So funktionieren die Spuren für Fahrgemeinschaften in den USA
Die Umweltspuren sollen bald auch für Fahrgemeinschaften freigegeben werden – damit wäre Düsseldorf ein Vorreiter in Deutschland. In Amerika sind die „Diamond Lanes“verbreitet.
Die Interstate 66, die aus Washington DC ins Umland führt, ist chronisch zugestaut, wenn die Pendler am Nachmittag aus der Stadt strömen. Die linke Fahrspur ermöglicht ein schnelleres Durchkommen: Nur Autos mit zwei oder mehr Insassen dürfen sie nutzen, und die gibt es nicht allzu oft. Die Allein-Fahrer müssen sich die anderen drei Spuren teilen.
Nicht nur in der Hauptstadt gibt es solche HOV (High-occupancy vehicle) Lanes, in den USA sind Fahrspuren für Autos mit mindestens zwei oder manchmal auch drei Insassen verbreitet. Das soll zum Bilden von Fahrgemeinschaften motivieren. Weil die Spuren mit einem Diamanten-Symbol markiert sind, nennt man sie auch„Diamond Lanes“. Die US-Amerikaner, die ohnehin diszipliniert sind, akzeptieren in der Regel das Sonderprivileg. Für die besonders staugeplagten Bewohner des Speckgürtels rund umWashington sind die HOV Lanes aber auch eineVersuchung: Oft sieht man ihre Autos dann am Straßenrand stehen, dahinter die Polizei mit rot-blauen Warnleuchten. Die Kontrollen sind streng, wer alleine fährt, muss damit rechnen, herausgefischt zu werden.
Auch die Düsseldorfer Autofahrer sollen sich bald an Sonderprivilegien für Fahrgemeinschaften gewöhnen. Das Bundesverkehrsministerium ermöglicht ein Pilotprojekt: Die beiden Umweltspuren, die bislang für Busse, Fahrräder, Taxen und E-Autos freigegeben sind, dürfen bald auch von Autos mit drei oder mehr Insassen befahren werden. Die Anregung hatte Oberbürgermeister Thomas Geisel gegeben – der die HOV Lanes aus seinem Studium in Washington kennt.
Hier wie dort sind die meisten Autofahrer alleine unterwegs, im Berufsverkehr noch häufiger als sonst. In Düsseldorf pendeln drei von vier Berufstätige von außerhalb mit dem Auto zur Arbeit, in den USA ist der Anteil der Autofahrer noch höher, weil der ÖPNV weniger ausgebaut ist. Es gibt verschiedene Modelle für die Fahrgemeinschafts-Spuren, teilweise dürfen auch allein reisende Autofahrer sie nutzen – gegen eine Mautgebühr. Der Erfolg wird in den USA kontrovers diskutiert. Die ersten HOV Lanes gab es bereits Anfang der 1980er Jahre, der Anteil von Fahrgemeinschaften ist trotzdem gering geblieben.
In der Praxis funktionieren die Spuren in den USA reibungslos.Wer nicht allein unterwegs ist, nutzt die HOV Lane, wenn es sich anbietet. Da sie links außen verläuft, muss man sie allerdings rechtzeitig verlassen, wenn man eine Ausfahrt nehmen will, die auch in den USA in der Regel vom rechten Straßenrand abgeht. Im Ballungsraum Washington haben Autobahnen in aller Regel vier bis fünf, manchmal auch sechs Spuren – vor allem im dichten Berufsverkehr ist das Abfahren nervig. Der Zeitgewinn in Washington ist zudem relativ, weil die meisten irgendwann auf den Beltway, die Ringautobahn, müssen. Die ist berüchtigt für ihre Staus – und nicht mit einer HOV Lane ausgestattet.
Auch in Düsseldorf handelt es sich bislang nur um einen Feldversuch auf sehr kurzer Strecke: Die Umweltspuren über Merowingerstraße und Prinz-Georg-Straße sind nur wenige hundert Meter lang. Zudem muss noch ermittelt werden, wie gut sich Radfahrer und Autopendler arrangieren – diese Kombination gilt als mögliches Problem. Deutschland folgt mit dem Versuch auch einer Vielzahl anderer Länder. In Kanada und Südamerika sind Fahrgemeinschafts-Sonderspuren verbreitet, in Europa haben unter anderem die Niederlande, Norwegen, Großbritannien und Spanien ein solches Privileg ausprobiert.
ADAC-Mobilitätsexperte Roman Suthold bewertet den Düsseldorfer Ansatz kritisch. Zwar lobt er, dass die Auslastung der Umweltspuren steigen könnte, wenn auch Fahrgemeinschaften sie nutzen dürfen. Allerdings sei die Ausgangslage völlig anders als in den USA. „Dort gibt es viel mehr Fahrstreifen.“In Großstädten wie Düsseldorf fehle der Platz, um dem Autoverkehr eine Fahrspur wegzunehmen. Wenn sich am Ende der Autoverkehr auf der anderen Spur mehr staut, sei für die Luftqualität nichts gewonnen.„Wo der Autoverkehr steht, sind die Stickoxid-Werte hoch.“
Die Vor- und Nachteile sollen in dem Pilotprojekt in Düsseldorf erforscht werden. Ab Ende des Jahres soll die neue Sonderfreigabe dann in der Straßenverkehrsordnung verankert sein, sodass auch andere Kommunen sie nutzen könnten – falls sich die Idee auch in Düsseldorf in der Praxis bewährt.