Wir sind es gewohnt, neben der Beratung vor allem zu agieren und Lösungen zu finden
Es wird oft beklagt, dass es in Deutschland keine „Kultur des Scheiterns“gibt. Ein Unternehmer, dessen Firma in die Insolvenz geht, wird oftmals gesellschaftlich stigmatisiert – völlig unabhängig davon, ob er mit persönlichem Fehlverhalten zur Insolvenz beigetragen hat. In den angelsächsischen Ländern geht man mit der Unternehmensinsolvenz ganz anders um. Scheitern steht hier oft auch für „Erfahrungen sammeln“und dementsprechend sind auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Insolvenzverfahren ganz anders als in Europa.
Dabei war das ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) ein erster Schritt dazu, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu lockern. Jetzt will der Gesetzgeber noch weiter gehen. Das EU-Parlament hat bereits die „Richtlinie für Präventive Restrukturierungsrahmen“verabschiedet, hierzulande soll das bis spätestens 2022 in geltendes Recht umgesetzt werden.
Das neue Gesetz, da sind sich die Teilnehmer des RP-Wirtschaftsforums alle einig, wird zu erheblichen Veränderungen führen und auch Auswirkungen auf den Beratermarkt ha(jgr)Von Umbrüchen sind auch die betroffen, die sie woandes jeden Tag managen: die Sanierer selbst. Und das schon lange. Dr. Dirk Andres (AndresPartner) nennt die Öffnung des Verwaltermarktes für Berater, das ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) und den anstehenden Präventiven Restrukturierungsrahmen. Der werde massive Veränderungen bringen. Große Häuser hätten die Kapazitäten, damit umzugehen, die Veränderungsprozesse zu finanzieren und die Mitarbeiter entsprechend zu qualifizieren, beruhigt Michael Hermanns (Buth & Hermanns).
Da zehn Jahre lang die Insolvenzen rückläufig waren, sei eine ganze Verwaltergeneration verlorengegangen, sagt Dr. Paul Fink (FRH). „Wir müssen aus der Branche neue Modelle entwickeln.“Chancen dazu sieht Fink im genannten Präventiven Restrukturierungsrahmen. Verwalter müssten ihre Aufstellung neu justieren, ist ben. Worum geht es? Der neue Rechtsrahmen soll dazu dienen, Regeln für ein Sanierungsverfahren vor einer Insolvenz festzuschreiben. Sanierer und Berater sollen damit außerhalb eines Insolvenzverfahrens verschiedene Sanierungsmaßnahmen mit den Beteiligten abstimmen und umsetzen können. Einzelne Beteiligte können das Vorhaben nicht blockieren, das hat für die Berater den Vorteil, dass sie nicht unbedingt einen Konsens mit allen Beteiligten finden müssen, sondern individuelle Maßnahmen ergreifen, die zur Rettung des Unternehmens beitragen.
„Eine der Kernfragen ist dabei, wie gerichtsfern wird das neue Verfahren sein?“, gibt Dr. Dirk Andres zu bedenken. „Das neue Gesetz führt zu einem Paradigmenwechsel“, ist Michael Hermanns überzeugt. „In Zukunft steht beim Präventiven Restrukturierungsrahmen nicht im Vordergrund, die Interessen der Gläubiger zu befriedigen, sondern ein Unternehmen so zu sanieren, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben.“
Die vielen Gestaltungsfreiheiten, die den Sanierern dadurch zukünftig an die Hand gegeben werden, sind aber nicht ohne: „Sie bergen natürlich die Gefahr, dass das Verfahren auch missbraucht wird“, erläutert Georg F. Kreplin.
Dr.Wolf-Rüdiger von der Fecht (Kanzlei von der Fecht LLP) überzeugt. Sie müssten sich also entweder auf ihre Kernkompetenzen beschränken und gegebenenfalls mit anderen Sanierern kooperieren – oder diversifizieren und neue Geschäftsmodelle etwa in der Beratung dazunehmen. Auf Krisen der Unternehmen müssten die Sanierer früher reagieren.
Dennis Eichwald (Mütze Korsch) hat wenig Angst vor Wandel: „Wir können uns kurzfristig in neue Themen einarbeiten und bei Bedarf auch Kompetenzen hinzukaufen oder mit Partnern zusammenarbeiten. Und wir können unsere Mitarbeiter fortbilden.“„Wer in unserem Marktsektor künftig erfolgreich sein will, braucht neben dem Know-how auch Kontakte“, fügt Georg F. Kreplin (Kreplin & Partner) hinzu. Eine mittelständische, regionale Sanierer-Kanzlei könne sich mit Partnern auch bundesweit aufstellen.
„Allerdings haben wir solche Missbräuche in der Vergangenheit auch immer wieder bei Eigenververwaltungsverfahren gesehen. Man sollte daher die Regeln so aufstellen, dass es keine Schlupflöcher gibt.“
Doch mit den veränderten Regeln dürfte sich auch die Marktsituation für die Insolvenzverwalter ändern. Kreplin sieht die neue Richtlinie als „große Herausforderung für unsere Branche, sich gegen national und international groß aufgestellte Unternehmensberater durchzusetzen. Denn das Gesetz wird Unternehmensberatern und Wirtschaftsprüfern alle Möglichkeiten eröffnen, den Insolvenzbereich für sich zu erschließen.“
Hierbei sehen sich die Insolvenzverwalter durchaus gut aufgestellt und betonen die Unterschiede zu klassischen Unternehmensberatern, wie etwa Dr. Paul Fink: „Uns prägt eine gewisse Unabhängigkeit der Interessen, wir vertreten schließlich die Gesamtheit aller Gläubiger und können eine Moderatorenrolle übernehmen. Die großen Beratungsgesellschaften sind dagegen oftmals Interessenvertreter einer Partei.“
Dr. Dirk Andres ergänzt: „Un
„Eine gewisse Größe muss man haben“, bestätigt Andres. Fusionen hält er indes nur bedingt als Wachstumstreiber geeignet: Es sei schwierig, sich vom Schnellboot zum Tanker zu entsere Aufgabe geht weit über eine reine Bilanzsanierung hinaus: Wir sind es gewohnt, neben der Beratung vor allem zu agieren und Lösungen zu finden.“
Genau hier setzt auch Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht mit seiner Kritik an: „In jeder Restrukturierung, in der das Gericht eingeschaltet wird, muss der Restrukturierungsbeauftragte eine von den Parteien unabhängige Person sein. Nur so ist die gebotene Transparenz und Fairness gewährleistet. Ohne Transparenz drohen uns möglicherweise Gutachter-Schlachten. Ich rechne außerdem damit, dass es eine Renaissance von Forderungsverkäufen der Banken geben wird.“
Auch Andres plädiert dafür, dass die Branche ihre Stärken mehr in den Vordergrund stellen muss: „Verwalter können viel mehr als nur rechtlich agieren. Wir prüfen mit unseren Mandanten in der Beratung stets alle uns zur Verfügung stehenden Optionen. Gemeinsam besprechen wir, ob eine Restrukturierung auf dem Weg einer Eigenverwaltung sinnvoll ist oder ob die Probleme auch ohne ein Verfahren gelöst werden können.“ wickeln. „Die Marktkonzentration ist da“, stellt Fink fest. Die Kanzleien müssten sich auf neue Herausforderungen einstellen. Die Zeiten bleiben spannend.