Scholz will Soli-Abbau ohne Schulden
Der Bundesfinanzminister hält an der „schwarzen Null“im Haushalt fest, die Union blockiert Steuererhöhungen. Doch der linke SPD-Flügel drängt wieder auf die Einführung der Vermögensteuer und einen höheren Spitzensteuersatz.
BERLIN Die große Koalition will die für 2021 geplante Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die Mehrheit der Steuerzahler ohne Steuererhöhungen und ohne den Wiedereinstieg in die Neuverschuldung finanzieren – obwohl zugleich mit dem Klimaschutz Mehrausgaben auf den Bund zukommen. Er sehe die „schwarze Null“trotz der zusätzlichen Ausgaben für den Klimaschutz und der Abschaffung des Solidaritätszuschlags nicht in Gefahr, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Montag in Berlin. „Wir
„Wir brauchen einen höheren Spitzensteuersatz von 49 oder sogar 52 Prozent, um all das zu finanzieren“Hilde Mattheis SPD-Politikerin
können die Aufgaben, die wir stemmen, ohne neue Schulden leisten“, sagte Scholz. Führende CDU-Politiker warnten den Koalitionspartner zugleich vor Steuererhöhungen. Rufe nach höheren Belastungen für Besserverdienende und Reiche kamen jedoch vom linken SPD-Flügel.
Scholz hatte am Freitag den Gesetzentwurf zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Steuerzahler auf den Weg gebracht. Er sieht weitere Entlastungen für 6,5 Prozent der Steuerzahler vor, deren Einkommen knapp über der Freigrenze von 73.874 Euro Bruttojahresgehalt liegt. Erst ab einem Einkommen von 109.451 Euro ist für Alleinstehende weiter der volle Soli von 5,5 Prozent der Einkommen- und Körperschaftsteuer fällig.
Union, FDP und Wirtschaftsverbände dringen auf den vollständigen Soli-Abbau auch für die oberen 3,5 Prozent. Die Teil-Abschaffung sei verfassungswidrig, argumentieren sie. Den Soli müssen auch die meisten Unternehmen zahlen. Scholz hält den Gesetzentwurf dagegen für verfassungskonform.
Vertreter des linken SPD-Flügels erneuerten jetzt ihre Forderung nach Steuererhöhungen: „Falls das Verfassungsgericht uns den kompletten Soli-Abbau vorschreibt, wovon ich persönlich ausgehe, wird die Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Besserverdienende und Reiche umso dringlicher werden“, sagte Hilde Mattheis, Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 in der SPD. „Die SPD würde den Soli gern komplett abschaffen. Aber das würden wir nur mitmachen, wenn gleichzeitig die Spitzensteuersätze für die höchsten Einkommen von 42 beziehungsweise 45 auf 49 Prozent steigen“, sagte auch der finanzpolitische Sprecher der SPD und Mitglied der Parlamentarischen Linken, Lothar Binding.
Mattheis ging angesichts der Herausforderungen beim Thema Klimaschutz noch weiter:„Wir müssen den Klimaschutz, den Soli-Abbau und die Notwendigkeit von mehr Investitionen im Gesamtzusammenhang sehen: Diese Herausforderungen der Zukunft werden die Gesellschaft und den Staat deutlich mehr kosten, als wir zur Verfügung haben“, sagte sie.„Wir werden die Vermögensteuer, eine höhere Erbschaftsteuer und einen höheren Spitzensteuersatz von 49 oder sogar 52 Prozent benötigen, um all das zu finanzieren.“Zugleich müsse Menschen mit niedrigen Einkommen ermöglicht werden, vom Auto auf die Bahn umzusteigen, „etwa durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets“.
Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel forderte zur Gegenfinanzierung des Soli-Abbaus Einsparungen an anderer Stelle im Haushalt. „Wir legen Wert darauf, dass die ,schwarze Null’ bleibt, Schulden sogar abgebaut und dementsprechend Prioritäten im Bundeshaushalt erkennbar werden. Parallel dazu müssen Einsparungen, Kürzungen und Streichungen stattfinden“, sagte Holznagel.
Die Grünen kritisierten vor allem die Ablehnung neuer Schulden. „Das Festhalten an der ,schwarzen Null’ ist Voodoo-Haushaltspolitik, was die CDU da macht“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck im Deutschlandfunk.„Wir werden eine massive Investition in Klimaschutz brauchen.“Nötig seien Verzicht bei Aufgaben an anderen Stellen, sagte er mit Blick auf die Unions-Wünsche nach steigenden Verteidigungsausgaben und die volle Entlastung beim Soli. Aus dem Haushalt heraus seien die nötigen Klimaschutzmaßnahmen nicht zu bezahlen. Die Grünen hatten bereits im Juni einen Staatsfonds in dreistelliger Milliardenhöhe als Sondervermögen für den Klimaschutz gefordert.
„Ich hielte es für falsch, wenn wir jetzt sagen, wir legen das gesamte Prinzip der ,schwarzen Null’ zur Seite“, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Ob es innerhalb dieses Prinzips genügend Spielraum gebe, müsse in der Koalition mit Finanzminister Scholz besprochen werden. Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hatte jüngst im Interview mit unserer Redaktion erklärt, für den Klimaschutz würden Ausgaben in den kommenden Jahren in dreistelliger Milliardenhöhe nötig.