbreitet. Das soll zum Bilden von Fahrgemein­schaften motivieren. Weil die Spuren mit einem Diamanten-Symbol markiert sind, nennt man sie auch„Diamond Lanes“. Die US-Amerikaner, die ohnehin disziplini­ert sind, akzeptiere­n in der Regel das Sonderpriv­ileg. Für die besonders staugeplag­ten Bewohner des Speckgürte­ls rund umWashingt­on sind die HOV Lanes aber auch eineVersuc­hung: Oft sieht man ihre Autos dann am Straßenran­d stehen, dahinter die Polizei mit rot-blauen Warnleucht­en. Die Kontrollen sind streng, wer alleine fährt, muss damit rechnen, herausgefi­scht zu werden.

Auch die Düsseldorf­er Autofahrer sollen sich bald an Sonderpriv­ilegien für Fahrgemein­schaften gewöhnen. Das Bundesverk­ehrsminist­erium ermöglicht ein Pilotproje­kt: Die beiden Umweltspur­en, die bislang für Busse, Fahrräder, Taxen und E-Autos freigegebe­n sind, dürfen bald auch von Autos mit drei oder mehr Insassen befahren werden. Die Anregung hatte Oberbürger­meister Thomas Geisel gegeben – der die HOV Lanes aus seinem Studium in Washington kennt.

Hier wie dort sind die meisten Autofahrer alleine unterwegs, im Berufsverk­ehr noch häufiger als sonst. In Düsseldorf pendeln drei von vier Berufstäti­ge von außerhalb mit dem Auto zur Arbeit, in den USA ist der Anteil der Autofahrer noch höher, weil der ÖPNV weniger ausgebaut ist. Es gibt verschiede­ne Modelle für die Fahrgemein­schafts-Spuren, teilweise dürfen auch allein reisende Autofahrer sie nutzen – gegen eine Mautgebühr. Der Erfolg wird in den USA kontrovers diskutiert. Die ersten HOV Lanes gab es bereits Anfang der 1980er Jahre, der Anteil von Fahrgemein­schaften ist trotzdem gering geblieben.

In der Praxis funktionie­ren die Spuren in den USA reibungslo­s.Wer nicht allein unterwegs ist, nutzt die HOV Lane, wenn es sich anbietet. Da sie links außen verläuft, muss man sie allerdings rechtzeiti­g verlassen, wenn man eine Ausfahrt nehmen will, die auch in den USA in der Regel vom rechten Straßenran­d abgeht. Im Ballungsra­um Washington haben Autobahnen in aller Regel vier bis fünf, manchmal auch sechs Spuren – vor allem im dichten Berufsverk­ehr ist das Abfahren nervig. Der Zeitgewinn in Washington ist zudem relativ, weil die meisten irgendwann auf den Beltway, die Ringautoba­hn, müssen. Die ist berüchtigt für ihre Staus – und nicht mit einer HOV Lane ausgestatt­et.

Auch in Düsseldorf handelt es sich bislang nur um einen Feldversuc­h auf sehr kurzer Strecke: Die Umweltspur­en über Merowinger­straße und Prinz-Georg-Straße sind nur wenige hundert Meter lang. Zudem muss noch ermittelt werden, wie gut sich Radfahrer und Autopendle­r arrangiere­n – diese Kombinatio­n gilt als mögliches Problem. Deutschlan­d folgt mit dem Versuch auch einer Vielzahl anderer Länder. In Kanada und Südamerika sind Fahrgemein­schafts-Sonderspur­en verbreitet, in Europa haben unter anderem die Niederland­e, Norwegen, Großbritan­nien und Spanien ein solches Privileg ausprobier­t.

ADAC-Mobilitäts­experte Roman Suthold bewertet den Düsseldorf­er Ansatz kritisch. Zwar lobt er, dass die Auslastung der Umweltspur­en steigen könnte, wenn auch Fahrgemein­schaften sie nutzen dürfen. Allerdings sei die Ausgangsla­ge völlig anders als in den USA. „Dort gibt es viel mehr Fahrstreif­en.“In Großstädte­n wie Düsseldorf fehle der Platz, um dem Autoverkeh­r eine Fahrspur wegzunehme­n. Wenn sich am Ende der Autoverkeh­r auf der anderen Spur mehr staut, sei für die Luftqualit­ät nichts gewonnen.„Wo der Autoverkeh­r steht, sind die Stickoxid-Werte hoch.“

Die Vor- und Nachteile sollen in dem Pilotproje­kt in Düsseldorf erforscht werden. Ab Ende des Jahres soll die neue Sonderfrei­gabe dann in der Straßenver­kehrsordnu­ng verankert sein, sodass auch andere Kommunen sie nutzen könnten – falls sich die Idee auch in Düsseldorf in der Praxis bewährt.

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FOTO: WIKIPEDIA/SOUNDERBRU­CE/CC Auch in Seattle gibt es HOV Lanes: Die linke Spur ist hier für Busse und Autos mit zwei oder mehr Insassen freigegebe­n.

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