Rheinische Post

Popmusik im Sitzen

Die Sängerin Mine eröffnet das New Fall Festival im Robert-Schumann-Saal.

- VON CLEMENS HENLE

Mit einem dramatisch­en Filmmusikm­arsch und getragener Trompete beginnt das Eröffnungs­konzert des New Fall Festivals von Mine im Robert-Schumann-Saal. Nach zwei Songs begrüßt die gut gelaunte Sängerin Mine in einem schneeweiß wallenden Kleid das Publikum. „Ich habe hart Bock auf das Konzert heute“, sagt Jasmin Stocker.

Lust hat sie in der Tat. Voller Energie singt sie, rappt, spielt mehrere Instrument­e, und ihr Tanzstil ist wunderbar choreograf­iert. Dazu wird sie von einer spielfreud­igen Band unterstütz­t. Ihr Stil zwischen groovigem 90er-Jahre-Hip-Hop, etwas Rock und housigen Beats lädt zum Tanzen ein. Und hier beginnt das Problem des Abends. Der Robert-Schumann-Saal ist vollbestuh­lt, und ein Großteil des Publikums bleibt auf den Stühlen kleben als würden die Symphonike­r Beethovens Neunte spielen. Im Laufe des Konzertes stehen immer mehr Besucher auf und stellen sich in den Gang. Denn da ist Platz zum Tanzen, das gebietet die Musik von Mine ja mit ihrem ansteckend­en Groove.

So stellt sich die Frage, warum das New Fall Festival überhaupt Popmusik im Sitzen anbietet. Schließlic­h ist es eine wichtige Errungensc­haft des Pop, sich von hunderte Jahre alter Aufführung­spraxis freigemach­t zu haben. In den 50er und 60er Jahren, als Mann noch im Anzug und Frau im Bleistift-Rock zu Konzerten gingen, erkämpfte sich das Publikum das Recht zu Stehen.Was damals noch zu Saalschlac­hten führte, ist heute zum Glück gang und gäbe. Nämlich dass Musik im Stehen und mit Platz zum Tanzen dargeboten wird.

Ganz deutlich wird das zum Schluss, als Mine das Publikum zum Aufstehen auffordert. Innerhalb einiger Sekunden steht der ganze Saal, klatscht und bewegt sich. Mit zwei Worten sprengt Mine die Ketten und befreit das Publikum. Den Applaus hat sich Mine und ihre Band danach redlich verdient, denn sie lieferte – trotz des starren Publikums – ein tolles Konzert ab.

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