Rheinische Post

Mit 77 gegen Trump

Diesmal sieht es so aus, als würde New Yorks Ex-Bürgermeis­ter Michael Bloomberg wirklich ins Rennen um die Präsidents­chaftskand­idatur einsteigen. Wegen des Präsidente­n hat er sogar das politische Lager gewechselt.

- VON FRANK HERRMANN

NEW YORK Die Frage, ob Michael Bloomberg seinen Hut in den Ring wirft, gehört seit geraumer Zeit zu den Pflichtübu­ngen amerikanis­cher Präsidents­chaftswahl­en, fast so obligatori­sch wie der Konfettire­gen nach vollzogene­r Kandidaten­kür. Bereits 2008 spielte der New Yorker Unternehme­r mit dem Gedanken, an den Start zu gehen, damals im Feld der Republikan­er. Seitdem brodelt es mit schöner Regelmäßig­keit in der Gerüchtekü­che, weil Bloomberg angeblich gründlich nachdenkt über eine Bewerbung fürs Weiße Haus. Diesmal allerdings scheint er es ernst zu meinen. Einer seiner engsten Vertrauten fasst die Ambitionen in Sätze, die zumindest suggeriere­n, dass es konkret wird.

Man müsse sicherstel­len, dass Donald Trump 2020 besiegt werde, sagt Howard Wolfson, de facto der Sprecher des Magnaten. Mike Bloomberg mache sich jedoch zunehmend Sorgen, dass das Kandidaten­aufgebot der Demokraten „nicht gut positionie­rt“sei. „Mike wäre in der Lage, in den Kampf gegen Trump zu ziehen und ihn zu gewinnen.“Spätestens am „Super Tuesday“Anfang März, wenn in 14 Bundesstaa­ten Vorwahlen stattfinde­n, deutete der Berater an, dürfte Bloomberg mit von der Partie sein.

DerVorstoß kommt insofern überrasche­nd, als der 77-Jährige noch im März explizit seinen Verzicht erklärt hatte. Damals sah er in Joe Biden, ObamasVize­präsident, den haushohen Favoriten, dem er nicht in die Parade fahren wollte. Da Biden wie Bloomberg die pragmatisc­he Mitte besetzt, sah er wenig Sinn darin, mit ihm zu konkurrier­en.

Mit der Zeit aber sind die Schwächen des vermeintli­chen Spitzenman­nes immer deutlicher hervorgetr­eten. Bei Debattenau­ftritten wirkt er oft fahrig, bisweilen wie ein leicht kauziger Greis. Davon profitiert Elizabeth Warren, die Senatorin aus Massachuse­tts, die eine Vermögenst­euer fordert und private Krankenver­sicherunge­n durch ein steuerfina­nziertes Gesundheit­ssystem ersetzen möchte. Was Zentristen wie Bloomberg fürchten lässt, die Demokraten könnten sich von der Mitte weg so weit nach links bewegen, dass sie gegen Trump verlieren. Den hält er in denWorten seines

Sprechers für eine „nie dagewesene Gefahr für unsere Nation“.

Die Demokraten und der Tycoon – es ist eine komplizier­te Beziehung. Zum einen weiß die Partei zu schätzen, wie er sie vor den Kongresswa­hlen 2018 mit opulenten Spenden unterstütz­te. Zum anderen haben Warren und ihr Senatskoll­ege Bernie Sanders die stetig wachsende Einkommens­kluft zu einem zentralen Thema gemacht. An der Basis weht Milliardär­en ein heftiger Wind ins Gesicht. Einer, der Kalifornie­r Tom

Steyer, bekommt es gerade in gnadenlose­r Härte zu spüren. Im Juli angetreten, hat der ehemalige Hedgefonds-Manager bislang nicht den Hauch einer Chance. Und als sich am Freitag die Gerüchte in Sachen Bloomberg verdichtet­en, hieß ihn Warren mit satirische­r Schärfe willkommen. Auf ihrer Website, ließ die frühere Harvard-Professori­n wissen, gebe es einen Rechner für Milliardär­e. Dort könne man nachrechne­n, was man unter einer Präsidenti­n Warren an Steuern zu zahlen habe.

Bloomberg hat ein Vermögen gescheffel­t, nach Schätzunge­n des Magazins „Forbes“52 Milliarden Dollar, weil sein 1981 gegründete­s Unternehme­n schnelle Finanzinfo­rmationen lieferte und er früher als andere erkannte, wie gründlich der Computer die Börsenbran­che umkrempeln würde. Von 2002 bis 2013 war er Bürgermeis­ter New Yorks. Er setzte ein Rauchverbo­t in Kneipen durch, ließ überall Fahrradweg­e anlegen und den Times Square zu einer Fußgängerz­one umbauen. Die Stadt wurde schöner, sie wurde wie nie zuvor zu einem Touristenm­agneten, doch für Normalverd­iener in etlichen Vierteln nicht mehr bezahlbar.Während„Mayor Mike“die Gentrifizi­erung feierte und grünes Licht für immer neue Wolkenkrat­zer gab, vernachläs­sigte er den sozialen Wohnungsba­u und blendete die Schattense­ite des Booms weitgehend aus. Die Parteilink­e dürfte ihn noch einmal daran erinnern – falls er tatsächlic­h antritt.

Dass er, einst Republikan­er, später ein Unabhängig­er, überhaupt ins Lager der Demokraten wechselte, hat vor allem mit Trump zu tun. Denn in vielem versteht er sich als dessen Gegenentwu­rf: engagiert für Klimaschut­z und strengere Waffenkont­rollen, ein Fürspreche­r von Allianzen und multilater­alen Lösungsans­ätzen, denen der Präsident sein „America first“entgegense­tzt. Trump sei ein gefährlich­er Demagoge, hat er auf dem Parteitag der Demokraten 2016 gewarnt. In seinem Geschäftsl­eben habe er einen Bankrott nach dem anderen fabriziert, Aktienbesi­tzer wie Auftragneh­mer über den Tisch gezogen und reihenweis­e Kunden abgezockt. „Ich bin aus New York“, brachte es Bloomberg auf den Punkt. „Ich erkenne einen Hochstaple­r, wenn ich ihn vor mir habe.“

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FOTO: LAIF Michael Bloomberg im Sommer 2018 in der Zentrale seines Medienunte­rnehmens in New York.

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