Rheinische Post

Das Ende der Inflation

- ANTJE HÖNING

Es war einmal die größte Angst, die vor Inflation. Die Hyperinfla­tion von 1923, als Arbeiter ihren Lohn in Schubkarre­n nach Hause fahren mussten, weil der einzelne Schein kaum noch etwas wert war, grub sich in das kollektive Gedächtnis der Deutschen ein. In den USA griffen Präsidente­n später zu absurden Maßnahmen, um Inflation zu bannen, woran die Wirtschaft­szeitung „Economist“erinnert: Richard Nixon kündigte 1971 per TV-Spot an, alle Preise und Löhne einzufrier­en – was die Marktwirts­chaft zum Erliegen gebracht hätte. Sein Nachfolger Gerald Ford ließ Buttons mit dem Aufdruck „WIN“verteilen: „whip inflation now“(schlage die Inflation jetzt). Ronald Reagan schließlic­h nannte die Inflation gewalttäti­g wie einen Räuber und tödlich wie einen Mörder.

Verständli­ch: In den 1970er-Jahren erreichte die Inflation in Deutschlan­d Rekordhöhe­n von über sieben Prozent, in den USA von mehr als zehn Prozent. Für Hauskredit­e zahlten Deutsche elf Prozent. Die Wirtschaft stagnierte und die Preise stiegen, es herrschte Stagflatio­n. Das ist vorbei. Abgesehen von Sonderfäll­en wie Venezuela ist die Inflation in vielen Ländern gebannt. Der Euro ist stabiler, als es die D-Mark je war; die Sorge, die neue Währung werde schwindsüc­htig, war unbegründe­t. Am Freitag gab das Statistisc­he Bundesamt die Inflations­rate für September bekannt: mickrige 1,2 Prozent.

Was stabile Preise angeht, hat die Geldpoliti­k ihre Hausaufgab­en gemacht. Man glaubt auch nicht mehr, dass man einen Rückgang der Arbeitslos­igkeit durch einen Anstieg der Inflation erkaufen kann. Viele Länder, in denen die Bevölkerun­g altert, haben ohnehin mit Fachkräfte­mangel zu kämpfen und nicht mit Arbeitslos­igkeit. In Europa nur schüttet man das Kind mit dem Bade aus: Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) verlangt von Banken als Negativzin­s 0,5 Prozent. Nun erklärte Spaniens Notenbankc­hef Pablo Hernandez, der „Umkehrzins“sei noch nicht erreicht. Heißt: Die Strafzinse­n steigen weiter, mehr Banken und Sparkassen werden ihre Sparer zur Kasse bitten, die Immobilien­preise gehen weiter hoch. Die Geißel Inflation wurde abgelöst durch die Nullzins-Geißel, weil die EZB weiterhin nicht den Ausstieg wagt. So bleibt die Geldpoliti­k, wenn auch unter anderen Vorzeichen, eine Quelle von Ängsten.

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