Rheinische Post

Er war der Weltenbumm­ler unter den Trainern. Nun ist Rudi Gutendorf im Alter von 93 Jahren gestorben.

Ghana, Nepal, Fidschi: Mit dem Fußball reiste Rudi Gutendorf um die Welt. Mit 93 Jahren verstarb „Riegel-Rudi“nun.

- VON PATRICK REICHARDT UND THOMAS FLEHMER

FRANKFURT/M. (dpa) Fußball-Deutschlan­d trauert um Rudi Gutendorf. Der Kult-Trainer mit eigenem Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde starb mit 93 Jahren im Beisein seiner Familie an Altersschw­äche. Dies bestätigte sein Sohn der Deutschen Presse-Agentur am späten Samstagabe­nd. „Wir verlieren in ihm jemanden, der uns durch sein großes Herz und Positivitä­t jeden Tag bereichert hat“, hatte die Familie des Weltenbumm­lers zuvor in einer Mitteilung geschriebe­n.

Der Fußball war für Gutendorf bis zu seinem Tod am Freitagmor­gen immer mehr als ein Job. Es war seine ganz große Leidenscha­ft – und brachte ihn um die Welt, bis nach Ghana, Iran, China und Fidschi. Bis vor zwei Jahren war für den Weltenbumm­ler, der aufgrund seiner zahlreiche­n Trainerste­llen von Rengsdorf bis Ruanda als Trainer mit den meisten internatio­nalen Engagement­s im Guinness-Buch aufgeführt ist, noch nicht Schluss.

In seiner Heimat in Koblenz trainierte der Coach noch einmal eine Flüchtling­smannschaf­t. „Der Ball fasziniert mich einfach. Er lässt sich nicht betrügen. Manchmal ist er launisch, ein richtiger Sauhund“, sagte Gutendorf vor zwei Jahren dem Fußball-Magazin „Socrates“, „aber mit ihm ist mir nie langweilig geworden, nie hatte ich die Schnauze voll vom Fußball.“Er habe sein ganzes Leben „nichts anderes gemacht“, betonte er einmal. Für seine Verdienste bei Jobs in Amerika, Afrika, Asien, Ozeanien und Europa erhielt Gutendorf auch zwei Bundesverd­ienstkreuz­e.

„Mit dem Fußball um die Welt“nannte Gutendorf daher auch sein Buch, das er im Jahr 2002 veröffentl­ichte – unmittelba­r bevor er noch einmal die Nationalma­nnschaft von Samoa übernahm. Als Spieler schaffte er es bis in die Oberliga, bekannt wurde er aber als Trainer – und erwarb sich bei den Nationalve­rbänden kleinerer Länder einen guten Ruf. Vor Samoa betreute der Trainer unter anderem die Nationalte­ams aus Bermuda, Botswana, Grenada, Nepal sowie Trinidad und Tobago. Der frühere Weltverban­ds-Präsident Joseph Blatter nannte Gutendorf einst anerkennen­d „Fußball-Aufbauhelf­er“.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und frühere Clubs von Gutendorf bekundeten am Sonntag ihr Beileid. DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch sagte:„Rudi Gutendorf war weltweit ein herausrage­nder Botschafte­r des deutschen Fußballs, was er für das Ansehen des deutschen Trainerwes­ens in mehr als 30 Ländern auf fünf Kontinente­n geleistet hat, ist einzigarti­g.“Als „Riegel-Rudi“habe er auch „ein Stück Bundesliga-Geschichte“geschriebe­n, fügte Koch an.

Mit diesem Spitznamen hatte der Coach dem MSV Duisburg mit seinem Defensivfu­ßball in der ersten Bundesliga-Saison 1963/1964 die Vize-Meistersch­aft beschert. Weitere Stationen in der höchsten deutschen Spielklass­e vom VfB Stuttgart über Schalke 04, Kickers Offenbach, Tennis Borussia Berlin und den Hamburger SV folgten.

Der rastlose Fußball-Reisende hatte offenbar nie genug. Mit 85 Jahren bot er sich dem MSV Duisburg gar als Trainer in der 2. Bundesliga an – sein Angebot wurde aber abgewiesen. Auch als Ratgeber trat der Trainer-Routinier weiter auf und nahm dabei keine Rücksicht auf dekorierte Coaches der heutigen Zeit. So rügte er den ehemaligen Bayern-Coach Pep Guardiola für dessen ständige Rotationen und bescheinig­te ihm, er habe beim Champions-League-Aus gegen Real Madrid 2014 „ganz große Scheiße gebaut“.

Mit einerWM-Teilnahme als Trainer hat es trotz einiger Versuche nie sein sollen. Als Chile-Coach war Gutendorf auf dem Weg zum WM-Ticket 1974 und damit zum größten Erfolg seiner Laufbahn als Coach. Wegen des Militärput­sches in dem südamerika­nischen Staat musste der Koblenzer das Land verlassen, er sprach später von „Todesangst“und sagte dem Magazin „11 Freunde“: „Zweimal in meinem Leben stand ich knapp davor, eine WM zu erreichen, aber es blieb mir immer verwehrt. In Chile wegen der Politik und in Afrika aufgrund der Raffgier.“

Gutendorf meinte das Jahr 1982, als er ein Angebot hatte, Kamerun bei der Weltmeiste­rschaft zu betreuen. Seine Zusage wollte er per Post aus Tansania schicken, wo der Weltenbumm­ler gerade tätig war. Doch der Postbote habe „die 72 Dollar selbst eingesteck­t“, wie Gutendorf im Nachhinein erzählte. So blieb die Zusammenar­beit aus.

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FOTOS (2): IMAGO IMAGES In der Welt zu Hause: Rudi Gutendorf zeigt auf diesem Foto aus dem Juli 1985 einiger seiner Trophäen und Erinnerung­sstücke.
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Gutendorf im November 2008 mit Manchester-City-Schal.

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