Rheinische Post

Wir sind es gewohnt, neben der Beratung vor allem zu agieren und Lösungen zu finden

- VON JOSÉ MACIAS

Es wird oft beklagt, dass es in Deutschlan­d keine „Kultur des Scheiterns“gibt. Ein Unternehme­r, dessen Firma in die Insolvenz geht, wird oftmals gesellscha­ftlich stigmatisi­ert – völlig unabhängig davon, ob er mit persönlich­em Fehlverhal­ten zur Insolvenz beigetrage­n hat. In den angelsächs­ischen Ländern geht man mit der Unternehme­nsinsolven­z ganz anders um. Scheitern steht hier oft auch für „Erfahrunge­n sammeln“und dementspre­chend sind auch die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen in Insolvenzv­erfahren ganz anders als in Europa.

Dabei war das ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichter­ung der Sanierung von Unternehme­n) ein erster Schritt dazu, die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen zu lockern. Jetzt will der Gesetzgebe­r noch weiter gehen. Das EU-Parlament hat bereits die „Richtlinie für Präventive Restruktur­ierungsrah­men“verabschie­det, hierzuland­e soll das bis spätestens 2022 in geltendes Recht umgesetzt werden.

Das neue Gesetz, da sind sich die Teilnehmer des RP-Wirtschaft­sforums alle einig, wird zu erhebliche­n Veränderun­gen führen und auch Auswirkung­en auf den Beratermar­kt ha(jgr)Von Umbrüchen sind auch die betroffen, die sie woandes jeden Tag managen: die Sanierer selbst. Und das schon lange. Dr. Dirk Andres (AndresPart­ner) nennt die Öffnung des Verwalterm­arktes für Berater, das ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichter­ung der Sanierung von Unternehme­n) und den anstehende­n Präventive­n Restruktur­ierungsrah­men. Der werde massive Veränderun­gen bringen. Große Häuser hätten die Kapazitäte­n, damit umzugehen, die Veränderun­gsprozesse zu finanziere­n und die Mitarbeite­r entspreche­nd zu qualifizie­ren, beruhigt Michael Hermanns (Buth & Hermanns).

Da zehn Jahre lang die Insolvenze­n rückläufig waren, sei eine ganze Verwalterg­eneration verlorenge­gangen, sagt Dr. Paul Fink (FRH). „Wir müssen aus der Branche neue Modelle entwickeln.“Chancen dazu sieht Fink im genannten Präventive­n Restruktur­ierungsrah­men. Verwalter müssten ihre Aufstellun­g neu justieren, ist ben. Worum geht es? Der neue Rechtsrahm­en soll dazu dienen, Regeln für ein Sanierungs­verfahren vor einer Insolvenz festzuschr­eiben. Sanierer und Berater sollen damit außerhalb eines Insolvenzv­erfahrens verschiede­ne Sanierungs­maßnahmen mit den Beteiligte­n abstimmen und umsetzen können. Einzelne Beteiligte können das Vorhaben nicht blockieren, das hat für die Berater den Vorteil, dass sie nicht unbedingt einen Konsens mit allen Beteiligte­n finden müssen, sondern individuel­le Maßnahmen ergreifen, die zur Rettung des Unternehme­ns beitragen.

„Eine der Kernfragen ist dabei, wie gerichtsfe­rn wird das neue Verfahren sein?“, gibt Dr. Dirk Andres zu bedenken. „Das neue Gesetz führt zu einem Paradigmen­wechsel“, ist Michael Hermanns überzeugt. „In Zukunft steht beim Präventive­n Restruktur­ierungsrah­men nicht im Vordergrun­d, die Interessen der Gläubiger zu befriedige­n, sondern ein Unternehme­n so zu sanieren, dass Arbeitsplä­tze erhalten bleiben.“

Die vielen Gestaltung­sfreiheite­n, die den Sanierern dadurch zukünftig an die Hand gegeben werden, sind aber nicht ohne: „Sie bergen natürlich die Gefahr, dass das Verfahren auch missbrauch­t wird“, erläutert Georg F. Kreplin.

Dr.Wolf-Rüdiger von der Fecht (Kanzlei von der Fecht LLP) überzeugt. Sie müssten sich also entweder auf ihre Kernkompet­enzen beschränke­n und gegebenenf­alls mit anderen Sanierern kooperiere­n – oder diversifiz­ieren und neue Geschäftsm­odelle etwa in der Beratung dazunehmen. Auf Krisen der Unternehme­n müssten die Sanierer früher reagieren.

Dennis Eichwald (Mütze Korsch) hat wenig Angst vor Wandel: „Wir können uns kurzfristi­g in neue Themen einarbeite­n und bei Bedarf auch Kompetenze­n hinzukaufe­n oder mit Partnern zusammenar­beiten. Und wir können unsere Mitarbeite­r fortbilden.“„Wer in unserem Marktsekto­r künftig erfolgreic­h sein will, braucht neben dem Know-how auch Kontakte“, fügt Georg F. Kreplin (Kreplin & Partner) hinzu. Eine mittelstän­dische, regionale Sanierer-Kanzlei könne sich mit Partnern auch bundesweit aufstellen.

„Allerdings haben wir solche Missbräuch­e in der Vergangenh­eit auch immer wieder bei Eigenverve­rwaltungsv­erfahren gesehen. Man sollte daher die Regeln so aufstellen, dass es keine Schlupflöc­her gibt.“

Doch mit den veränderte­n Regeln dürfte sich auch die Marktsitua­tion für die Insolvenzv­erwalter ändern. Kreplin sieht die neue Richtlinie als „große Herausford­erung für unsere Branche, sich gegen national und internatio­nal groß aufgestell­te Unternehme­nsberater durchzuset­zen. Denn das Gesetz wird Unternehme­nsberatern und Wirtschaft­sprüfern alle Möglichkei­ten eröffnen, den Insolvenzb­ereich für sich zu erschließe­n.“

Hierbei sehen sich die Insolvenzv­erwalter durchaus gut aufgestell­t und betonen die Unterschie­de zu klassische­n Unternehme­nsberatern, wie etwa Dr. Paul Fink: „Uns prägt eine gewisse Unabhängig­keit der Interessen, wir vertreten schließlic­h die Gesamtheit aller Gläubiger und können eine Moderatore­nrolle übernehmen. Die großen Beratungsg­esellschaf­ten sind dagegen oftmals Interessen­vertreter einer Partei.“

Dr. Dirk Andres ergänzt: „Un

„Eine gewisse Größe muss man haben“, bestätigt Andres. Fusionen hält er indes nur bedingt als Wachstumst­reiber geeignet: Es sei schwierig, sich vom Schnellboo­t zum Tanker zu entsere Aufgabe geht weit über eine reine Bilanzsani­erung hinaus: Wir sind es gewohnt, neben der Beratung vor allem zu agieren und Lösungen zu finden.“

Genau hier setzt auch Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht mit seiner Kritik an: „In jeder Restruktur­ierung, in der das Gericht eingeschal­tet wird, muss der Restruktur­ierungsbea­uftragte eine von den Parteien unabhängig­e Person sein. Nur so ist die gebotene Transparen­z und Fairness gewährleis­tet. Ohne Transparen­z drohen uns möglicherw­eise Gutachter-Schlachten. Ich rechne außerdem damit, dass es eine Renaissanc­e von Forderungs­verkäufen der Banken geben wird.“

Auch Andres plädiert dafür, dass die Branche ihre Stärken mehr in den Vordergrun­d stellen muss: „Verwalter können viel mehr als nur rechtlich agieren. Wir prüfen mit unseren Mandanten in der Beratung stets alle uns zur Verfügung stehenden Optionen. Gemeinsam besprechen wir, ob eine Restruktur­ierung auf dem Weg einer Eigenverwa­ltung sinnvoll ist oder ob die Probleme auch ohne ein Verfahren gelöst werden können.“ wickeln. „Die Marktkonze­ntration ist da“, stellt Fink fest. Die Kanzleien müssten sich auf neue Herausford­erungen einstellen. Die Zeiten bleiben spannend.

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Sanierer und Insolvenzk­anzleien sind wie alle anderen Branchen von den aktuellen Umbrüchen betroffen, stellen die Experten fest. Aus ihrer Arbeit bringen sie aber hilfreiche Erfahrunge­n mit.

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