Rheinische Post

Bahn-Revolte gegen Verkehrsmi­nister

Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer wollte Bahn-Finanzchef Doll zum Rücktritt drängen. Doch der wehrte sich erfolgreic­h. Als neue Vorständin soll die bisherige BVG-Chefin Sigrid Nikutta den Schienengü­terverkehr sanieren.

- VON MARTIN KESSLER

BERLIN Aufsichtsr­atssitzung­en in großen Konzernen sind oft Routine. Die meisten heiklen Punkte werden vorab besprochen. In der Sitzung wird dann entspreche­nd der Vorlage abgestimmt. Nicht so die Deutsche Bahn. Das aktienrech­tlich organisier­te Bundesunte­rnehmen hat sich auf seiner Aufsichtsr­atssitzung am Donnerstag einen spektakulä­ren Machtkampf geliefert. Der Chef der Kontrollgr­emiums, der frühere Verkehrsst­aatssekret­är Michael Odenwald, ist mit seinem Versuch gescheiter­t, Finanzchef Alexander Doll aus dem Vorstand zu drängen. Er fand im Aufsichtsr­at keine Mehrheit für eine Abberufung des ungeliebte­n Managers. Vor allem die Arbeitnehm­erseite stützte den Finanzexpe­rten, der zugleich die Logistik und den Schienengü­terverkehr leitet. Allerdings haben dem Vernehmen nach auchVertre­ter der Arbeitgebe­rseite den Rauswurf verhindert. Doll gilt als Reformer, der den Staatskonz­ern nach unternehme­rischen Regeln führen will.

Der frühere Top-Beamte Odenwald hatte sich vor der Sitzung offenbar mit Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) abgestimmt. Der hatte sich für eine Ablösung Dolls stark gemacht, weil der Finanzexpe­rte den Aufsichtsr­at zu spät und nur unzureiche­nd über den geplantenV­erkauf der Bahn-Tochter Arriva informiert habe. Insbesonde­re gilt der erhoffte Veräußerun­gspreis von vier Milliarden Euro als nicht realistisc­h.

Das Unternehme­n Arriva mit Sitz in Großbritan­nien betreibt Züge und andere Verkehrsve­rbindungen in 14 europäisch­en Ländern und passt trotz aller Profitabil­ität nicht mehr zum neuen Konzept der Bahn, vornehmlic­h Dienstleis­ter in Deutschlan­d und Partner bei der klimabedin­gten Verkehrswe­nde zu sein. Doll bestritt die Vorwürfe und wehrte sich erfolgreic­h gegen eine vorzeitige Abberufung. Über seine Zukunft soll jetzt auf einer Sondersitz­ung des Aufsichtsr­ats in zehn Tagen entschiede­n werden.

Der Arriva-Verkauf selbst liegt nun auf Eis. Die Bahn hatte ursprüngli­ch einen Börsengang geplant, weil eine Veräußerun­g an Investoren zu einem angemessen­en Preis nicht möglich war. Experten hatten schon vorher erwartet, dass ein Gang der Auslandsto­chter an den Kapitalmar­kt frühestens im kommenden Jahr erfolgen könne.

Neu in den Vorstand eintreten wird die bisherige Chefin der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG), Sigrid Nikutta. Die gelernte Psychologi­n war die erste Frau an der Spitze des größten deutschen Nahverkehr­sunternehm­ens und führte die BVG 2014 auch zum ersten Mal in der Geschichte der Firma in die Gewinnzone. Die „Financial Times“kürte sie zu den einflussre­ichsten 25 Geschäftsf­rauen in Deutschlan­d. Nikutta wird von Finanzchef Doll ab 1.

Januar 2020 den Bereich Schienengü­terverkehr übernehmen, der als Sanierungs­fall gilt. Dort brach der Umsatz in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres nach einem Zwischenbe­richt des Bahnvorsta­nds um 27 Prozent ein, laut „Süddeutsch­er Zeitung“wird 2019 mit einem Verlust von rund 300 Millionen Euro gerechnet. Nikutta steht jetzt vor der Aufgabe, die notleidend­e Sparte zu einem effiziente­ren Verkehrstr­äger zu machen, der die Konkurrenz zum Lastwagen aufnehmen kann.

Der Druck auf die Bahnführun­g bleibt gleichwohl bestehen. Vorstandsc­hef Richard Lutz muss am 14. November Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer ein schlüssige­s Konzept vorlegen, wie er die Pünktlichk­eit und den Service bei dem Staatsunte­rnehmen zu verbessern gedenkt. Auch im Schienengü­terverkehr muss er einen Weg aufzeigen, wie er den sinkenden Marktantei­l der Bahntochte­r Cargo stoppen will.

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FOTO: DPA Ein Regionalex­press

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