Düsseldorf streitet über die Verkehrswende
Über nichts wird in der Stadt aktuell so heiß diskutiert wie über die Mobilität. Ein Überblick vor dem Start der dritten Umweltspur.
Viel ist über die dritte Umweltspur geredet worden, jetzt geht es los: Ab Montag wird die Sonderspur von Wersten in die Innenstadt markiert. Für den Autoverkehr verbleibt auf der Pendlerroute teils nur noch eine Fahrspur. Die Umweltspuren sind nur eines von vielen Themen, die die Gemüter erregten. Über kein anderes Thema wird in Düsseldorf so leidenschaftlich gestritten wie über denVerkehr. Mal geht es um eine City-Maut, dann um Radständer, die Auto-Parklücken blockieren. Mal um E-Scooter, dann um die Ausfälle bei der Rheinbahn. Dahinter stehen große Fragen: Wie werden sich die Düsseldorfer in Zukunft bewegen? Und welche Schritte sind jetzt richtig? Ein Überblick:
Der Zeitdruck Auch Düsseldorf droht wegen zu hoher Luftverschmutzung ein Diesel-Fahrverbot. Die Umwelthilfe hat geklagt. Aktuell liegt das Verfahren beim Oberverwaltungsgericht Münster, hinter verschlossenen Türen wird ein Vergleich sondiert. Auch die gerade veröffentlichten Stickoxid-Messwerte aus dem Jahr 2018 sind zu hoch. Die Umwelthilfe hat daher ihre Forderung nach umfassenden Eingriffen erneuert. „Wir erwarten die schnelle und konsequente Einleitung einer Verkehrswende“, heißt es in einer Mitteilung.
Bei der Politik sind die Sorgen gewachsen: Zuerst zeigte sich die Bezirksregierung zuversichtlich, dass in Düsseldorf schon genug für saubere Luft getan wird – dann fielen andere Städte vor Gericht durch. So entstand die Idee der Umweltspuren als Sofortmaßnahme. Die Sonderspuren für Busse, Räder, E-Autos, Taxen und Fahrgemeinschaften sollen zum Umstieg motivieren – und umgehend die Belastung an besonders betroffenen Straßen senken, da weniger Autos durchkommen. Ob das Gericht sich beeindrucken lässt? Niemand weiß es.
Ein Weg zurück zu mehr Auto-Freundlichkeit ist im Rathaus in jedem Fall nicht abzusehen: Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) prescht – wohl auch wahlkampfgetrieben – mit immer neuen Vorschlägen vor. Er hat kürzlich eine City-Maut ins Spiel gebracht, außerdem will er mehr Parkplätze kostenpflichtig machen. Nun hat er nach Informationen unserer Redaktion anVerkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geschrieben, weil er Düsseldorf zur Modellstadt für ein ÖPNV-Jahresticket zum geringen Preis von 365 Euro machen will – nach demVorbildWiens. Noch ein weiterer Beschluss sorgt für Druck: Der Stadtrat will, dass Düsseldorf schneller klimaneutral wird.
Die Visionen Düsseldorf befindet sich mit dem Traum von der weniger autodominierten Stadt in bester Gesellschaft: Unter Stadt- und Verkehrsplanern liegt die Abkehr vom motorisierten Individualverkehr im Trend. Als Vorbilder auch der hiesigen Experten gelten Wien, Kopenhagen oder Amsterdam. Diese Metropolen haben es geschafft, den Anteil von Bus-, Bahn- und Radverkehr deutlich zu erhöhen. Dies wird auch als Gewinn für die Lebensqualität propagiert, weil mehr Platz auf und an den Straßen bleibt. Auch das Düsseldorfer Ratsbündnis aus SPD, Grünen und FDP setzt auf einen Ausbau der Infrastruktur für diese Verkehrsmittel.
Die Realität Die Politik mag von der Abkehr vom Auto träumen, noch dominiert es die Stadt. Düsseldorf gehört zu den größten Pendlerhochburgen: 58 Prozent der Arbeitsplätze werden von Auswärtigen belegt. Rund 75 Prozent der 300.000 Einpendler nutzen das Auto. Der Aus
bau der Alternativen zieht sich. Für viel mehr Pendler wäre in Zügen in der Rush Hour kein Platz. Eine Bestellung neuer Bahnen dauert aber Jahre, beim Radwegebau gerät das zuständige Amt an die Grenzen. Und die Rheinbahn stand wegen Unzuverlässigkeit in der Kritik.
Nun kommt mit der Umweltspur eine Einschränkung für die Pendler – und ein Signal gegen das Auto. Das sorgt für Bedenken bei IHK und Handwerkskammer und kritische Nachfragen von Menschen, die nicht aufs Auto verzichten können oder wollen – selbst wenn sie in der Innenstadt leben. Sägt die Stadt am Wohlstand, wenn sie wichtige Verkehrswege verengt? Entsteht nicht mehr Luftverschmutzung, wenn der Verkehr sich noch mehr staut? Das Umweltspuren-Experiment soll nach einem Jahr ausgewertet werden. Die Diskussion um die Mobilitätswende dürfte schon in der kommendenWoche noch lauter werden.