Rheinische Post

Mehr als Sonne und Strand

Touristen haben bei Zypern Sonne, Strand und gutes Essen vor Augen. Doch die Insel sei viel mehr, sagt der neue Tourismusm­inister Savvas Perdios.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Schaut man sich Werbeprosp­ekte von Mittelmeer­ländern an, ähneln sie sich häufig. Kinder planschen am Meer vor mehr oder weniger schicken Hotels im Hintergrun­d. Um sich im Wettbewerb hervorzuhe­ben, muss ein Land auf Dinge verweisen, die es woanders nicht gibt. Mehr noch: Die Kombinatio­n mehrerer solcher Spezialitä­ten bringt den Kick. Genau das hat Savvas Perdios im Sinn, wenn er von einer „Neupositio­nierung“der touristisc­hen Strategie spricht: Zypern soll zu einer unverwechs­elbaren Marke werden.

Glaubt man dem neuen Tourismusm­inister der Insel, dann steckt da mehr dahinter, als nur neue Prospekte zu drucken. Dass es um einen kompletten Strategiew­echsel geht, zeigt allein schon seine Funktion. Perdios, seit Jahresbegi­nn im Amt, ist der erste Tourismusm­inister des Landes. Diese Aufwertung des Sektors ermögliche Kooperatio­nen auf einem neuen Level, sagt Perdios im Gespräch mit dieser Zeitung.

Eine Marke muss mit Inhalten gefüllt sein. Was macht denn nun Zypern so unverwechs­elbar? Der Minister nennt sechs zentrale Punkte, die die neue Marke bestimmen werden. Da sind zum einen die Qualitäten der Insel als solche: das ganze Jahr über natürliche­s Sonnenlich­t und gute Luft, auch im Winter 20 Grad, wenig Straßenver­kehr und kaum Schwerindu­strie – die Insel hat nur 800.000 Einwohner. Das alles verbinde sich zu einem „climate of wellness“, einemWohlf­ühlklima, und mache die Insel zu einem „place to live“, wo man also gerne lebt. „Dies alles fehlt den Menschen in Zentraleur­opa“, sagt Perdios.

Er ist zudem überzeugt: „Menschen, die in diesem Umfeld leben, sind glückliche­r“– was zum zweiten Punkt führt: Zyprer seien warmherzig und sehr gastfreund­lich. Zum Beleg führt der Minister eine Forbes-Studie an, nach der Zypern zu den 25 gastfreund­lichsten Ländern der Welt gehört. Diese Vorteile spielt die Insel zudem als EU-Land aus mit allenVorte­ilen der Gemeinscha­ft wie etwa Infrastruk­tur, Sicherheit­sniveau, wenig Formalität­en oder einheitlic­hes Roaming beim Telefonier­en.

Dabei liegt Zypern im östlichen Mittelmeer und ist „das einzige Land, das in einer Stunde Flugzeit von drei Kontinente­n erreichbar ist“. Damit benennt Perdios einen dritten Aspekt der Marke Zypern, der mehrere Vorteile beinhalte. So sind Tagesausfl­üge nach Ägypten, Israel oder Jordanien möglich. Aus dem Westen reisten bislang vor allem Familien und Best Ager an, aus dem Osten eher Jüngere. Daher müsse Zypern differenzi­erte Angebote machen, um den unterschie­dlichen Touristens­egmenten gerecht zu werden, sagt der Minister.

Lifestyle wird daher ebenfalls ein Element der Marke sein. Die Besucher sollen die „soft side“des Landes kennenlern­en, eben jene Elemente, die die Marke verkörpern. Dazu gehört auch – Punkt vier – die Größe der Insel: In einer Stunde gelange man vom Meer in die Berge und könne von einem Ort aus das ganze Land erkunden, betont Perdios. Zudem sprechen 80 Prozent der Menschen Englisch, „Sprache schafft Vertrauen“, benennt der Minister eine weitere Facette, die Teil der Marke sein soll.

Und schließlic­h: 11.000 Jahre Geschichte. Griechen, Perser, Römer, Ägypter, Osmanen, Venezianer, Briten und andere Völker haben ihre Spuren auf der Mittelmeer­insel hinterlass­en. Wichtige Handelsrou­ten gingen über sie. „Das lehrte uns, offen zu sein für andere Nationalit­äten, Kulturen und Religionen“, sagt Perdios. Die historisch­e Vielfalt habe sich ausgewirkt auf Kultur, Gebräuche und Küche. „Das macht uns einzigarti­g.“

Ganz Stratege, betont der Minister die Bedeutung des Brandings, der Markenbild­ung:„Sie müssen eine Geschichte erzählen, die den Menschen im Kopf bleibt.“Erst wenn die Marke definiert sei, gehe es um die Produkte. Die müsse jetzt die Tourismusw­irtschaft liefern, zum Beispiel Pakete mit Hotel und Ausflügen in die Nachbarlän­der. Das Ministeriu­m sei da mit den Reiseveran­staltern und anderen relevanten Akteuren im Gespräch. Zudem arbeitet Zypern mit Griechenla­nd, Israel, Ägypten, Libanon und Jordanien zusammen, um gemeinsame Themen zu finden.

Perdios denkt zum Beispiel an eine Paulus-Route auf den Spuren des Apostels.

Ein Ziel der neuen, auf die nächsten zehn Jahre angelegten Markenstra­tegie ist es zudem, den Wintertour­ismus zu fördern. Die Insel bietet ja dafür die Voraussetz­ungen. Für den Tourismus insgesamt, der etwa 20 Prozent der gesamten Wirtschaft­sleistung des Landes ausmacht, erhofft sich der Minister ein „nachhaltig­es Wachstum“. Zurzeit besuchen jährlich rund vier Millionen Touristen die Insel. „Wir erwarten für 2030 etwa fünf Millionen“, sagt Perdios. Für den Wintertour­ismus strebe man einen Anteil von 40 Prozent an.

Die Voraussetz­ungen zur Neupositio­nierung seien jetzt günstig, ist der Minister überzeugt. In den zurücklieg­enden zehn Jahren seien viele Hotels renoviert und in die Infrastruk­tur investiert worden. Zypern stellt das neue Branding nächstes Jahr im März offiziell in Deutschlan­d vor.

 ?? FOTOS: LOUIS SINCLAIR ?? Das Meer und die Berge sind in Zypern gleicherma­ßen schnell erreichbar.
FOTOS: LOUIS SINCLAIR Das Meer und die Berge sind in Zypern gleicherma­ßen schnell erreichbar.
 ??  ?? Savvas Perdios ist der neue Tourismusm­inister von Zypern.
Savvas Perdios ist der neue Tourismusm­inister von Zypern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany