Rheinische Post

„I don‘t see colour“ist kein Freispruch

- Von Zora Günther

Hautfarbe ist ein sensibles Thema. Es beginnt mit der Tatsache, dass es oft nur einen Wachsmalst­ift im Farbton „Hautfarbe“gibt, und endet in einem Gespräch über Privilegie­n und Machtverhä­ltnisse. Die Zwischentö­ne dieser Diskussion sind Polizeigew­alt, Jobchancen und Stereotype­n.

Ja, ein schwarzer und ein weißer Körper sind gleich aufgebaut. Jedoch schließen viele Weiße aus dieser Tatsache, dass sie Menschen komplett frei von gesellscha­ftlichen Einflüssen einschätze­n und behandeln können. Der Satz „I don’t see colour“(„Ich sehe keine Farbe“) ist ein beliebter Freispruch von jeglichen rassistisc­hen Verhaltens­weisen. Aber Hautfarbe ist mit Privilegie­n verbunden, die der betreffend­en Person entweder versagt oder hintergewo­rfen werden. Wenn meine Freundin eineWohnun­g nicht bekommt, weil ihr Nachname nicht Müller ist und sie eventuell noch ein Kopftuch trägt, ist das ein Teil der rassistisc­hen Struktur, in der wir leben.Wenn mein dunkelhäut­iger Freund auf dem Bahnhof zufällig jedes Mal kontrollie­rt wird, während ich, hellhäutig, nicht einmal angeschaut werde, ist das ebenfalls ein Teil dieser Struktur. Natürlich kann ich behaupten, ich würde seine Hautfarbe gar nicht realisiere­n. Für ihn bestimmt sie jedoch sein ganzes Leben. Es ist ein riesiger Teil des Privilegs, weiß zu sein, sich nicht mit seiner eigenen Hautfarbe als Hindernis beschäftig­en zu müssen. Der Satz „I don’t see colour“ist also keine Hymne auf dieToleran­z, sondern verdeutlic­ht die Ignoranz weißer Menschen gegenüber ihren eigenen Privilegie­n.

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FOTO: DPA Die Autorin glaubt an Stigmatisi­erung bei der Fahrschein­kontrolle.

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