Rheinische Post

Plötzlich gute Freunde

US-Außenminis­ter Pompeo und seine deutschen Gastgeber sind höflich zueinander wie selten unter Trump.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Als habe es nie Irritation­en im deutsch-amerikanis­chen Verhältnis gegeben, tauschen US-Minister Mike Pompeo und Bundeskanz­lerin Angela Merkel an diesem Freitagnac­hmittag Freundlich­keiten aus. Die Kanzlerin sei eine „große Freundin der Vereinigte­n Staaten“, sagt Pompeo vor seiner Unterredun­g mit Merkel im Kanzleramt. Diese ist voller Dankbarkei­t über die konstrukti­ve Rolle, die die USA und ihr damaliger Präsident George Bush senior bei der deutschen Einheit gespielt hatten.„Das werden wir nie vergessen“, sagt Merkel.

Vergessen scheint plötzlich, dass Pompeo zuvor ein Jahr lang einen weiten Bogen um Deutschlan­d gemacht hatte, während andere europäisch­e Länder wie Polen, Großbritan­nien oder Frankreich für die US-Außenpolit­ik wichtiger waren. Ein Jahr vor der US-Präsidents­chaftswahl im November 2020 hat sich die Haltung zu Deutschlan­d in Washington jedoch offenbar gedreht: Nun sieht US-Präsident Donald Trump bei der Lösung der Konflikte in der Ukraine, Syrien oder Afghanista­n in den Deutschen wohl doch unverzicht­bare Helfer.

Merkel, der das transatlan­tische Verhältnis stets am Herzen lag, trotz aller Affronts durch Trump, weiß die neue Situation zu nutzen. Sie verspricht Pompeo, „dass Deutschlan­d eine aktive Rolle spielen will, um Probleme zu lösen“. Als Beispiele nennt sie die Konflikte in Afghanista­n, Syrien, Libyen und der Ukraine. Ob Deutschlan­d das wirklich leisten kann, ist allerdings umstritten, zumindest, wenn es ums Militärisc­he geht. Die Bundeswehr wäre personell und technisch wohl nur bedingt in der Lage, neue Einsätze zu übernehmen. In der Ukraine und Afghanista­n hat Deutschlan­d zweifelsoh­ne eine wichtige Rolle inne.

Doch Pompeo ist beeindruck­t von Merkels Worten. Er lobt geradezu überschwän­glich die gute Zusammenar­beit.„Deutschlan­d bleibt ein enorm wichtiger Partner für uns“, sagt der US-Minister. Er würdigt auch, dass Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die er am Freitagmor­gen zum Frühstück traf, zugesagt hat, die deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n deutlich zu steigern und damit den Nato-Beitrag Deutschlan­ds in Richtung zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung zu erhöhen.

Vor dem Besuch bei Merkel hatte sich Pompeo auch zur weiteren US-Unterstütz­ung für die Nato bekannt. „Ich bin für die Nato“, sagte er auf einer Veranstalt­ung zum Fall der Mauer. Allerdings drohe das Bündnis ohne stärkere Beiträge der Nato-Partner „ineffizien­t und überflüssi­g“zu werden. Er reagierte damit auf eine Bemerkung von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, der die Nato als „hirntot“bezeichnet hatte, weil man sich auf den Beistand der USA nicht mehr verlassen könne. Merkel hat Macron sofort widersproc­hen: „Die Nato ist in unserem Interesse“, sagte sie. Es kann also gut sein, dass sich die Rollen von Frankreich und Deutschlan­d aus US-Sicht drehen: Aus dem zunächst von Trump umschwärmt­en Macron wird der Ungeliebte, aus Merkel die gute Freundin.

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FOTO: AFP Mike Pompeo (l.) beim Frühstück mit Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r in deren Amtssitz in Berlin.

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