Bahn-Revolte gegen Verkehrsminister
Bundesverkehrsminister Scheuer wollte Bahn-Finanzchef Doll zum Rücktritt drängen. Doch der wehrte sich erfolgreich. Als neue Vorständin soll die bisherige BVG-Chefin Sigrid Nikutta den Schienengüterverkehr sanieren.
BERLIN Aufsichtsratssitzungen in großen Konzernen sind oft Routine. Die meisten heiklen Punkte werden vorab besprochen. In der Sitzung wird dann entsprechend der Vorlage abgestimmt. Nicht so die Deutsche Bahn. Das aktienrechtlich organisierte Bundesunternehmen hat sich auf seiner Aufsichtsratssitzung am Donnerstag einen spektakulären Machtkampf geliefert. Der Chef der Kontrollgremiums, der frühere Verkehrsstaatssekretär Michael Odenwald, ist mit seinem Versuch gescheitert, Finanzchef Alexander Doll aus dem Vorstand zu drängen. Er fand im Aufsichtsrat keine Mehrheit für eine Abberufung des ungeliebten Managers. Vor allem die Arbeitnehmerseite stützte den Finanzexperten, der zugleich die Logistik und den Schienengüterverkehr leitet. Allerdings haben dem Vernehmen nach auchVertreter der Arbeitgeberseite den Rauswurf verhindert. Doll gilt als Reformer, der den Staatskonzern nach unternehmerischen Regeln führen will.
Der frühere Top-Beamte Odenwald hatte sich vor der Sitzung offenbar mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) abgestimmt. Der hatte sich für eine Ablösung Dolls stark gemacht, weil der Finanzexperte den Aufsichtsrat zu spät und nur unzureichend über den geplantenVerkauf der Bahn-Tochter Arriva informiert habe. Insbesondere gilt der erhoffte Veräußerungspreis von vier Milliarden Euro als nicht realistisch.
Das Unternehmen Arriva mit Sitz in Großbritannien betreibt Züge und andere Verkehrsverbindungen in 14 europäischen Ländern und passt trotz aller Profitabilität nicht mehr zum neuen Konzept der Bahn, vornehmlich Dienstleister in Deutschland und Partner bei der klimabedingten Verkehrswende zu sein. Doll bestritt die Vorwürfe und wehrte sich erfolgreich gegen eine vorzeitige Abberufung. Über seine Zukunft soll jetzt auf einer Sondersitzung des Aufsichtsrats in zehn Tagen entschieden werden.
Der Arriva-Verkauf selbst liegt nun auf Eis. Die Bahn hatte ursprünglich einen Börsengang geplant, weil eine Veräußerung an Investoren zu einem angemessenen Preis nicht möglich war. Experten hatten schon vorher erwartet, dass ein Gang der Auslandstochter an den Kapitalmarkt frühestens im kommenden Jahr erfolgen könne.
Neu in den Vorstand eintreten wird die bisherige Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Sigrid Nikutta. Die gelernte Psychologin war die erste Frau an der Spitze des größten deutschen Nahverkehrsunternehmens und führte die BVG 2014 auch zum ersten Mal in der Geschichte der Firma in die Gewinnzone. Die „Financial Times“kürte sie zu den einflussreichsten 25 Geschäftsfrauen in Deutschland. Nikutta wird von Finanzchef Doll ab 1.
Januar 2020 den Bereich Schienengüterverkehr übernehmen, der als Sanierungsfall gilt. Dort brach der Umsatz in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres nach einem Zwischenbericht des Bahnvorstands um 27 Prozent ein, laut „Süddeutscher Zeitung“wird 2019 mit einem Verlust von rund 300 Millionen Euro gerechnet. Nikutta steht jetzt vor der Aufgabe, die notleidende Sparte zu einem effizienteren Verkehrsträger zu machen, der die Konkurrenz zum Lastwagen aufnehmen kann.
Der Druck auf die Bahnführung bleibt gleichwohl bestehen. Vorstandschef Richard Lutz muss am 14. November Bundesverkehrsminister Scheuer ein schlüssiges Konzept vorlegen, wie er die Pünktlichkeit und den Service bei dem Staatsunternehmen zu verbessern gedenkt. Auch im Schienengüterverkehr muss er einen Weg aufzeigen, wie er den sinkenden Marktanteil der Bahntochter Cargo stoppen will.