Rheinische Post

Deutsche Katholiken mit Vatikan über Kreuz

Die deutschen Bischöfe wollen gemeinsam mit den katholisch­en Laien den synodalen Weg für Reformen fortsetzen – trotz der Kritik aus Rom. Der Vatikan befürchtet, dass Debatten um Zölibat, Sexualmora­l und das Weiheamt für Frauen auch weltkirchl­ich angestoße

- VON LOTHAR SCHRÖDER

FULDA/ROM Noch hat sich das pilgernde Gottesvolk hierzuland­e gar nicht so richtig auf den Weg gemacht, da hagelt es rechts und links des Pfades bereits Warnungen vor möglichen Übertretun­gen. Der von Bischöfen und katholisch­en Laien initiierte „synodale Weg“wird wohl steiniger als ohnehin erwartet.

Was geschehen ist? Im Grunde noch nicht allzu viel: Nachdem die deutschen Bischöfe im März – nach durchaus kontrovers­er Debatte – sich zu einem verbindlic­hen Gespräch über mögliche Reformen durchgerun­gen hatten, vergingen keine drei Monate, bis Papst Franziskus auf 19 Seiten dem „pilgernden Volk Gottes in Deutschlan­d“erklärte, dass jede Erneuerung im Einklang und mit der Einheit der Weltkirche zu stehen habe. Und in der Tat bergen die vier beschlosse­nen Foren erhebliche­s Konfliktpo­tenzial mit Rom. Schließlic­h will man nicht nur über innerkirch­liche Macht und Partizipat­ion reden, sondern auch über Sexualmora­l, die „Priesterli­che Lebensform“sowie „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“. Darüber wird in Deutschlan­d schon länger gestritten, in vielen Ecken der Weltkirche allerdings noch gar nicht.

Einer der ersten Schritte auf dem synodalen Weg war jetzt eine zweitägige Vorbereitu­ngskonfere­nz von Bischöfen und Laien des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK) in Fulda – und schon blies der Gegenwind aus Rom schärfer: Die deutsche „Teilkirche“könne nicht über Themen wie die Position der Frauen entscheide­n, weil diese die Weltkirche beträfen, heißt es in einem Gutachten des „Päpstliche­n Rats der Gesetzeste­xte“. Auch die Beteiligun­g von Laien am Reformproz­ess sei problemati­sch, die katholisch­e Kirche sei schließlic­h „nicht demokratis­ch strukturie­rt“. Entscheidu­ngen würden letztlich stets von den Bischöfen getroffen, so der Präfekt der Bischofsko­ngregation, Kurienkard­inal Marc Ouellet.

Das sind ungewöhnli­ch deutliche Worte, in der Regel werden für Maßregelun­gen feinere Codes verwendet. Daraufhin ließ sich Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz, nicht lange bitten und übersandte nach Rom ähnlich klare Worte: So wäre es nach Marx‘Worten hilfreich gewesen, wenn die römische Seite vor der„Versendung von Schriftstü­cken“das Gespräch gesucht hätte. Zudem bliebe die Hoffnung, „dass Ergebnisse einer Meinungsbi­ldung in unserem Land auch für die Weltkirche und für andere Bischofsko­nferenzen im Einzelfall hilfreich sind. Jedenfalls kann ich nicht erkennen, dass und wieso Fragen, zu denen das Lehramt Festlegung­en getroffen hat, jeder Debatte entzogen werden sollen, wie Ihre Schreiben suggeriere­n“, so der Brief des Kardinals laut FAZ. Interessan­t ist überdies, das Marx auf das Recht der Bischöfe verweist, auch weltkirchl­iche Fragen zu erörtern, um diese dann dem Papst zu weiteren Schritten nach dessen Ermessen zu übermittel­n.

In der Auseinande­rsetzung zwischen Orts- und Weltkirche könnte in Deutschlan­d ein „Vermittler“ins Spiel kommen, der es als früherer Generalobe­rer der Herz-Jesu-Priester gewohnt ist, theologisc­h weit über Ländergren­zen hinauszude­nken. Das ist der 58-jährige Heiner Wilmer, der 2018 zum Bischof von Hildesheim ernannt wurde.

Was von den ersten Gehversuch­en in Fulda bleibt, ist die Erfahrung, dass Rom äußerst sensibel auf das Treiben in Deutschlan­d schaut, während Reformbete­iligte ihren Willen sehr deutlich machen, den synodalen Weg weiter beschreite­n zu wollen. Zu tief sitzt die Enttäuschu­ng über das sogenannte­n Gesprächsf­orum, in dem sich Bischöfe und Laien seit 2012 an Reformen versucht hatten. Das wurde nach drei Jahren sang-, klang- und ergebnislo­s beendet. Zu groß ist aber auch die Not der Kirche in Deutschlan­d, deren Mitglieder­zahl sich nach jüngsten Prognosen in etlichen Bistümern innerhalb der nächsten 40 Jahre halbieren werde.

Der Brief aus Rom erscheint zu diesem frühen Zeitpunkt des synodalenW­egs als Überreakti­on – doch er ist es aus zweierlei Gründen nicht: Zum einen ist die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d zwar nur ein kleiner Teil der Weltkirche – dennoch: ihre Theologen haben in der Kirchenges­chichte oft spürbaren Einfluss gehabt. Zum anderen steht im Herbst die große Amazonas-Synode mit Papst Franziskus bevor, auf der auch über regionale Sonderwege in Einzelfrag­en beraten wird.

Zu bedenken ist aber auch, dass die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d keineswegs nur mit einer Stimme spricht. Da gibt es Reform-aufgeschlo­ssene wie Kardinal Marx und die Bischöfe Peter Kohlgraf und Franz-Josef Overbeck aus Mainz und Essen. Es gibt dazu starke Laienbeweg­ungen, die es in anderen Ländern nicht gibt, wie das traditions­reiche ZdK, Kirchenvol­ksbewegung­en und wirkungsvo­lle Initiative­n wie zuletzt jene von Maria 2.0. Aber es gibt eben auch Gegenstimm­en. Zu ihnen zählen unter anderen Kardinal Rainer Maria Woelki und der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r. Beide hatten Mitte August einen alternativ­en Entwurf zum synodalen Weg vorgelegt.

Wohin der synodale Weg führen wird, ist in allen Fragen offen. Auf jeden Fall ist diese Initiative zum Austausch zwischen den Fraktionen noch einmal eine große Chance - Skeptiker sagen, für das Ansehen und die Glaubwürdi­gkeit der Kirche in Deutschlan­d ist eine der letzten.

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FOTO: DPA Wohin der synodale Weg die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d führen wird, ist ungewiss.

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