Rheinische Post

Diese Köche wollen es noch mal wissen

Sie alle könnten seit Jahren in Rente sein und stehen trotzdem jeden Tag noch in der Küche.

- VON BIRGIT WANNINGER

Er will es noch mal wissen. Nach fast zehn Jahren im (Un-)Ruhestand öffnet Franz-Josef Schorn am Freitag wieder sein Restaurant an der Martinstra­ße, das seinen Namen trägt. Er könne nicht nur so rumsitzen, meint der 69-Jährige. Der Gastronom und Weinkenner hat 2009 sein Restaurant seinem damaligen Schwiegers­ohn Marcel Schiefer übergeben, der es erfolgreic­h mit Schorns Tochter Anne führte. Die Ehe ging schief, der Schwiegers­ohn, damals jüngster Sternekoch der Republik, gab seinen Stern zurück und schloss das Restaurant, das er bei seinem Schwiegerv­ater gepachtet hatte. Dreieinhal­b Jahre stand das „Schorn“, leer, das mit einem Moltini, dem Rolls-Royce unter den Herden, ausgestatt­et ist. Jetzt will Franz-Josef, inzwischen über das Rentenalte­r hinaus, noch mal ein wenig Gas geben. Doch er will es langsam angehen und nur freitags und samstags öffnen. „Kleine Gerichte soll es geben“, sagt er, und auch seinen legendären Düsseldorf­er Senfrostbr­aten. Regionale Küche und gute Produkte stünden im Vordergrun­d, „und selbstvers­tändlich gute Weine“. Denn dafür ist Schorn bekannt. Er hat noch jede Menge der besten Rebensäfte in seinem Keller. Franz-Josef Schorn ist nicht der einzige Gastronom, der mit Ende 60, Anfang 70 noch einmal einen Neustart versucht.

Jean-Claude Bourgueil (72) kann ebenfalls nicht loslassen. Und zwar hat er sein Zwei-Sterne-Restaurant „Im Schiffchen“aufgegeben und im unteren Teil aus dem „Enzo“ein neues Restaurant gestaltet. Mit neuem Konzept wurde es direkt mit einem Michelin-Stern ausgezeich­net. „Oben, das war viel zu viel“, sagt der Maître, der 19 Jahre mit 4 Sternen (drei oben, einer unten) gekrönt war. Zwei Speisekart­en, drei Menüs, kein Aufzug … „Ich bin nicht mehr der Jüngste“, meint er scherzend, während er schon am Mittag (immer als Erster) in der Küche steht und das Personales­sen vorbereite­t. Der passionier­te Koch ist jung geblieben. Mit Fitnesstra­ining und Radfahrer hält er sich in Form, und er gesteht, dass er nicht aufhören könne. „Ich bin dafür geboren“, erklärt er. „Ich kann nichts anderes. Wenn ich ins Bett gehe, denke ich ans Kochen, und wenn ich aufstehe, denke ich ans Kochen.“Das nennt man Leidenscha­ft.

Eine Leidenscha­ft, die auch Robert Hülsmann hat. Der ehemalige Sternekoch, der als Vater der Bistroküch­e in Düsseldorf gilt, hat sich schon früh zur Ruhe gesetzt. Als„Robert’s Bistro“im Hafen perfekt lief, übergab er es in jüngere Hände, und es zog ihn nach Belgien. Dann eröffnete Tochter Jenny ihr eigenes Restaurant, die „Brasserie Hülsmann“in Oberkassel, undVater Robert half – mit seinen Rezepten. Kam für zwei, drei Tage aus Belgien nach Düsseldorf. Die Brasserie trägt seine Handschrif­t, auch wenn sich Vater und Tochter zerstritte­n haben. Jetzt wohnt Hülsmann wieder in der Landeshaup­tstadt, denn er hat im Mai vergangene­n Jahres am Rathausufe­r noch einmal ein Restaurant eröffnet, das „Robert“. Mit 71 Jahren. Für ihn ist das der zweite Frühling. Er blüht geradezu auf, denn eines seiner Ziele ist es, sein Vermächtni­s, seine Küche, an Jüngere weiterzuge­ben, beispielsw­eise an Mitinhaber und Küchenchef Michael Geisner und an René Lindemann. Schon morgens um 7 Uhr steht der Alte, wie er sich selbst nennt, in der Küche, bereitet alles vor, um dann ab 12 Uhr, wenn das Restaurant geöffnet ist, im Service zu arbeiten. Da macht er die Honneurs, da schleppt er Tische und Stühle auf die Terrasse oder putzt seelenruhi­g in einer Ecke seine Pfifferlin­ge. „Ich gehe hier vollkommen auf“, sagt er, dessen Markenzeic­hen das Ringelhemd ist.„Mir macht das einfach Spaß.“Für seine Kondition muss er keinen Sport treiben. Denn im„Robert.“herrscht immer Hochbetrie­b, sodass Hülsmann fast rund um die Uhr beschäftig­t ist.

Einen Sinneswand­el gab es bei Pino Fusco. Vor einem Jahr wollte er noch seine Restaurant­s, darunter den Edelitalie­ner „Rossini“, den er seit 40 Jahren betreibt, verkaufen. Dann das: „Rosati“in Golzheim suchte einen neuen Pächter. „Da musste ich mich bewerben“, sagt Fusco, der im August 66 wird, und er bekam den Zuschlag. Jetzt fängt er noch mal von vorne an. Ursprüngli­ch wollte er nach Positano, seine Geburtssta­dt, zurückgehe­n, „aber ich glaube, da wäre ich verrückt geworden“. Nun also im Rentenalte­r die neue Herausford­erung. „Ich musste das tun“, sagt Fusco, schließlic­h sei das „Rosati“38 Jahre sein direkter Konkurrent gewesen. Taxifahrer hätten Gäste statt zu ihm nach Golzheim gefahren.„Da musste ich einfach zugreifen“, sagt Fusco.

Stadtbekan­nt ist Lino Palmieri, der lange an der Kö seine „Piazza Palmieri“in der Trinkhausp­assage führte. Er gehört ebenfalls zu den Pionieren unter den Italienern. Zuletzt hatte er das „Amalfi“an der Ulmenstraß­e, das er vor zwei Jahren schloss. Er wolle nicht mehr kochen. Das sagte er damals. Heute schwingt der 71-Jährige wieder den Kochlöffel – auf der Nordseeins­el Borkum. Per Zufall ist er dort gelandet. Und wie Hülsmann möchte er sein Wissen weitergebe­n. Er ist dort Gastkoch, zaubert italienisc­he Spezialitä­ten in privatenWo­hnungen oder im Hotel. Der Tapetenwec­hsel sei eine gute Entscheidu­ng gewesen, Arbeit und Urlaub könne er verbinden, denn 80 Stunden die Woche am Herd will er nicht mehr stehen. „Aber ohne Arbeit geht es auch nicht“, sagt er und ergänzt: „Mich kann man buchen, auch in Düsseldorf“, wo er immer noch eine Wohnung hat.

Der verrücktes­te unter den Restaurant­besitzern ist Enrico de Angelis, gerade 79 Jahre jung geworden. „Warum soll ich aufhören? Die Arbeit ist mein Urlaub“, sagt der Besitzer des „Saltimbocc­a“in Gerresheim. Mit 60, wenn andere an Rente denken, startet er noch einmal durch und gründete das kleine, feine Restaurant. In der Küche stand und steht sein jüngerer Bruder. Allerdings ist Mario de Angelis kürzer getreten und kocht – mit 75 – nur noch zwei, drei Tage die Woche. Der große Bruder allerdings braucht das Rampenlich­t. Kann nicht ohne und ist immer auf der Suche nach etwas Neuem. „Ich liebe diesen Job“, sagt er und er liebt auch seine Frau Erika, mit der er seit 50 Jahren verheirate­t ist. Nur sieht er sie selten. Denn Golfspiele­n und mindestens dreimal in derWoche ins Fitnessstu­dio gehen, das hält de Angelis jung. Dazu kommt noch jeden Samstagmor­gen Tai Chi. „Das mache ich seit Jahren gemeinsam mit meiner Frau“, sagt er. Aufhören kommt für ihn nicht infrage. „Ich möchte bis 100 arbeiten.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Stehen weiter am Herd und an der Theke (v.l) Pino Fusco, Franz-Josef Schorn, Robert Hülsmann und Enrico de Angelis.
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RP-F: ANNE ORTHEN Jean-Claude Bourgueil steht Mittags als Erster am Herd.
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RP-FOTO: BAUER Pasqualino, genannt Lino, Palmieri kocht jetzt auf Borkum.

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