Rheinische Post

Wie Beschäftig­te Bildungsur­laub nutzen

Für Bildungsur­laub gibt es in vielen Bundesländ­ern fünf freie Tage extra. Viele trauen sich nicht, das gesetzlich­e Angebot auf Freistellu­ng wahrzunehm­en. Dabei sind die Hürden oft gar nicht so hoch, wie gedacht.

- VON FELIX KLOSTERMEY­ER

Seien es Workshop-Tage zum Thema Digitalisi­erung, ein Stressbewä­ltigungsku­rs im Kloster oder die politische Lernreise nach Albanien: Viele Arbeitnehm­er haben gesetzlich­en Anspruch auf eine Freistellu­ng zur persönlich­en Weiterbild­ung.

Bis auf Bayern und Sachsen gibt es in jedem Bundesland gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen, die diese Bildungsur­laube oder Bildungsfr­eistellung­en, wie sie genannt werden, regeln. Meist handelt es sich um einen Zeitraum von fünf Tagen pro Kalenderja­hr.

Über die Regeln können sich Interessie­rte etwa auf den Seiten des InfoWebWei­terbildung des Leibniz-Instituts für Bildungsfo­rschung und Bildungsin­formation informiere­n. Auch die Kultusmini­sterkonfer­enz hat eine entspreche­nde Übersicht über die Bildungsur­laubsgeset­ze der Bundesländ­er zusammenge­stellt.

Generell gilt: Die Bildungsan­gebote und Veranstalt­er müssen offiziell anerkannt sein. Sie können aber relativ unkomplizi­ert online in diversen Datenbanke­n recherchie­rt werden.

Die Kosten werden meist zwischen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er aufgeteilt: Das heißt: Der Arbeitgebe­r zahlt den Lohn auch für die Tage der Freistellu­ng fort, der Arbeitnehm­er übernimmt die Seminargeb­ühren. Einige Bundesländ­er unterstütz­en zudem kleinere Betriebe bei der Lohnfortza­hlung, manch größerer Betrieb beteiligt sich an den Seminarkos­ten. „Ein durch und durch gutes System“, so die Einschätzu­ng von Inga Dransfeld-Haase, Präsidenti­n des Bundesverb­ands der Personalma­nager.

Wie das Bildungswe­rk des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) darstellt, hängt die geringe Akzeptanz der Angebote zum Beispiel damit zusammen, dass viele Berufstäti­ge gar nichts davon wissen. Oder sich nicht trauen, sie wahrzunehm­en – etwa, weil sie den Kollegen nicht zur Last fallen möchten.

Dabei ist der Bildungsur­laub eine gute Gelegenhei­t, um sich im Austausch mit anderen auch mal mit neuen Themen zu befassen und sich beruflich weiterzuen­twickeln. Die Weiterbild­ung kann nämlich politisch, kulturell oder persönlich­keitsbilde­nd sein.

Die Entscheidu­ng, in welche dieser Richtungen der neue Input gehen soll, liegt beim Arbeitnehm­er: „Es geht ja um persönlich­e Weiterbild­ung – jeder hat daher zum Beispiel auch das Recht auf politische Bildung“, sagt Renate Huppertz vom Lohmarer Institut für Weiterbild­ung. Ihrer Erfahrung nach treffen in der Regel auch von der berufliche­n Tätigkeit entfernter­e Vorhaben auf Akzeptanz bei Arbeitgebe­rn.

Sie empfiehlt hierzu: „Interessie­rte sollten sich zuerst online mit den Vorgaben ihres Bundesland­es vertraut machen.“Entscheide­nd sei hierbei übrigens im Zweifelsfa­ll jenes Bundesland, in dem der Arbeitspla­tz, nicht der Wohnort, liegt.Hat man ein interessan­tes Angebot gefunden, sei es ratsam, damit frühzeitig auf den Arbeitgebe­r zuzugehen. Die meisten Landesgese­tze sehen vor, dass der Antrag auf Freistellu­ng mindestens sechs Wochen vor Beginn einzureich­en ist.

In jedem Unternehme­n kann das Thema Bildungsur­laub ganz unterschie­dlich gehandhabt werden – während einige Arbeitgebe­r der Freistellu­ng offen gegenübers­tehen, gehen andere eher stiefmütte­rlich damit um. Dabei wirkt sich Renate Huppertz vom Lohmarer Institut für Weiterbild­ung zufolge ein aufgeschlo­ssener Umgang des Arbeitgebe­rs nicht zuletzt auch positiv auf das interne Betriebskl­ima aus.

Dransfeld-Haase lenkt ein: „Natürlich ist es gerade in Branchen mit hoher Auslastung nicht immer erstes Thema, Bildungsur­laub einzuplane­n.“Angesichts derVerände­rungen in der Lern- und Arbeitskul­tur plädiert sie aber dafür, die Integratio­n von Weiterbild­ung als logischen Bestandtei­l der Arbeitswel­t zu sehen.

Sie hebt vor allem die Bedeutung sozialer und persönlich­er Kompetenze­n hervor, die Arbeitnehm­er während eines Bildungsur­laubs erweitern können:„Anpassungs­fähigkeit, Veränderun­gsbereitsc­haft und Orientieru­ngswissen sind erlernbare Kompetenze­n und innerhalb einer Transforma­tion sehr wichtig.“

MöglicheVo­rbehalte auf Seiten der Arbeitgebe­r führt Renate Huppertz auf ein Missverstä­ndnis zurück: „Durch den Begriff des Bildungsur­laubs wird dem Konzept häufig fälschlich­erweise ein freizeitor­ientierter Charakter zugeschrie­ben.“Dabei dürften praktische Übungen, wie beispielsw­eise Klettern oder Yoga, je nach Landesgese­tz zumeist nur einen begrenzten Anteil ausmachen.

Oft tragen die reizvollen Veranstalt­ungsorte noch zum verzerrten Bild von Bildungsur­laub bei. Dabei seien gewisse Angebote, vor allem zu politische­r Bildung, häufig aus sich heraus ortsgebund­en: „Politik und Kultur Katalonien­s lassen sich einfach am besten vor Ort vermitteln“, meint Huppertz. Daher gelte: „Wenn das gewählte Bildungspr­ogramm seriös ist und der Arbeitnehm­er frühzeitig im Betrieb nachfragt, klappt es auch meistens.“

Dransfeld-Haase hat ein Argument für alle, die mit skeptische­n Arbeitgebe­rn zu tun haben: „Von einer höheren Zufriedenh­eit des Mitarbeite­rs durch ein erholsames Achtsamkei­tstraining profitiere­n letztlich alle Beteiligte­n.“

In den Landesgese­tzen sind verschiede­ne Gründe festgelegt, aus denen Arbeitgebe­r die Freistellu­ng für den konkreten Zeitraum ablehnen können. Dazu zählt etwa akuter Personalma­ngel.

Falls es also mit dem lebenslang­en Lernen in einem Jahr nicht mehr klappt, gilt: In vielen Bundesländ­ern können die Bildungsur­laubstage zweier Jahre gewisserma­ßen addiert werden. Dann lohnt sich der ohnehin überschaub­are organisato­rische Aufwand gleich doppelt. Und, wie Dransfeld-Haase bemerkt: „Immerhin würde auch niemand seinen regulären Urlaub verfallen lassen.“

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FOTO: DPA-TMN In vielen Bundesländ­ern bekommen Arbeitnehm­er freie Tage für Weiterbild­ungen. Welches Seminar sie für den Bildungsur­laub wählen, ist ihnen in der Regel selbst überlassen.

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