„Kein Urteil bringt unseren Sohn zurück“
In Stuttgart rast ein 550-PS-Auto in den Wagen von Riccardo. Der 25-Jährige aus Kaarst und seine Freundin (22) sterben. Einem 20-jährigen Raser wird nun der Prozess gemacht. Riccardos Eltern sprechen über den Schicksalsschlag.
KAARST Sein Zimmer ist noch genau so, wie er es damals verließ. Auch fünf Monate später decken sie für ihn den Esstisch ein, auch wenn sie wissen, dass er nie mehr zurück kommen wird. Noch immer herrscht Fassungslosigkeit bei den Eltern von Riccardo, Verzweiflung, Trauer und Wut. „Die beiden wurden einfach aus dem Leben gerissen“, sagt der Vater.
Es sind die frühen Morgenstunden des 7. März dieses Jahres, als es plötzlich an der Tür klingelt. Die Polizisten haben die schlimmste Nachricht zu überbringen, die Eltern sich vorstellen können: Riccardo (25) und seine Freundin (22) sind bei einem Autounfall in Stuttgart gestorben. Vor der Tiefgarage eines Kinos
„Da reist Riccardo quer durch Südamerika. Ohne, dass etwas passiert. Und Jahre später geschieht dann so etwas“Vater von Riccardo
kam es zu einem tödlichen Zusammenstoß mit einem 550 PS starken Mietwagen. Der 20 Jahre alte Fahrer des Jaguar hatte die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und war ins Schleudern geraten.
Die Aufprallgeschwindigkeit soll laut einem Gutachten zwischen 100 und 110 Kilometer pro Stunde gelegen haben. Zuvor soll der Mann mit bis zu Tempo 165 durch Stuttgart gerast sein. Viel zu schnell – deshalb wertet die Staatsanwaltschaft Stuttgart den Fall als Mord. Der Raser habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass es zu einem tödlichen Unfall kommen könnte. Der Prozess beginnt am 11. September.
Riccardos Eltern, die in Kaarst wohnen, kündigen an, bei jedem Prozesstermin dabei sein zu wollen. Eine „gerechte“Strafe gibt es für sie nicht: „Kein Urteil dieser Welt bringt unseren Sohn zurück“, sagen sie. An die Unfallstelle wollen sie bald ein großes Herz aus Stein legen, um an die beiden zu erinnern.
Doch Riccardos Eltern möchten nicht, dass nur noch von „den Opfern“die Rede ist. Sie wollen ihnen ein Gesicht geben. Deshalb sprachen sie jetzt mit unserer Redaktion. Vor rund vier Jahren lernen Riccardo und seine Freundin sich kennen und lieben. Nicht nur viele gemeinsame Reisen sollten sie im Laufe der Zeit zusammenschweißen.
Als der studierte Tourismus-Manager die Möglichkeit geboten bekommt, in einem bekannten Stuttgarter Kino als Theaterleiter zu arbeiten, ergreift er die Chance. Das Paar zieht gemeinsam in die baden-württembergische Hauptstadt. IhreWohnung war gerade erst fertig eingerichtet, als das Unbegreifliche geschieht.
Riccardo und seine Freundin werden zusammen in Düsseldorf beigesetzt. Denn auch wenn Riccardo in Kaarst lebte, war dort immer sein Lebensmittelpunkt. Der 25-Jährige war bekannt, beliebt, engagiert. Egal ob bei den Pfadfindern, im Fußballverein oder an seinem Arbeitsplatz. Mehr als 500 Menschen kamen zur Beerdigung, um sich von den beiden zu verabschieden, schrieben persönliche Zeilen ins Kondolenzbuch, weinten zu Songs wie „Wish You Were Here“von Pink Floyd, „So wie du warst“von Unheilig oder „Still“von Jupiter Jones.
Auch fünf Monate nach dem tödlichen Zusammenprall vor dem Stuttgarter Kino ist die Anteilnahme noch nicht abgeebbt.„Dafür sind wir sehr dankbar“, sagen die Eltern. Erst vor wenigen Tagen seien 16 Freunde von Riccardo vorbeigekommen. Einfach so. Um für sie da zu sein. Auch sie haben den Tod ihres Freundes noch nicht wirklich realisiert. Im Elternhaus erinnern zahlreiche Fotos an gemeinsame Urlaube und unbeschwerte Stunden.
Riccardos Vater muss plötzlich schmunzeln, als er von einer zum Teil äußerst abenteuerlichen Reise seines Sohnes berichtet. Kurz nach dem Abitur reiste Riccardo quer durch Südamerika. Dabei übernachtete er regelmäßig bei fremden Menschen auf der Couch. Doch auch wegen Riccardos offener Art funktionierte alles bestens. Er schloss Freundschaften, genoss seinen Aufenthalt und kehrte gesund zu seiner Familie zurück.
„Da reist Riccardo quer durch Südamerika. Ohne, dass etwas passiert. Und Jahre später geschieht dann so etwas“, sagt sein Vater. Danach folgt sekundenlanges Schweigen.