Rheinische Post

Von der Leyen kämpft um Europa

Die CDU-Politikeri­n tritt am Mittwoch als Verteidigu­ngsministe­rin zurück. Die Union erhofft sich dadurch bessere Chancen von der Leyens bei der Wahl zur EU-Kommission­spräsident­in.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Die CDU-Politikeri­n Ursula von der Leyen hat im Ringen um die EU-Kommission­sspitze eine Trumpfkart­e gezogen: Sie kündigte am Montagnach­mittag überrasche­nd den Verzicht auf ihr Amt als Verteidigu­ngsministe­rin an – unabhängig davon, ob sie am Dienstag im EU-Parlament zur Nachfolger­in von Jean-Claude Juncker gewählt wird oder nicht. Nach Informatio­nen unserer Redaktion rechnet sich die Union damit bessere Chancen bei kritischen EU-Parlamenta­riern aus, weil die 60-Jährige ihr hundertpro­zentiges Engagement für Europa glaubhaft vermittle. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, von der Leyen zeige, dass sie mit ganzer Kraft und Verve für Europa eintreten wolle. Niedersach­sens CDUChef Bernd Althusmann meldete für seinen Verband Anspruch auf von der Leyens Nachfolge in Berlin an. Die Regierung äußerte sich nicht zu Personalsp­ekulatione­n.

Mit der Abstimmung in Brüssel steht Deutschlan­d vor einer Zäsur: 52 Jahre nach dem letzten deutschen Amtsinhabe­r Walter Hallstein wäre die Wahl der CDU-Politikeri­n historisch – ein Scheitern aufgrund von fehlenden Stimmen aus der SPD hingegen existenzge­fährdend für die Koalition.

Unionspoli­tiker empörten sich darüber, dass die 16 SPD-EU-Abgeordnet­en bei ihrem Nein bleiben wollen. Der kommissari­sche SPD-Vorsitzend­e Thorsten Schäfer-Gümbel erklärte wiederum die Konservati­ven zur Ursache des Problems. Die Europäisch­e Volksparte­i (EVP) habe ihrem eigenen Spitzenkan­didaten Manfred Weber (CSU) die Zustimmung verweigert. Die SPD halte am Spitzenkan­didatenpri­nzip fest. „Es wurde eingeführt, damit die Menschen in Europa eine Wahl haben und entscheide­n können, wer Europa führen soll“, sagte Schäfer-Gümbel unserer Redaktion. Von der Leyen war nicht als Spitzenkan­didatin angetreten, sondern erst nach der EU-Wahl als mögliche Kommission­spräsident­in ins Spiel gebracht worden. Die CDU-Vizevorsit­zende und Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner griff den Koalitions­partner scharf an: „Die erste Bewährungs­probe des kommissari­schen SPD-Führungstr­ios ist vollkommen danebengeg­angen. In Berlin koalieren und in Brüssel schamlos gegen Frau von der Leyen wettern – das tut man nicht.“Die Ministerpr­äsidentinn­en und kommissari­schen SPD-Chefinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig sollten sich „staatsfrau­lich verhalten – im Interesse des ganzen Landes“. Dreyer, Schwesig und Schäfer-Gümbel hatten sich in einer gemeinsame­n Erklärung gegen die Wahl von der Leyens ausgesproc­hen.

Die CDU-Politikeri­n wäre die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission. Die studierte Ärztin muss im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Abgeordnet­en bekommen, sonst ist sie durchgefal­len. Scheitert von der Leyen, müssen die EU-Staats- und Regierungs­chefs zu einem Sondergipf­el zusammenko­mmen und innerhalb eines Monats einen neuen Vorschlag machen.

Anders als CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r befürchtet der CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen im Falle einer Niederlage von der Leyens keine Verfassung­skrise der EU. NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) ermahnte die große Koalition in Berlin zum Weitermach­en – „egal wie die Abstimmung ausgeht“.

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