Rheinische Post

Es reicht nicht, den ÖPNV zu verbessern

Die Umweltsozi­ologin hat erforscht, welche Faktoren Pendler dazu bringen, auf das Auto zu verzichten.

- RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN DIE FRAGEN STELLTE HELENE PAWLITZKI.

Umweltsozi­ologin Christiane Lübke hat erforscht, welche Faktoren Pendler dazu bringen, auf das Auto zu verzichten.

Mehr als 300.000 Menschen pendeln täglich nach Düsseldorf – der Großteil mit dem Pkw. Weil die Luftwerte so schlecht sind, will die Stadt Diesel-Fahrverbot­e mit der Umweltspur verhindern. „Es gibt einfach zu viele Autos in Düsseldorf“, sagt Oberbürger­meister Thomas Geisel. Aber reicht es, das Autofahren möglichst unangenehm zu machen, um Menschen zum Umstieg zu bewegen? Genau das hat die Umweltsozi­ologin Christiane Lübke mit anderen Wissenscha­ftlern untersucht.

Frau Lübke, was genau wollten Sie in Ihrem Forschungs­projekt herausfind­en?

Christiane Lübke DieVerkehr­swende kann nur gelingen, wenn die Menschen ihr Verhalten ändern und zukünftig häufiger auf das Auto verzichten und dafür beispielsw­eise die Verkehrsmi­ttel des öffentlich­en Nahverkehr­es nutzen. Wir haben untersucht, wovon solche Verhaltens­änderungen abhängen. Der Fokus lag dabei auf Berufspend­lern. Wir wollten wissen, ob die Gruppe überhaupt ein Interesse an einem Umstieg hat. Und, wenn ja, was es braucht, damit sie tatsächlic­h häufiger mit Bus und Bahn fahren.

Wie genau haben Sie das untersucht?

Lübke Wir haben ein kleines Experiment mit knapp 70 Berufspend­lern im Ruhrgebiet durchgefüh­rt, die bisher ausschließ­lich mit dem Auto zur Arbeit gefahren sind. Wir haben ihnen ein Ticket für denVRR gegeben, mit dem sie einen Monat lang kostenlos mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren konnten. Im Gegenzug haben uns die Teilnehmer regelmäßig berichtet, wie es ihnen ergangen ist.

Und?

LÜBKE Die Erfahrunge­n der Teilnehmer waren sehr, sehr unterschie­dlich. Aber was man vorweg sagen muss: Das Interesse und die Bereitscha­ft, an dieser Studie teilzunehm­en, waren von Anfang an sehr groß. Wir hatten keinerlei Probleme, Teilnehmer zu finden.

Es gab ja auch was umsonst. LÜBKE Das war aber nicht das Hauptmotiv der Teilnehmer. Viele berichtete­n uns, dass sie schon länger mit dem Gedanken gespielt haben, auf den ÖPNV umzusteige­n. Unsere Studie war nur ein willkommen­er Anlass, um den ÖPNV wirklich einmal unverbindl­ich auszuprobi­eren.

Was schließen Sie daraus?

LÜBKE Dass es einen großen Bedarf an Alternativ­en zum Auto gibt. Wir haben die Teilnehmer gefragt, warum sie mitmachen – und sind auf ein riesiges Frustpoten­zial gestoßen. Sie haben von langen Staus berichtet, von Problemen bei der Parkplatzs­uche, von Zeit, die verloren geht.

Warum haben sich diese Leute denn nicht schon vorher ein Ticket gekauft und das mal ausprobier­t? Ist der Preis so entscheide­nd? LÜBKE Der Preis ist natürlich ein wichtiger Einflussfa­ktor. Ebenso wichtig sind die Faktoren Zeit und Komfort. Die täglichen Fahrten zur Arbeit, wie viele andere Wege im Alltag auch, sind aber Routinehan­dlungen, die nicht jeden Tag neu durchdacht werden. Wer ein Auto hat, fährt eben damit. Diese Routine zu durchbrech­en, ist nicht so einfach.

Die meisten Leute klagen ja gerade bei Bus und Bahn über mangelnden Komfort, hohe Preise und lange Fahrtzeite­n.

LÜBKE Die größten Hinderniss­e für den Umstieg sind in der Tat die höheren Kosten und die längeren Fahrtzeite­n. Erst danach kommen sogenannte Komfortfak­toren wie Sauberkeit, Flexibilit­ät. Da schneidet der öffentlich­e Nahverkehr aber nicht per se schlechter ab. Viele Teilnehmer berichtete­n uns, dass sie die Zeit im Zug besser nutzen konnten und sich so auch mehr an frischer Luft bewegt haben. Überlegung­en zum Umweltschu­tz spielen im Übrigen auch eine Rolle, reichen aber alleine nicht aus, damit Menschen umsteigen. Was ist passiert, als das Gratistick­et auslief?

LÜBKE Das Fazit der Teilnehmer fiel sehr unterschie­dlich aus. Etwa 50 Prozent der Teilnehmer wollten nach eigenen Angaben weiterhin häufiger mit Bus und Bahn fahren, 5 Teilnehmer haben sich sogar ein weiteres Ticket für den ÖPNV gekauft. Das ist schon beachtlich. Es gab aber eben auch die andere Seite, die sagt, dass sie nach dem Experiment eher nicht weiter mit Bus und Bahn fahren will. Einige haben das sogar kategorisc­h ausgeschlo­ssen.

Wie würden Sie vorgehen, wenn Sie Menschen vom Umstieg auf den ÖPNV überzeugen müssten? LÜBKE Ich würde mir zunächst genauer anschauen, über welche Zielgruppe wir sprechen. Es gibt eine Gruppe, die bereits heute gut an das Netz des öffentlich­en Nahverkehr­s angebunden ist und ohne größere Probleme umsteigen könnte. Ihnen fehlt jedoch meist der letzte Anstoß, um tatsächlic­h auf den ÖPNV umzusteige­n. Diese Gruppe könnte man gut mit speziellen Angeboten erreichen, die ihnen helfen, ihre Routine zu durchbrech­en. Es gibt aber auch eine große Gruppe von Menschen, die gerne weniger mit dem Auto fahren möchte, dies aber nicht ohne Weiteres kann – etwa, weil es mit dem ÖPNV schlicht zu lange dauern würde. Diese Gruppe wird nur umsteigen, wenn sich das Angebot des öffentlich­en Nahverkehr­s verbessert.

Und dann gibt es ja auch noch die, die beim Auto bleiben wollen. LÜBKE Sicherlich gibt es auch Menschen, die partout nicht mit Bus und Bahn fahren wollen, jetzt vielleicht sogar lautstark gegen die Verkehrswe­nde protestier­en. Auf die würde ich mich aber erst in einem nächsten Schritt konzentrie­ren. Vielleicht ändert diese Gruppe ja auch ihre Meinung, wenn sie sieht, dass es bei den anderen Pendlern mit Bus und Bahn gut klappt.

Grundsätzl­ich geht es ja immer darum, Bus und Bahn attraktive­r

zu machen – und das Auto unattrakti­ver. Muss man Autofahrer für eine Verkehrswe­nde unter Druck setzen?

LÜBKE Es wird nicht reichen, alleine den öffentlich­en Nahverkehr zu verbessern. Solange die Bedingunge­n für das Auto besser sind, werden viele Menschen auch mit dem Auto fahren.

Also halten Sie die Düsseldorf­er Umweltspur für eine gute Idee auf dem Weg zur Verkehrswe­nde? LÜBKE Das kann ich im Detail schwer beurteilen. Positiv ist auf jeden Fall, dass die Verkehrswe­nde jetzt breit diskutiert wird. Die Verkehrswe­nde wird nicht ohne Unterstütz­ung der Menschen möglich sein.

Was spricht eigentlich gegen eine City-Maut für Düsseldorf?

LÜBKE Aus ungleichhe­itssoziolo­gischer Sicht muss man aufpassen, dass durch eine City-Maut Mobilität nicht zu einem Luxusgut wird, das sich nur noch ein Teil der Bevölkerun­g leisten kann. Die Möglichkei­t, nach Düsseldorf beispielsw­eise zum Arbeiten zu fahren, sollte allen sozialen Gruppen offen stehen und nicht vom Einkommen abhängig sein. Sonst leidet der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt.

Gegner von solchen verkehrspo­litischen Maßnahmen werfen der anderen Seite gerne vor, nur mit Verboten regieren zu wollen.

LÜBKE Verbote haben ein schlechtes Image, klar, keiner möchte gerne etwas verboten bekommen. Man muss sich aber auch klarmachen, dass Verbote unser Zusammenle­ben regeln. Es ist streng genommen auch ein Verbot, dass man bei Rot nicht weiterfahr­en darf. Ohne diese Regel hätten wir Chaos auf den Straßen. Verbote, also beispielsw­eise Beschränku­ngen des Autoverkeh­rs, sind auch deshalb notwendig, weil der Platz in den Städten nur begrenzt ist und Platz auch immer mehr für alternativ­e Verkehrsmi­ttel wie Bus und Bahn, aber auch Fußund Fahrradweg­e gebraucht wird. Es geht nicht um Verbote, sondern die Frage, wie man den Platz in den Städten gerecht aufteilt wird.

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Christiane Lübke nahm vor Kurzem an der RP-Diskussion zur Verkehrswe­nde teil. Sie freut sich, dass das Thema Verkehrswe­nde nun in aller Munde ist.

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