Rheinische Post

Belgiens Zerrissenh­eit lässt Regierungs­bildung scheitern

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Belgien ist blockiert. Knapp ein halbes Jahr nach der Parlaments­wahl sind die Versuche zur Regierungs­bildung gescheiter­t. Die Lage ist verzwickt, weil im flämischsp­rachigen Norden des Landes die Nationalis­ten von der Neuen Flämischen Allianz (N-VA) die stärkste Kraft sind und im französisc­hsprachige­n Süden die Sozialiste­n. König

Philippe, der als Staatsober­haupt die Regierungs­bildung moderieren muss, hatte eine Koalition zwischen diesen beiden Kräften favorisier­t. Doch dieseWoche zeichnete sich ab, dass die programmat­ischen Unterschie­de unüberbrüc­kbar sind.

Immer mehr zeichnet sich ab, dass die Kluft zwischen den beiden Landesteil­en, dem französisc­hsprachige­n Süden mit großen wirtschaft­lichen Problemen und dem flämischsp­rachigen Norden mit starkem Wirtschaft­swachstum und geringer Arbeitslos­igkeit, bedrohlich groß geworden ist. Dies wurde auch in den Sondierung­sgespräche­n deutlich: Die Sozialiste­n machten soziale Verbesseru­ngen wie ein niedrigere­s Renteneint­rittsalter, höhere Löhne und eine bessere Absicherun­g für Arbeitslos­e zur Vorbedingu­ng für Koalitions­verhandlun­gen. Die N-VA will das Gegenteil: wirtschaft­sfreundlic­he Reformen, geringere Sozialtran­sfers.

Um den Zusammenha­lt zwischen den Landesteil­en ist es schon jetzt schlecht bestellt. In früheren Staatsrefo­rmen waren Flandern und Wallonien bereits Kompetenze­n wie etwa die Festsetzun­g einiger Steuersätz­e zugestande­n worden. Die flämischen Nationalis­ten dringen aber darauf, dass Flandern noch mehr selbst entscheide­n kann. Die

Sozialiste­n ihrerseits sind nicht bereit, der N-VA bei weiteren Staatsrefo­rmen entgegenzu­kommen.

Wie verhärtet die Fronten sind, macht die Aussage des hochrangig­en N-VA-Politikers BenWeyts nach dem Scheitern der Gespräche deutlich: Man sei offen, die Ziele in einer Regierung auf föderaler Ebene anzupeilen oder nach einer Staatsrefo­rm, „die dafür sorgt, dass wir entscheide­n können, was mit unserem

Geld passiert“. „Wir“steht nicht für Belgier, sondern für Flamen.

Wie es jetzt weitergeht, ist offen. Der König könnte versuchen, eine „Regenbogen-Koalition“zwischen Sozialiste­n, Grünen und Liberalen zu schmieden. Das wäre aber politisch riskant: Da die flämischen Nationalis­ten außen vor wären, würde die Koalition politisch in Flandern nur geringen Rückhalt haben. Denkbar ist auch eine Neuwahl.

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