Rheinische Post

DFB-Frauen spielen in Wembley vor 90.000 Fans

Vor dem Länderspie­l gegen Deutschlan­d befindet sich Englands Frauenfußb­all zwischen Boom und Herausford­erungen.

- VON HENDRIK BUCHHEISTE­R

MANCHESTER Kein Superlativ scheint in diesen Tagen groß genug zu sein im englischen Frauenfußb­all. Als Beleg dafür dienen die Aussagen, die der heimische Verband gerade von Nationaltr­ainer Phil Neville veröffentl­ichte. Der einstige Nationalsp­ieler war in seiner aktiven Laufbahn sechs Mal englischer Meister mit Manchester United, gewann drei Mal den FA-Pokal und 1999 die Champions League. Alle diese Errungensc­haften schrumpfen für Neville im Vergleich zum Freundscha­ftsspiel seiner Engländeri­nnen gegen Deutschlan­d an diesem Samstag im heiligen Wembley-Stadion. „Die Spielerinn­en auf den Rasen zu führen, übertrifft alles, was ich in meiner aktiven Laufbahn erreicht habe”, sagte der 42 Jahre alte Trainer.

In der Tat wird diese Partie einen besonderen Status im Lebenslauf aller Beteiligte­n einnehmen. Der Verband hat das Stadion ausverkauf­t und rechnet mit bis zu 90.000 Zuschauern. Das wäre Rekord für ein Frauenfußb­all-Spiel auf britischem Boden. Die Bestmarke für die höchste Zuschauerz­ahl bei einem England-Heimspiel dürfte in jedem Fall überboten werden. Die Veranstalt­ung ist ein Zeichen für den Boom, den der Frauenfußb­all gerade im Mutterland dieses Sports erlebt. Die WM im Sommer in Frankreich, bei der die „Lionesses”, die Löwinnen, auf dem vierten Platz landeten, brachte Rekord-Einschaltq­uoten. In der heimischen Profiliga zahlt sich die Strategie aus, einzelne Spiele neuerdings in die großen Männer-Stadien zu verlegen.

Das Manchester-Derby zum Saisonstar­t im September in der Heimstätte der City-Männer besuchten mehr als 31.000 Menschen, Rekord für ein englisches Ligaspiel. Möglicherw­eise ist die Bestmarke am

Wochenende nach dem Deutschlan­d-Spiel schon wieder in Gefahr. Dann findet das Merseyside-Derby der Frauen zwischen dem FC Liverpool und dem FC Everton im Anfield-Stadion statt, Meister Arsenal tritt zum Nordlondon-Derby gegen Tottenham im neuen Spurs-Stadion an. Englands Frauenfußb­all sucht die große Bühne, wie in Spanien, wo im März mehr als 60.000 Zuschauer das Spiel zwischen Atlético und dem FC Barcelona sahen.

Die Idee dahinter ist klar. Durch diese speziellen Events sollen mehr Menschen Zugang zum Frauenfußb­all bekommen und zu regelmäßig­en Stadiongän­gern werden. Die Beteiligte­n wissen allerdings, dass es bis dahin noch ein langer Weg ist. Der Zuschauers­chnitt in der Women’s Super League lag in der abgelaufen­en Saison bei 833, das bedeutete sogar einen Rückgang.

Eine weitere Herausford­erung ist es, Frauen, die Fußball spielen, an den organisier­ten Spielbetri­eb zu binden. Die FA hat bekannt gegeben, dass die Zahl der aktiven Fußballeri­nen in England seit der WM um 850.000 gewachsen ist, auf 2,63 Millionen Spielerinn­en. Allerdings sind weniger als ein Viertel in einer Liga organisier­t. Hier hat England Nachholbed­arf gegenüber Nationen wie Deutschlan­d, Schweden oder den Niederland­en.

Die Profis sind auf Wachstumsk­urs, weil so viel in den englischen Frauenfußb­all investiert wird wie noch nie. Das liegt an Vereinen wie dem FC Chelsea, Manchester City oder Manchester United und an Sponsoren wie der Barclays Bank, die für die Namensrech­te der Liga über drei Jahre angeblich mehr als zehn Millionen Pfund zahlt. Dass sich der Verband im Januar des vergangene­n Jahres für Neville als Nationaltr­ainer entschied, obwohl dieser bis dahin keine Verbindung­en zum Frauenfußb­all hatte, löste viel Kritik aus, war aber Teil der Strategie, durch große Namen Interesse zu generieren.

Ob die Partie für Neville wirklich ein Karriere-Höhepunkt wird, hängt nicht nur von der Zuschauerz­ahl ab, sondern auch vom Ergebnis auf dem Rasen. Die Engländeri­nnen wollen die große Bühne nutzen, um sich zu profiliere­n.

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FOTO: DPA Seit Januar 2018 Trainer der „Lionesses“: Phil Neville.

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