Im Zickzackkurs ans Schauspielhaus
Er schwänzte die Schule, galt als schwer erziehbar und gelangte schließlich ans Theater. Nun spielt Ron Iyamu in Düsseldorf.
Man wisse ja nie, wohin der Weg führe, wenn das Schauspielstudium abgeschlossen ist, sagt Ron Iyamu. Noch lange nicht alle haben das Glück, an ein festes Ensemble zu kommen. Er schon. „Und dann gleich an ein so schönes Haus wie Düsseldorf“, freut er sich. Doppeltes Glück, dass er am Mozarteum in Salzburg ausgebildet wurde. Im vergangenen Jahr wechselte er mit seiner Klasse ans hiesige Schauspielhaus, eine bereits bewährte Kooperation. Die Studenten waren in mehrere Inszenierungen eingebunden und konnten sich vor Publikum auf einer Theaterbühne erproben.
Ron Iyamu wirkte bei „Abiball“mit. Das Stück spielte sich hinter
den Kulissen des Großen Hauses am Gustaf-Gründgens-Platz ab. Dabei hat er lustvoll gerappt. Eine Passion, die in seinem Leben viel Raum einnimmt: „Im Herzen bin ich ein Rapper“, sagt er und berichtet freudig, dass er ab Herbst einen neu installierten Rap-Jugendclub an der Bürgerbühne leiten wird. Gerade veröffentlichte der gebürtige Hannoveraner unter seinem Künstlernamen Ron Nox ein Album. Der Titel „Loa“verweist auf eine Geste aus dem Voodoo. „Die Heimat meines Vaters ist Nigeria“, erklärt Ron Iyamu. „Ich hatte das Bedürfnis, mich mit meinen Wurzeln auseinanderzusetzen. Mein Großvater war Voodoo-Priester. Die Geister sind eine Art Mittler zwischen den Menschen und den Göttern.“Bei einem eigenen Programm in der Nachtzentrale am Schauspielhaus hat er dazu viel von sich preisgegeben. „Auch das könnte ein Grund gewesen sein, mich ins Ensemble zu holen“, vermutet er.
Ganz bestimmt aber habe Robert Wilson seinen Anteil daran. Nach Vorsprechen und Vorsingen verpflichtete ihn der Regisseur für seine Inszenierung von „Das Dschungelbuch“. Bei ersten Proben vor der Sommerpause skizzierte Wilson sein Konzept. „Er hat ja eine ganz spezielle Ästhetik, die ich nicht sofort begriffen habe. So allmählich weiß ich aber, in welche Richtung es geht“, sagt Iyamu. Auch „Der Sandmann“sei ein erhellendes Erlebnis gewesen. „Nach wenigen Minuten verstand ich, warum diese Aufführung so beliebt ist. So etwas hatte ich noch nie gesehen, ich war fasziniert von Wilsons Stil mit all den Überzeichnungen.“
Ron Iyamu spielt Akela, den Anführer derWölfe und Zieh-Papa von Mogli. Natürlich kannte er diverse „Dschungelbuch“-Adaptionen, „ich bin mit dem Disney-Film aufgewachsen“. Vergleichbares sei bei Robert Wilson jedoch nicht zu erwarten, deutet er an, schon gar nicht der berühmte Ohrwurm „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“. Als Vorbereitung las das Ensemble auch die Buchvorlage von Rudyard Kipling.
Die Premiere dieser Koproduktion mit dem Pariser Theatre de la Ville am 13. Oktober ist nicht die erste der Spielzeit für Ron Iyamu. Wenn die Saison mit „Dantons Tod“am 20. September im Großen Haus beginnt, ist er ebenfalls dabei. In welcher Rolle genau, weiß er bislang nicht. Regisseur Achim Petras hatte bei Probenbeginn noch keine definierten Strukturen im Sinn. „Wir sollten uns erst kennenlernen“, berichtet Ron Iyamu. „Es war nicht von Anfang an klar, ob es überhaupt Hauptrollen geben wird. Oder ob es mehr darum geht, das Volk auf der Bühne darzustellen. Das alles entscheidet sich nach den Ferien.“
Eine Biografie wie seine findet man selten am Theater. Freimütig offenbart er den Zickzackkurs seines Lebens. Die Eltern waren aus Nigeria geflüchtet. Der Vater baute sich mit Import-Export-Geschäften eine neue Existenz auf, die Mutter fand als Strickerin kaum Arbeit. Zu Ron Iyamus Familie gehören noch eine Schwester, ein Halbbruder und ein Stiefbruder, alle jünger als er. „Bei mir lief es sehr chaotisch ab“, sagt er. In der Grundschule weigerte er sich, weiter zur Schule zu gehen.„Das zog ich zum Kummer meiner Eltern über Monate durch und landete in der Jugendhilfe. Vier Jahre war ich im Heim und auf einer Sonderschule für schwer Erziehbare.“Doch dann kriegte er die Kurve. Nach dem Abschluss an der Realschule klammerte er das Abitur für sich aus. „Lieber bin ich Schauspiel studieren gegangen“, erzählt er.
Über seine Musik kam er früh mit dem Theater in Berührung, als an der Oper in Hannover Jugendliche für ein Rap-Projekt gesucht wurden. Damit öffnete sich für Ron Iyamu eine neue Welt. Eine mit neuen Chancen:„Zum ersten Mal hatte ich eine wirkliche Perspektive.“Seine Herkunft unterscheidet sich von der vieler Kollegen, die aus Akademikerfamilien stammen.„Ich merke, dass ich einen anderen Zugang mitbringe“, sagt er. „Das ist manchmal problematisch, weil man erst eine gemeinsame Sprache finden muss, aber es ist auch sehr bereichernd und total spannend.“
„Im Herzen bin ich ein Rapper“Ron Iyamu Schauspieler