SAP verliert Chef und ernennt Chefin
Bill McDermott verkündete überraschend den Rückzug vom Chefposten beim Software-Anbieter. Dieser nutzt den Abgang für einen historischen Schritt – und befördert die erste Frau an die Spitze eines Dax-Konzerns.
WALLDORF (dpa) Der Softwareriese SAP wird künftig von einem Duo geführt und bekommt als erster Dax-Konzern eine Vorstandschefin. Die Amerikanerin Jennifer Morgan lenkt die Geschicke ab sofort gemeinsam mit Christian Klein, wie SAP am Freitag mitteilte. Die beiden Vorstandsmitglieder folgen auf Bill McDermott, der überraschend seinen Rückzug bekannt gab. Der 58-Jährige hatte Europas größten Softwarekonzern seit 2010 geführt, zunächst ebenfalls als Teil einer Doppelspitze, seit 2014 allein.
„Jennifer Morgan und Christian Klein ergänzen sich perfekt und werden starke Co-CEOs sein“, sagte Aufsichtsratschef Hasso Plattner. „Dieses Führungsmodell hat sich bei SAP bereits bewährt, dies belegen mehrere Beispiele in der Vergangenheit.“
Von einer „ermutigenden Nachricht“sprach Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Morgan ist 48 Jahre alt und kommt wie ihr Vorgänger McDermott aus den USA, wo sie bisher auch lebt und hauptsächlich arbeitet. Sie ist seit 2004 bei SAP und seit 2017 im Vorstand, verantwortlich war sie zuletzt für die Cloud-Geschäftsbereiche. Klein, 39 Jahre alt und schon sein ganzes Berufsleben bei dem Softwarekonzern, ist seit 2018 Vorstandsmitglied und war als Chief Operating Officer (COO) vom Stammsitz in Walldorf aus für das operative Geschäft verantwortlich.
McDermott hatte den wertvollsten deutschen Konzern, der zuletzt weltweit knapp 100.000 Menschen beschäftigte, in den vergangenen Jahren stark umgebaut – vom klassischen Geschäft mit Softwarelizenzen hin zum Cloud-Geschäft, bei dem Anwendungen mit einer Art Abonnement über das Internet genutzt werden. Für die Konzerne hat dieses Modell den Vorteil, dass das Geschäft damit gleichmäßiger läuft und Umsätze besser planbar sind.
McDermott gilt als begnadeter Verkäufer, bekannt dafür, selbst die drögesten Zahlen mit maximaler Begeisterung zu verkünden. Für das Wachstum in der Cloud steckte SAP in seiner Zeit viele Milliarden in teure Zukäufe.
Die neuen Chefs Morgan und Klein sind öffentlich bisher eher wenig in Erscheinung getreten. An McDermotts Seite tauchte in der Regel Finanzchef Luka Mucic auf. Klein hatte in einem Interview im Juli mehr Mut und Tempo beim digitalen Wandel in Deutschland gefordert. Es werde viel diskutiert, aber zu wenig und vor allem zu langsam umgesetzt, hatte er kritisiert.
Morgans Aufstieg zur Co-Vorstandschefin ist ein Novum im Dax, das allerdings einem seit Jahren erkennbaren Trend folgt – wenn auch auf niedrigem Niveau: Nach Zahlen der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) vom Juli ist der Anteil von Frauen in Vorstandspositionen der in den großen deutschen Aktienindizes Dax, MDax oder SDax gelisteten Unternehmen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, zuletzt im ersten Halbjahr 2019 auf einen neuen Höchstwert von 8,7 Prozent. Bei den Dax-Konzernen allein waren es 14,1 Prozent.
Viel ändern will das neue SAP-Führungsduo erst einmal nicht. Die Botschaft lautet: Kontinuität. Dazu passen die ebenfalls am Freitag veröffentlichten Zahlen zum dritten Quartal. Umsatz und Gewinn kletterten unerwartet kräftig. Den Erlös steigerte der Konzern im Jahresvergleich um 13 Prozent auf 6,8 Milliarden Euro, unter dem Strich blieben mit 1,26 Milliarden Euro 30 Prozent mehr Gewinn übrig.
Zu seinen Plänen wollte McDermott nichts verraten. Sein Vertrag läuft eigentlich bis 2021. Bis Jahresende bleibt er als einfaches Mitglied im SAP-Vorstand. Für ihn beginne ein neues Kapitel auf seiner Reise, sagte er. „Ich bin nie fertig.“