Ist die City-Maut für Düsseldorf sinnvoll?
Oberbürgermeister Thomas Geisel hat eine City-Maut für Düsseldorf ins Gespräch gebracht. Soll sie eingeführt werden, ist sie sozial gerecht? Welche Voraussetzungen sind dafür erst einmal zu schaffen? Zwei Experten äußern sich in Gastbeiträgen.
Wie viele andere deutsche Großstädte hat Düsseldorf ein Verkehrsproblem. Mehr als 500.000 Menschen pendeln an Werktagen in die Stadt oder innerhalb Düsseldorfs, und ein Großteil nutzt den eigenen Pkw. Staus, Lärm und Feinstaubbelastung sind die Folgen. Abgesehen von Stress und Zeitverlusten, die Staus verursachen, führt die Feinstaubproblematik zu gesundheitlichen Belastungen. Es ist klar, dass Handlungsbedarf besteht. Oberbürgermeister Geisel hat als ein Element einer zukünftigen Mobilitätspolitik eine City-Maut ins Spiel gebracht, so wie sie in immer mehr Großstädten existiert. In Oslo, Trondheim, Bergen, Stockholm, Göteborg, Mailand, Palermo, Bologna, London und Singapur setzt man teils schon seit Jahrzehnten auf eine Maut. New York führt ab 2021 eine City-Maut ein, und auch in einigen deutschen Großstädten hat die Diskussion um eine City Maut Fahrt aufgenommen. Im April hat sich daher der Deutsche Städtetag dafür ausgesprochen, eine City-Maut in einzelnen Städten zu erproben.
Die Logik hinter einer City-Maut ist denkbar einfach: Wenn zu viele Leute etwas nutzen, seien es unsere natürlichen Ressourcen oder eben knapper innerstädtischer Verkehrsraum, dann kostet die Nutzung bisher nicht genug. Die einfachste Lösung ist dann, die entsprechende Aktivität zu verteuern.
Dass das Ganze funktioniert, zeigt Stockholm, wo seit 2006 − zunächst sieben Monate zur Probe − eine uhrzeitabhängige City-Maut erhoben wird. In den Folgejahren ging der Autoverkehr um 18 bis 21 Prozent zurück. Die Maut wird von Montag bis Freitag in der Zeit von 6:30 bis 18:29 Uhr fällig. In den Stoßzeiten von 7:30 bis 8:30 und von 16 bis 17:30 Uhr sind 35 Kronen (ca. 3,30 Euro) zu zahlen, ansonsten ist die Maut geringer. Der Maximalbetrag bei mehrmaligem Fahren liegt bei 105 Kronen (ca. 9,90 Euro) pro Tag.
Wenn belastungsabhängige Nutzungspreise für Fahrten in die City eingeführt werden, ändern Autofahrer ihr Verhalten, indem sie (1) die Fahrten auf andere Tageszeiten verschieben, (2) andere Verkehrsmittel nutzen, (3) auf Fahrgemeinschaften umsteigen oder (4) auch ganz auf Fahrten verzichten. Eine belastungsabhängige City-Maut kann die Verkehrsprobleme viel besser lösen als pauschale Verbote: Wenn die Verkehrs- und Feinstaubbelastung hoch ist, sollte die Maut steigen. Wenn aber die Belastung gering ist, kann auch die Maut niedrig ausfallen. Technisch ist die Umsetzung einer belastungsabhängigen City-Maut heute dank moderner IT kein Problem mehr.
Um den Umstieg auf Bus und Bahn einfach zu machen, sollten die Einnahmen aus der City-Maut nicht einfach in den städtischen Haushalt fließen, sondern für eine kontinuierliche Verbesserung des ÖPNV-Angebots ausgegeben werden. So profitieren insbesondere diejenigen, die heute schon Bus und Bahn fahren. Sie bekommen einen besseren ÖPNV, ohne mehr dafür zahlen zu müssen.
Das Hauptargument gegen eine City-Maut ist, dass sie sozial ungerecht sei. Während wohlhabende Autofahrer sich weiter die Einfahrt in die City leisten können, wird diese für Einkommensschwache zum Problem. Dieses Argument ist aus zwei Gründen nicht ganz richtig: Zum einen führen heute schon Parkgebühren dazu, dass die Fahrt in die City nicht „umsonst“ist. Zum anderen profitieren gerade diejenigen, die sich kein Auto leisten können oder denen das Parken heute schon zu teuer ist, von einer City-Maut, deren Einnahmen in den ÖPNV fließen. Sie bekommen mehr ÖPNV, der ihnen von Autofahrern bezahlt wird.
Eine klassische City-Maut – also eine Einfahrgebühr in eine Stadt – ist weder sozial noch intelligent. Jedoch eine Straßenbenutzungsgebühr, die sich nach CO2-Ausstoß, Schadstoffemissionen, Fahrzeugauslastung, Reisezeit und Strecke richtet, kann eine Möglichkeit sein, den Autoverkehr in einer stark belasteten Stadt wie Düsseldorf zu lenken. Nur der Zeitpunkt sollte wohl gewählt werden. Aktuell ist durch die geplante Bepreisung von CO2 im Rahmen des Klimapakets eine Diskussion um eine zusätzliche Belastung für Autofahrer zu mindestens schwierig.
Eine so grundsätzliche Maßnahme muss von einer deutlichen Mehrheit der Menschen in der Stadt, aber auch denjenigen, die in die Stadt zum Arbeiten pendeln, getragen werden. Ein breiter Dialog in der Gesellschaft über Nutzen und Kosten sowie über Ziele und geeigneten Maßnahmen sowie eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Entscheidung sind wichtige Voraussetzungen für die Akzeptanz.
Die vier wichtigsten Erfolgsfaktoren aber heißen: Gute Vorbereitung, schlaue Kommunikation, viel Mut und eine ergebnisoffene Beteiligung der Bevölkerung. Wie das geht, hat Stockholms Bürgermeister Jonas Eliassohn vorgemacht. Statt den Bürgerinnen und Bürger mit finanziellen Belastungen zu drohen, hat er die Lösung des Problems in den Vordergrund seiner Kommunikation gestellt: Ein Ende des täglichen Verkehrschaos.
2006 führte er eine „Staugebühr“von gerade mal ein bis zwei Euro an bestimmten Verkehrsengpässen ein, versuchsweise, für ein halbes Jahr. Und tatsächlich sank die Zahl der Autos während der Rushhour um 20 Prozent. Aber noch etwas anderes änderte sich: Vor dem Versuch waren 70 Prozent der Stockholmer gegen eine solche Maut. Heute, 13 Jahre nach dem Versuch und 12 Jahre nach einem positiven Referendum, sind 70 Prozent dafür. Sie bezahlen gerne einen Preis für etwas, was früher einmal gratis war.
Wichtig für eine erfolgreiche Maut ist zudem eine gute Vorbereitung: In einem ersten Schritt müsste die Politik Mobilität ohne eigenes Auto in der Stadt überhaupt erst ermöglichen. Das ginge vor allem über den massiven Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Denn erst, wenn Busse und Bahnen in dichtem Takt, zuverlässig und komfortabel fahren, stellen sie eine echte Alternative zum eigenen Auto dar. Das kostet richtig viel Geld. Es braucht bessere Infrastruktur, neue Fahrzeuge und neues Personal.
Einpendler wiederum brauchen ausreichend Umsteigepunkte für Busse und Bahnen. Und nicht zuletzt muss eine sichere und hinreichende Fahrradinfrastruktur vorhanden sein. Haltestellen müssen zu Mobilitätshubs umgebaut werden. Neben geschützten Fahrradabstellanlagen müssen dort auch Sharing-Angebote vorhanden sein. Darüber hinaus sollten sämtliche Verkehrsmittel mit wenigen Klicks in einer App gebucht und bezahlt werden können. Dazu müssen alle Verkehrsanbieter ihre Daten- und Vertriebsschnittstellen für andere öffnen.
Erst dann kann die Diskussion um eine Straßennutzungsgebühr gestartet werden. Die Entscheidungen über Mobilitätskonzepte vor Ort müssen auch vor Ort mit den Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden. Partizipation im Sinne von Mitgestaltung heißt, dass diejenigen, die entscheiden, ihr eigenes Lebensumfeld gestalten. Das Wissen und die Erfahrung von lokalen Akteuren ist eine wertvolle Ressource. Nur wenn wir diese nutzen, können passgenaue Lösungen für lokale Probleme entstehen.