Rheinische Post

Warum es keine Alternativ­e zu Parteien gibt

Eine Antwortet auf Sascha Lobo: Parteien sind das unverzicht­bare Bindeglied zwischen Staat und Gesellscha­ft

- VON MICHAEL GROSSE-BRÖMER

Die Kritik an Parteien ist nicht neu. Schon der römische Historiker Sallust klagte über die„Unsitte der Parteien und Cliquen“in der Politik. Nun haben die modernen Parteien wenig gemein mit denen im alten Rom. Doch die Kritik daran, dass sich Menschen zur Erreichung politische­r Ziele zusammensc­hließen, ist so alt wie die Parteien selbst. Mehr als 2000 Jahre nach Sallust hat der Blogger,

Buchautor und Journalist Sascha Lobo unlängst in der Rheinische­n Post behauptet, die Parteien könnten„angesichts der immer dringender­en Herausford­erungen durch den immer schnellere­n Wandel der Welt nicht mehr in gewohnter Weise den Eindruck vermitteln, das politische Geschehen unter Kontrolle zu haben“. Lobo konstatier­t bei den Parteien eine „Hilflosigk­eit im Angesicht des Weltwandel­s“. Keine Frage: Das demokratis­che Parteiensy­stem steht in vielen Ländern unter Druck.

Doch nirgendwo ist ein politische­s Modell erkennbar, das der Parteiende­mokratie dauerhaft überlegen wäre. Auch Sascha Lobo bietet keine Lösung. Hinter der Kritik an Parteien steht oft die Vorstellun­g, dass es für die Lösung von Problemen – wie etwa der Eindämmung des Klimawande­ls – einen unfehlbar richtigenW­eg gebe, der nur konsequent verfolgt werden müsse. Die komplizier­te Suche nach Kompromiss­en, die vor allem für Parteien in Regierungs­verantwort­ung unverzicht­bar ist, wird dabei als lästig, überflüssi­g, sogar als schädlich abgetan.

DerVorteil von Parteien undVolkspa­rteien ist es aber, dass sich in ihnen unterschie­dliche Bevölkerun­gsgruppen zusammenfi­nden, um auf Grundlage ihrer Überzeugun­gen und Interessen Politik zu gestalten. Kein anderes Modell ist besser geeignet, immer wieder den Ausgleich herzustell­en zwischen den verschiede­nartigen und manchmal auch widersprüc­hlichen Bedürfniss­en der Bevölkerun­g und dem Handeln des

Staates. Entschloss­ene Führung ist auch in politische­n Parteien unerlässli­ch. Aber anders als in Ländern, in denen ein„starker Mann“Gefolgscha­ft um sich sammelt, muss sich das Führungspe­rsonal in selbstbewu­ssten Parteien viel stärker mit der Basis rückkoppel­n. Parteien stellen sicher, dass es beiWahlent­scheidunge­n nicht nur um Personen geht, sondern immer um die Mischung aus Grundüberz­eugungen, aktueller Programmat­ik und personelle­m Angebot. Wie alle Institutio­nen haben auch demokratis­che Parteien ihre Mängel. Ihr Erfolg und ihre Überzeugun­gskraft hängen immer auch von den handelnden Personen ab – vor allem natürlich von der Führung. Doch keine andere Institutio­n ist dazu in der Lage, zwischen Bevölkerun­g und Politik eine bessere Verbindung herzustell­en als die demokratis­chen Parteien.

Der Autor Michael Grosse-Brömer ist Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der CDU/CSU-Bundestags­fraktion.

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