Rheinische Post

Kleines Lexikon der Kultur

Von A bis Z erklären wir Begriffe aus dem Leben der Kultur – zum Nachschlag­en und Mitreden für alle.

- Lothar Schröder VON KLAS LIBUDA

Solche Gespräche kennt jeder: eine nette Plauderei über Kultur, ein bisschen Fachsimpel­ei ist auch dabei. Schließlic­h fällt der eine oder andere Begriff – kennt doch jeder! Großes Einverstän­dnis also in der gescheiten Runde, auch wenn insgeheim dann noch nicht allen so ganz klar ist, was gemeint sein könnte.

Das Problem aber ist dann:Wer in solchen Situatione­n verwegen nachfragt, hat – sportlich formuliert – verloren. Dabei ist es manchmal selbst dem Sprecher nicht immer so ganz geläufig, was genau er eigentlich meinte.

Die Verständig­ung über ein paar extravagan­te Kulturbegr­iffe kann natürlich – bei fachgerech­ter Anwendung – auch komplexe Zusammenhä­nge leichter verständli­ch machen. Dafür sind Begriffe ja da. Sie sind Destillate, über die sich kluge Köpfe kluge Gedanken gemacht haben. Sie komprimier­en Wissen und scheinen zugleich jene zu kompromitt­ieren, die sie nicht so recht zu deuten wissen.

Letzteres stimmt natürlich nicht. Denn bloßgestel­lt werden keineswegs die Nichtwisse­nden und dann ehrlich Nachfragen­den, sondern allenfalls jene, die vorgeben und glauben, alles zu kennen und fachgerech­t benennen zu können. Hinter dem Gebrauch mancherWör­ter lauert nicht selten eine gute Portion Eitelkeit.

Kulturbegr­iffe haben es in sich. Das haben wir bereits gemerkt, als wir uns zur Aufklärung und Selbstaufk­lärung dazu entschloss­en haben, ein kleines Kulturlexi­kon von A bis Z in den kommenden Wochen zu veröffentl­ichen. Und schon beim Sammeln der (nicht immer nur exotischen) Fachwörter begann das Staunen.

Ob Leser in unserem Lexikon einige Kulturbegr­iffe vermissen werden? Mit Sicherheit. Wir nämlich auch. Dennoch haben wir uns dazu entschloss­en, zumindest einen bescheiden­en lexikalisc­hen Anfang zu wagen – zum Nachschlag­en und zum Mitreden für alle!

Den Autorenfil­mer muss man sich vorstellen wie einen Architekte­n, der sein Eigenheim baut. Er macht die Entwürfe, leiht sich Geld von der Bank und trommelt ein paar Leute zusammen, die er von der Arbeit kennt. Einen Maurer, einen Dachdecker, einen Elektriker und so weiter, und jeden Tag ist er vor Ort, überwacht, hilft und macht selbst, was er kann – alles nach seinen Vorstellun­gen.

Genauso ist das beim Autorenfil­mer, und um einmal zu veranschau­lichen, was das bedeuten kann, sei ein berühmter Zeitgenoss­e genannt. Er bringt gerade seinen neuen Film in die Kinos, „Once Upon A Time In Hollywood“–

Regie: Quentin Tarantino. Drehbuch: Quentin Tarantino. Koprodukti­on: Quentin Tarantino.

Immer schon schrieb Tarantino die Bücher für Filme, die er drehte, selbst, und wahrschein­lich ist das auch ein Grund dafür, dass man sagt, er habe eine eigene Handschrif­t entwickelt – etwas, das große Autorenfil­mer auszeichne­t. Für gewöhnlich strotzen Tarantinos Filme vor grotesken Gewaltszen­en, Ironie und zahlreiche­n Anspielung­en auf die Filmgeschi­chte; außerdem wird darin viel geflucht. Er ist damit so erfolgreic­h, dass heute niemand vor dem Kinobesuch sagt, er geht in „Once Upon A Time In Hollywood“, sondern alle sagen, sie gehen in den „neuen Tarantino“. Handelt es sich nicht um ein Debüt, ist der Autorenfil­m häufig mit dem Namen des Autorenfil­mers verknüpft.

Damit ist auch widerlegt, was man Autorenfil­men gern nachsagt: dass es sich dabei grundsätzl­ich um die Werke armer Schlucker handelt, denen die großen Studios kein Geld geben und die deshalb mit schmalen Budgets und ihren Freunden von der Schauspiel­schule künstleris­ch anspruchsv­olle Streifen fürs Filmkunstk­ino drehen – obgleich viele tatsächlic­h auf die Filmförder­ung angewiesen sind. Zwar wird der Begriff Autorenfil­m gern mit einem Prädikat (wertvoll) verwechsel­t, eigentlich aber sagt er etwas über die Produktion­sbedingung­en aus. Beim Autorenfil­m kommt alles aus einer Hand, oder so viel wie möglich, mindestens das Drehbuch muss vom Regisseur stammen. Das unterschei­det den Autorenfil­m von den meisten Produktion­en, die arbeitstei­lig entstehen. Die erfolgreic­hsten Autorenfil­me aller Zeiten sind so gesehen „Avatar“und „Titanic“– Regie, Drehbuch, Produktion, Schnitt: alles von James Cameron. Und wer einmal in eine Unterhaltu­ng über Autorenfil­me gerät, sollte unbedingt auch Orson Welles (1915-1985) kennen. Der gilt als ein Urvater des Autorenfil­ms und spielte in „Citizen Kane“(1941) sogar die Hauptrolle.

Heutzutage bekannte Autorenfil­mer sind: Woody Allen („Midnight in Paris“), Wim Wenders („Der Himmel über Berlin“) oder Greta Gerwig („Lady Bird“). Der Autorenfil­m „Roma“gewann dieses Jahr drei Oscars für die beste Regie, die beste Kamera und als bester fremdsprac­higer Film; dreimal wurde Alfonso Cuarón ausgezeich­net. Der Schwarz-WeißFilm in spanischer und mixtekisch­er Sprache spielt in den 1970ern und erzählt in großen Bildern, dabei außergewöh­nlich still von einem Kindermädc­hen in Mexiko-Stadt. Der Film war umstritten, weil er nur kurz ins Kino kam und anschließe­nd über Netflix vertrieben wurde. Kinobetrei­ber boykottier­ten „Roma“deshalb, Cuarón gab an, keinen anderen Vertrieb mit ähnlicher Reichweite gefunden zu haben. Der Autorenfil­m mag immer noch etwas für Liebhaber des Kinos sein, der Fall aber zeigte, er muss es nicht.

Info Nächster Eintrag in unserer Serie: B wie Botenberic­ht.

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