Die Machtfrage bei der Jungen Union
Zum Auftakt ihres Deutschlandtages zieht die JU als Zeichen gegen Rechtsterror mit einem Trauermarsch vor eine Synagoge. Danach geht es um harte Parteipolitik. Und eine Kampfansage an die angeschlagene Vorsitzende.
SAARBRÜCKEN Für die Widersacher ist die Chance zur Profilierung günstig – lange wurde die CDU nicht mehr so durchgeschüttelt wie seit dem Wechsel von Angela Merkel zu Annegret Kramp-Karrenbauer an der Parteispitze im vorigen Dezember. Bei ihrem Deutschlandtag vor einem Jahr in Kiel hatte die Junge Union noch einen Machtkampf zwischen Kramp-Karrenbauer, damals Generalsekretärin, und Gesundheitsminister Jens Spahn zelebriert. An diesem Wochenende in Saarbrücken kommen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder hinzu. Denn jetzt schwächelt die 57-Jährige, die sich gegen Spahn und Merz im Kampf um den Parteivorsitz durchgesetzt hatte. Und damit geraten ihre Pläne, auch die nächste Kanzlerkandidatin zu werden, ins Rutschen.
Der Heimvorteil dürfte der Saarländerin nicht viel nützen. Vielleicht verkehrt er sich sogar ins Gegenteil. Kramp-Karrenbauer, die Provinzpolitikerin, heißt es hier und da schon spöttisch. Das Jahrestreffen der Jungen Union gilt als Test, wer von den fünf möglichen Anwärtern auf die Merkel-Nachfolge als Kanzlerkandidat derzeit das größte Selbstbewusstsein, die größte Souveränität und den größten Esprit vermittelt.
Vieles wird sich um die von der JU unter ihrem neuen Vorsitzenden Tilman Kuban aufgeworfene Frage drehen, ob die Mitglieder der Partei künftig über die Kanzlerkandidatur entscheiden – und nicht die Spitzen von CDU und CSU. Eine klare Machtfrage.
Die Urwahl-Debatte kann als Kampfansage der Jugendorganisation gegen Kramp-Karrenbauer verstanden werden. Denn bisher war es in der Union üblich, dass derjenige, der die CDU führt, das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur hat. Mit Spannung wird erwartet, ob die Christdemokraten den Weg zu mehr Teilhabe der Mitglieder gehen oder nicht. Dabei geht es auch darum, dass die Zahl der Mitglieder ständig sinkt. Die Frage der Urwahl müsste beim Bundesparteitag im November in Leipzig aufgerufen werden. Gefallen dürfte sie keinem der Unions-Oberen. Sie haben vor allem Bedenken, dass sich auch die CDU in Personaldebatten verlieren wird.
Kuban war empört, als im Konrad-Adenauer-Haus noch in der Nacht der Europawahl ein Teil der Schuld einem konservativen Auftreten der Jungen Union zugeschrieben worden war. Schließlich helfen zahlreiche JU-Anhänger in Wahlkämpfen den Kandidaten nach Kräften und ziehen von Haustür zu Haustür. Für die Schlappe wollten sie da nicht verantwortlich gemacht werden. Allerdings wirkt Kuban seither sensibler, was das Thema Klimaschutz angeht. Das war für die Europawahl maßgeblich, und die CDU konnte es einfach nicht prominent besetzen, wie Kramp-Karrenbauer eingeräumt hat. Nun kümmern sich auch die jungen Christdemo
kraten um dieses traditionelle Grünen-Thema.
Zu Beginn ihres Jahrestreffens setzt die Nachwuchsorganisation aber ein Zeichen gegen Rechtsterror: mit einem Trauermarsch vor eine Synagoge in Saarbrücken. „Angriffe auf jüdisches Leben in Deutschland werden wir nicht hinnehmen – nie wieder“, sagt Kuban zu dem Attentat eines Rechtsextremisten vor einer Synagoge in Halle an der Saale.
Es klingt wie eine Binsenweisheit und ist doch fundamental, was Kramp-Karrenbauer dem „Tagesspiegel“sagte: „Die CDU will in der Regierung gestalten. Dazu muss manWahlen gewinnen.“Ihren eigenen Auftrag formulierte sie so: „Das heißt, ich muss begeistern.“Manche meinen: Nichts schwerer als das.