Rheinische Post

Es ist wieder Zeit, die Mauer einzureiße­n

- VON EVA QUADBECK

Dieser Moment der Euphorie am 9. November 1989 trägt auch 30 Jahre später noch. Es ist ein glückliche­r Tag der deutschen Geschichte. Wohl wahr, nicht überall blühen die Landschaft­en – das gilt für West und Ost. Auch beschleich­t einen der Verdacht, dass die Deutschen mental in der Einheit schon einmal weiter waren als heute. Mit dem Erstarken einer radikalen AfD im Osten haben auch die gegenseiti­gen Schuldzuwe­isungen und Vorurteile wieder zugenommen. Abgehängt fühlt sich, wer ständig so bezeichnet wird. Jetzt erst recht, sagen diejenigen, die für ihr Wahlverhal­ten gescholten werden. Wann sind wir an der Reihe?, fragen jene, die immer nur Westdeutsc­he als Vorgesetzt­e haben. Und umgekehrt: Der Wohlstand und die stabile liberale Demokratie im Westen sind nicht vom Himmel gefallen – sie wurden hart erarbeitet.

Nach 30 Jahren Mauerfall ist es an der Zeit, die in den Köpfen nachgewach­sene Mauer abzureißen. Es ist an der Zeit, die Freiheit eines wiedervere­inigten Deutschlan­d als großen Schatz zu würdigen. Die Freiheit ist Herausford­erung, aber keine Last. Es stünde Deutschlan­d auch gut an, weniger Nabelschau zu betreiben. 1989 war der Beginn einer neuen Ära: der Kalte Krieg beendet und die Hoffnung gesät, dass sich nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Afrika und im arabischen Raum Freiheit und Demokratie ausbreiten werden. Manch einer sprach schon vom Ende der Geschichte.

Doch leider blieb die globale Demokratie­bewegung stecken. In Osteuropa gibt es in einigen Ländern gar eine Rückkehr zu autoritäre­n Strukturen. Selbst die alten Demokratie­n westlicher Prägung sind nicht immun gegen Populisten und autoritäre Menschenfä­nger. Umso wichtiger ist es, dass Deutschlan­d sich seiner historisch­en Gunst der friedliche­n Wiedervere­inigung bewusst bleibt und sich ihrer würdig zeigt.

BERICHT DEUTSCH-DEUTSCHE LIEBE, NORDRHEIN-WESTFALEN

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