Innovative Technik: Heizen mit Eis
In einem alten Bauernhaus in Lörick wurde ein zukunftsweisendes Energiekonzept verwirklicht – und mit der Tradition verknüpft.
Mit Eis heizen, das klingt paradox. Tatsächlich wird für dieses innovative Energiekonzept zweierlei genutzt: das Prinzip derWärmepumpe und die chemischen Eigenschaften vonWasser. Erwärmen können sich bisher nur wenige für die Idee. Zu diesen Ausnahmen zählt Bernd Deckert, dem ein Kunststück geglückt ist: Er verwandelte im alten Dorfkern von Lörick eine ehemalige Bauernkate in ein Landhaus mit provenzalischem Charme. Sein Heizsystem aber muss dem deutschen Winter standhalten. Und seinen Ansprüchen: „Ich wollte ein Konzept, dass auch in 30 Jahren noch nachhaltig ist.“So ging er aufs Eis.
In einer Umfrage hat der „Kesselheld“herausgefunden (ein Düsseldorfer Start-up, das auf einer Plattform über Heizungssysteme informiert und Heizungsbauer und ihre Kunden zusammenbringt), dass Hausbesitzer wenig aufgeschlossen sind gegenüber neuer Technik. Danach setzen 88 Prozent noch immer auf fossile Brennstoffe, die wenigsten ziehen ein Umrüsten auf regenerative Alternativen wie Pelletheizungen und Wärmepumpen in Betracht. Bernd Deckert allerdings war daran schon interessiert, als er 2009 sein altes Haus sanierte mit neuem Dach, Wärmedämmung, Dreifach-Verglasung – und schließlich vier Jahre später einen neuen Trakt anbaute. „Zu diesem Zeitpunkt habe ich in der Zeitschrift Öko-Test über ein neues Heizsystem gelesen, das keinerlei fossile Brennstoffe mehr benötigt.“
So sammelte er Informationen über die Eisspeicherheizung, erfuhr von staatlichen Förderprogrammen und entschloss sich gemeinsam mit seiner Frau Angelika, sich auf dieses neue Energiekonzept einzulassen. Die Details erläutert er zunächst im Garten: Unter einer Wiese steht das Kernstück der Anlage, verbuddelt in der Erde: zwei Zisternen, in die jeweils 10.000 Liter Leitungswasser passen. Diese Speicher, etwa drei Meter hoch, wurden mit einem Spezialkran geliefert, sie sind in ihrem Inneren mit einem Rohrsystem ausgestattet. Das Wasser wird durch Erdwärme und zusätzliche Sonnenkollektoren temperiert, Wärmepumpen nutzen diese Energie – für heißesWasser und zum Heizen.
Zumindest in einem ersten Schritt. Der Clou an dieser Technik: Die Wärmeentnahme sorgt im Winter dafür, dass dasWasser in den Zisternen immer kälter wird und allmählich gefriert. „In diesem Übergangsprozess wird enorme Kristallisationswärme freigesetzt, die in dem Moment entsteht, in dem null Grad kaltes Wasser zu Eis wird“, erläutert Bernd Deckert. Ein Naturphänomen. So nutzt die computergesteuerte Anlage Wärme, die aus der Kälte kommt. Und das restliche Eis, das nach der Heizperiode in den Tanks noch übrig ist, kann im Sommer dann zur Kühlung der Räume genutzt werden – als natürliche Klimaanlage.
„Kesselheld“hat errechnet, dass dieses Heizsystem in der Anschaffung teurer ist als herkömmliche Technik, was aber teilweise durch deutlich niedrigere Energiekosten ausgeglichen wird. Bernd Deckert will jetzt noch einen Schritt weitergehen und seine Anlage in Kombination mit einer Photovoltaik-Technik nutzen.„Dann können wir auch unseren eigenen Strom erzeugen.“
So verbinden sich in dem ehemaligen Bauernhaus Tradition und Innovation: Denn in den Räumen ist nicht zu ahnen, wie die Fußbodenheizung unter den matten, provenzalischen Kacheln („selbst importiert“) betrieben wird. Hier setzen Antiquitäten die Akzente – wie ein Biedermeiersofa oder ein niederrheinischer Kannenstock, ein teils offener Schrank aus dem 18. Jahrhundert mit seinem Prunkstück – einem französischen Teller aus der Zeit der französischen Revolution. Auch in der Küche ist die Liebe des Paares zur Historie spürbar. Dort kocht Angelika Deckert an einem Prachtherd aus Paris nach historischem Vorbild – mit Messingbeschlägen, aber der Technik von heute. Im Keller, dort wo die Wärmepumpe in einem unscheinbaren Kasten steht, hat die historische Uhrensammlung von Bernd Deckert ihren Platz. Hunderte Stücke, die er seit 50 Jahren zusammenträgt, repariert, mit ihnen handelt und die er in seinem privaten Uhrenmuseum ausstellt. Präzision aus dem 18. und 19. Jahrhundert, ein Stück französische Kulturgeschichte – bei bestem Raumklima, bei dem Eis eine entscheidende Rolle spielt.