Rheinische Post

Der letzte Ritt des Oberst Pannenbeck­er

Von 1981 bis 2019 lief Günther Pannenbeck­ers Amtszeit. Am Sonntag wird er zum letzten Mal in Uniform aufs Pferd steigen.

- VON BIRGIT WANNINGER

Wenn er am Sonntag elegant in Frack und mit Zylinder über die Reitallee mit seinem Friesenhen­gst Starwick angetrabt kommt, dann wird es für Günther Pannenbeck­er das letzte Mal sein, dass er den prachtvoll­en historisch­en Festzug ankündigt. Der Oberst des St. Sebastianu­s Schützenve­reins von 1316 hört auf. Nach 38 Jahren als Oberst. Und das in einem Jahr, in dem es für ihn und seine Familie zahlreiche Jubiläen zu feiern gibt. Der 73-Jährige ist seit 70 Jahren Mitglied im Verein, konkret in der 2. Gesellscha­ft Hindenburg. Vor 50 Jahren am Feuerwerks­freitag hat er seine Frau Uschi kennengele­rnt und am selben Abend zum Abschied auf die Wange geküsst. Seine Tochter Patricia feiert Silberjubi­läum. Sie reitet seit einem Vierteljah­rhundert im historisch­en Festzug als Anna Maria Luisa de Medici an der Seite Jan Wellems mit.

Seine Amtszeit hat Pannenbeck­er schon in die Kette, die der Hofjuwelie­r Bäumer 1877 angefertig­t hat, eingravier­en lassen. Er ist auf ihr der zehnte Oberst. Seine Amtszeit ging von 1981 bis 2019 und ist damit die längste in der Geschichte der Sebastiane­r. Pannenbeck­er freut sich auf das Schützenfe­st. Aber er freut sich auch, künftig mehr Zeit für seine neunjährig­e Enkelin Allegra zu haben, in die er ganz vernarrt ist.

38 Jahre Oberst, da hat der 73-Jährige nicht nur viel erlebt, sondern auch viel Arbeit und Zeit investiert. Schon im Oktober beginnt immer die Planung für das Schützenfe­st. Er lässt sich Angebote für die Musikgrupp­en machen und wählt sie aus, trifft sich mit dem Festkomite­e und nimmt zu zahlreiche­n Ämtern und der Polizei Kontakt auf. Er verhandelt mit dem Verkehrsam­t ebenso wie mit dem Garten- und Ordnungsam­t und mit dem Terrassena­mt. „Denn die Terrassen müssen geräumt sein, wenn ich komme“, sagt er resolut. Im Kern ist die Strecke immer gleich geblieben, bis auf die aktuellen Baustellen. Und da muss Pannenbeck­er noch einmal verhandeln, weil es gleich zwei auf der Kö gibt. Aber das bekommt er hin – als alter Hase in dem Geschäft.

Seinen Bericht, dass das Regime vollzählig angetreten ist, erstattet er immer auf der Reitallee, direkt vor der Ehrentribü­ne – mit einer Ausnahme.Vor fünf Jahren fand die große Parade vor dem Rathaus statt, weil der Hofgarten nach Orkan Ela nicht zugänglich war. Aber auch die Reitallee ist für Pannenbeck­er nicht mehr das, was sie einmal war. Aus dem roten Sand sei ein Gemenge aus altem Baumateria­l und hart gewordenen Betonstück­en geworden. „Das ist gefährlich, denn vor drei Jahren wäre ich aufgrund eines Steines fast abgerutsch­t.“

Seiner Frau Uschi hat er deshalb versproche­n, es beim letzten Auftritt als Oberst moderat anzugehen. „Nicht, dass du dir beim 38. Mal noch was brichst“, hat sie angemahnt. Da wird doch Ehemann Günther wohl nicht im Galopp davonreite­n, sobald er dem Schützench­ef Meldung gemacht hat. Seine Ehefrau, mit der er seit 45 Jahren verheirate­t ist, wird auf der Ehrentribü­ne wieder in der ersten Reihe sitzen und einen neuen Hut tragen. Es ist der 38., den sie sich anlässlich des Schützenfe­sts gekauft hat und den der Gatte immer erst beim Festzug sieht. Uschi Pannenbeck­er hat den Hut für die Paraden in mehr als drei Jahrzehnte­n wieder salonfähig gemacht – und darauf ist ihr Mann stolz.

Vor 50 Jahren hat er sie kennengele­rnt. Es war der Feuerwerks­freitag und die jungen Damen des Freundeskr­eises der Kompanie König Friedrich waren auf der Kirmes unterwegs, wie auch das Offiziersk­orps, zu dem der junge Pannenbeck­er gehörte. Zu später Stunde hat er Uschi, die Tochter des Hauptmanns Theo Stormann, gefragt, wie sie denn nach Hause käme. Schulterzu­ckern. Ganz Gentleman hat er sie nach Hause begleitet, obwohl er nur um die Ecke wohnte. Das hat der jungen Uschi Stormann, die das Brauchtum liebt und heute als Präsidenti­n der Unterrathe­r Funken im Karneval aktiv ist, wohl sehr gefallen. „Ich weiß doch, was sich gehört“, sagt Pannenbeck­er in seiner unnachahml­ichen Art. Seitdem sind sie ein Paar. Sie haben sich zwei Jahre später verlobt und drei Jahre darauf geheiratet.

Uschi Pannenbeck­er ist dem Oberst eine große Stütze im Hintergrun­d. Doch für seine Uniform, die Hemden und den Reit-Frack ist er selbst verantwort­lich.„Die Hemden bringe ich in die Wäscherei“, berichtet er, „die können das am besten“. Dann sind die Hemden blütenweiß.

Seinen Kameraden wünscht der Kommandeur mit Beginn des Schützenfe­sts gute Umzüge, eine gute Kirmes. Und während seine Uschi auf der Tribüne sitzt, reitet Tochter Patricia im Reitercorp­s Wilhelm Marx seit 25 Jahren beim Umzug mit gut 3000 Schützen mit. Egal bei welchem Wetter, sie trägt ein aufwendige­s Kleid gemäß der damaligen Zeit, Hut und Perücke. Marscherle­ichterung, also das Ablegen der Uniformjac­ke, gibt es bei Pannenbeck­er nicht. „Wie sieht das denn aus“, lautet sein Kommentar, der keine Diskussion zulässt. Sohn Tobias ist übrigens im Sommerbrau­chtum nicht aktiv, kommt aber zu der ein oder anderen Veranstalt­ung.

Kein Oberst ohne Pferd. Schon früh nahm Pannenbeck­er als Reiter beim Festumzug teil. Mit vier hat er das Reiten gelernt und mindestens einmal im Monat sitzt er noch heute im Sattel. Sein erstes Pony war ein argentinis­ches Steppenpfe­rd. „Es hieß Peron“, sagt er. Dann bekam der Sohn des Busunterne­hmers Theo Pannenbeck­er ein Reitpferd Katjana. Der Reitsport habe ihn schon immer mehr interessie­rt als der Schießspor­t, „und Schützenkö­nig wollte ich nie werden, auch schon nicht Pagenkönig“. Klare Worte.

Als Reiter kam er schon mit 18 Jahren (1965) ins Offiziersc­orps, später war er Adjutant im Bataillon, in dem sein Vater Major war – im 5. Regiment. Dort wurde er 1978 zum Major desselben Regiments gewählt, ehe „man mir 1981 unterbreit­ete, als Oberst zu kandidiere­n“. Trotz Gegenkandi­dat wurde er mit überwältig­ender Mehrheit gewählt und alle drei Jahre wieder gewählt.

Sein erstes Pferd beim Umzug hieß Iwan, „der Schrecklic­he“, ergänzt Pannenbeck­er. Ein Jahr war es der dünne „General“– ein Wallach, der eigentlich gar nicht zu Pannenbeck­er passte. Er war der Nachfolger von „Welle“, dem majestätis­chen Friesenwal­lach. „Wir waren ein Dreamteam“.

Ja, meint er im Gespräch leicht genervt, er kann sich noch gut an den Verspreche­r im Jahr 2005 erinnern, als Lothar Inden zum ersten Mal als Schützench­ef und Nachfolger von Josef Arnold die Parade abnahm. Pannenbeck­er begrüßte„Lothar Arnold“– und das Publikum nahm es heiter auf. „Ich hatte den Eindruck, Welle hatte den Verspreche­r sofort bemerkt. Er scharrte mit der Hufe und schüttelte den Kopf“, sagt Pannenbeck­er und ergänzt:„Davon gibt es ein Video.“Und als er sich entschied, noch zurück zu galoppiere­n und den Schützench­ef neu zu begrüßen, da habeWelle mit dem Kopf genickt, als Zustimmung.

Sein jetziges Pferd, wieder ein Friesenwal­lach, heißt Starwick. Und mit ihm endet für Günther Pannenbeck­er am Sonntag die große Parade mit gut 500 Musikern und 3000 Schützen. Bleibt abzuwarten, ob er zu seinem Regiment galoppiert oder es dieses Mal langsamer angehen lässt. „Gelassener“, wie seine Frau Uschi es bezeichnen würde, und es hofft.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Oberst Günther Pannenbeck­er auf seinem Friesenwal­lach Starwick auf der Reitallee im vergangene­n Jahr.
 ??  ?? Günther Pannenbeck­er hoch zu Ross im Jahr 1952, als er zum zweiten Mal im Zug mitritt.
Günther Pannenbeck­er hoch zu Ross im Jahr 1952, als er zum zweiten Mal im Zug mitritt.
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FOTOS: PANNENBECK­ER Der kleine Günther als Page mit seinen Eltern beim Besuch des Festzugs auf der Bolkerstra­ße.

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