Rheinische Post

St. Martin und der Bettler sind Zwillinge

Die Zwillingsb­rüder Guido und Ingo Hoffmann schlüpfen zum Martinsfes­t in die traditione­llen Rollen. Einen Tausch der Aufgaben wird es wohl kaum geben. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

- VON JULIA BRABECK

KALKUM Guido Hoffmann hatte gezögert, als er gefragt wurde, ob er nicht die Rolle des St. Martin in Kalkum übernehmen könnte. Schließlic­h ist er bereits in anderenVer­einen des Dorfes wie dem Tambourcor­ps der Schützen aktiv. Doch als seine Frau Fide mahnend „Denk doch an die Kinder“sagte, hatte der 40-Jährige keine Chance mehr abzulehnen. Zumal der dreifache Familienva­ter geradezu prädestini­ert für diese Aufgabe ist. So ist der gelernte Pferdewirt, dem der Reitstall Hoffmann gehört, natürlich sattelfest und zudem mit den Bräuchen in Kalkum bestens vertraut. Denn Hoffmann ist dort groß geworden und betreibt in der sechsten Generation einen landwirtsc­haftlichen Betrieb. In diesem Jahr wird er nun das siebte Mal den St. Martin spielen.

Das Besondere daran ist aber, dass sein Zwillingsb­ruder Ingo im letzten Jahr die Rolle des Bettlers übernommen hat. Und auch wenn sich die beiden Brüder sehr ähneln, getauscht werden die Rollen nicht. Guido als Erstgebore­ner würde wohl kaum auf die herrschaft­liche Rolle verzichten wollen. Außerdem kann Ingo, der Geschäftsf­ührer der KKL Klimatechn­ik GmbH ist, nicht reiten und ist zudem recht zufrieden

mit der Aufgabe, den armen Mann zu spielen. „Wie die Kinder strahlen und das Geschehen einfach verfolgen und nicht hinterfrag­en, ist beeindruck­end.“Beschenkt von den Kindern wird er zudem. „Da ist es interessan­t zu sehen, wie sie erzogen wurden. Denn manche Kinder wollen die ganze Martinstüt­e mit mir teilen, während andere mit den Eltern heftig diskutiere­n, warum sie überhaupt etwas abgeben sollen.“

Da sich die Brüder gerne gegenseiti­g auf den Arm nehmen, kleine Sticheleie­n zwischen ihnen ausgeteilt werden, ist es nur gut, dass Guido als St. Martin einen Bart trägt. Denn grinsen muss er schon, wenn er seinem Bruder mit großer Geste einen Teil des Mantels überreicht. „Dafür muss er aber vorher ordentlich betteln“, sagt Guido und lacht. Er hat im vergangene­n Jahr eine alte Tradition nach mehr als 50 Jahren aufleben lassen und reitet als St. Martin wieder auf einem

Kaltblut durch die Gassen des Orts. „Das Ackerpferd passt besser zu unserem Dorf.“

Das Bewahren der Tradition zu St. Martins ist ein großes Anliegen. „Andere Vereine und Feste müssen sich verändern, um noch Anklang zu finden. Bei uns wünschen sich die Teilnehmer, dass alles so wie früher ist“, sagt Friedhelm Brücker, Vorsitzend­er des St.-Martins-Komitees Kalkum. Denn schließlic­h wird das Fest von vielen ehemaligen Kalkumern genutzt, um wieder in die Heimat zurückzuke­hren, die Familie zu besuchen und mit dieser im Anschluss an das Fest daheim zu feiern. Deshalb findet der Martinszug in Kalkum auch immer an einem Samstag statt. Etwa 2000 Leute, so viele Menschen wie Kalkum Einwohner hat, laufen dann durch den Ort. Wie sehr die Veranstalt­ung geschätzt wird, zeigt das hohe Spendenauf­kommen. Rund 700 Familien haben wieder in diesem Jahr für das Martinsfes­t gespendet. Da bleibt sogar immer ein Reinerlös über, der traditione­ll an das Montessori-Kinderhaus St. Lambertus, die Jugendfeue­rwehr Kalkum und an die Lebenshilf­e Düsseldorf „Projekt Krönerweg“gespendet wird. „Wir haben es rechtzeiti­g geschafft, einen Generation­enwechsel zu vollziehen“, sagt Brücker zufrieden. Denn neben den beiden Hoffmann-Brüdern engagiert sich nun auch Marc Brehmer, Sohn des letzten St.-Martin-Darsteller­s Gerd Brehmer, im Komitee. Eine Familientr­adition setzt auch Guido Hoffmann fort, denn sein Großonkel spielte viele Jahre den Heiligen Mann. Und die nächste Generation steht bereits in den Startlöche­rn. So helfen die zwei Töchter von Ingo beim Bestücken der Martinstüt­en. Brücker geht deshalb davon aus, dass die 110 Jahre alte Martinstra­dition in Kalkum noch lange Bestand haben wird.

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FOTO: ANNE ORTHEN Ingo Hoffmann, Pferd Campino und Guido Hoffmann (v.l.) werden wieder beim St. Martinsfes­t viele Familien erfreuen.

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