Kleines Lexikon der Kultur
Von A bis Z erklären wir Begriffe aus dem Leben der Kultur – zum Nachschlagen und Mitreden für alle.
Solche Gespräche kennt jeder: eine nette Plauderei über Kultur, ein bisschen Fachsimpelei ist auch dabei. Schließlich fällt der eine oder andere Begriff – kennt doch jeder! Großes Einverständnis also in der gescheiten Runde, auch wenn insgeheim dann noch nicht allen so ganz klar ist, was gemeint sein könnte.
Das Problem aber ist dann:Wer in solchen Situationen verwegen nachfragt, hat – sportlich formuliert – verloren. Dabei ist es manchmal selbst dem Sprecher nicht immer so ganz geläufig, was genau er eigentlich meinte.
Die Verständigung über ein paar extravagante Kulturbegriffe kann natürlich – bei fachgerechter Anwendung – auch komplexe Zusammenhänge leichter verständlich machen. Dafür sind Begriffe ja da. Sie sind Destillate, über die sich kluge Köpfe kluge Gedanken gemacht haben. Sie komprimieren Wissen und scheinen zugleich jene zu kompromittieren, die sie nicht so recht zu deuten wissen.
Letzteres stimmt natürlich nicht. Denn bloßgestellt werden keineswegs die Nichtwissenden und dann ehrlich Nachfragenden, sondern allenfalls jene, die vorgeben und glauben, alles zu kennen und fachgerecht benennen zu können. Hinter dem Gebrauch mancherWörter lauert nicht selten eine gute Portion Eitelkeit.
Kulturbegriffe haben es in sich. Das haben wir bereits gemerkt, als wir uns zur Aufklärung und Selbstaufklärung dazu entschlossen haben, ein kleines Kulturlexikon von A bis Z in den kommenden Wochen zu veröffentlichen. Und schon beim Sammeln der (nicht immer nur exotischen) Fachwörter begann das Staunen.
Ob Leser in unserem Lexikon einige Kulturbegriffe vermissen werden? Mit Sicherheit. Wir nämlich auch. Dennoch haben wir uns dazu entschlossen, zumindest einen bescheidenen lexikalischen Anfang zu wagen – zum Nachschlagen und zum Mitreden für alle!
Den Autorenfilmer muss man sich vorstellen wie einen Architekten, der sein Eigenheim baut. Er macht die Entwürfe, leiht sich Geld von der Bank und trommelt ein paar Leute zusammen, die er von der Arbeit kennt. Einen Maurer, einen Dachdecker, einen Elektriker und so weiter, und jeden Tag ist er vor Ort, überwacht, hilft und macht selbst, was er kann – alles nach seinen Vorstellungen.
Genauso ist das beim Autorenfilmer, und um einmal zu veranschaulichen, was das bedeuten kann, sei ein berühmter Zeitgenosse genannt. Er bringt gerade seinen neuen Film in die Kinos, „Once Upon A Time In Hollywood“–
Regie: Quentin Tarantino. Drehbuch: Quentin Tarantino. Koproduktion: Quentin Tarantino.
Immer schon schrieb Tarantino die Bücher für Filme, die er drehte, selbst, und wahrscheinlich ist das auch ein Grund dafür, dass man sagt, er habe eine eigene Handschrift entwickelt – etwas, das große Autorenfilmer auszeichnet. Für gewöhnlich strotzen Tarantinos Filme vor grotesken Gewaltszenen, Ironie und zahlreichen Anspielungen auf die Filmgeschichte; außerdem wird darin viel geflucht. Er ist damit so erfolgreich, dass heute niemand vor dem Kinobesuch sagt, er geht in „Once Upon A Time In Hollywood“, sondern alle sagen, sie gehen in den „neuen Tarantino“. Handelt es sich nicht um ein Debüt, ist der Autorenfilm häufig mit dem Namen des Autorenfilmers verknüpft.
Damit ist auch widerlegt, was man Autorenfilmen gern nachsagt: dass es sich dabei grundsätzlich um die Werke armer Schlucker handelt, denen die großen Studios kein Geld geben und die deshalb mit schmalen Budgets und ihren Freunden von der Schauspielschule künstlerisch anspruchsvolle Streifen fürs Filmkunstkino drehen – obgleich viele tatsächlich auf die Filmförderung angewiesen sind. Zwar wird der Begriff Autorenfilm gern mit einem Prädikat (wertvoll) verwechselt, eigentlich aber sagt er etwas über die Produktionsbedingungen aus. Beim Autorenfilm kommt alles aus einer Hand, oder so viel wie möglich, mindestens das Drehbuch muss vom Regisseur stammen. Das unterscheidet den Autorenfilm von den meisten Produktionen, die arbeitsteilig entstehen. Die erfolgreichsten Autorenfilme aller Zeiten sind so gesehen „Avatar“und „Titanic“– Regie, Drehbuch, Produktion, Schnitt: alles von James Cameron. Und wer einmal in eine Unterhaltung über Autorenfilme gerät, sollte unbedingt auch Orson Welles (1915-1985) kennen. Der gilt als ein Urvater des Autorenfilms und spielte in „Citizen Kane“(1941) sogar die Hauptrolle.
Heutzutage bekannte Autorenfilmer sind: Woody Allen („Midnight in Paris“), Wim Wenders („Der Himmel über Berlin“) oder Greta Gerwig („Lady Bird“). Der Autorenfilm „Roma“gewann dieses Jahr drei Oscars für die beste Regie, die beste Kamera und als bester fremdsprachiger Film; dreimal wurde Alfonso Cuarón ausgezeichnet. Der Schwarz-WeißFilm in spanischer und mixtekischer Sprache spielt in den 1970ern und erzählt in großen Bildern, dabei außergewöhnlich still von einem Kindermädchen in Mexiko-Stadt. Der Film war umstritten, weil er nur kurz ins Kino kam und anschließend über Netflix vertrieben wurde. Kinobetreiber boykottierten „Roma“deshalb, Cuarón gab an, keinen anderen Vertrieb mit ähnlicher Reichweite gefunden zu haben. Der Autorenfilm mag immer noch etwas für Liebhaber des Kinos sein, der Fall aber zeigte, er muss es nicht.
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