Rheinische Post

Durchbruch bei der Grundrente

Nach monatelang­em Streit hat sich die große Koalition auf das Konzept einer Grundrente geeinigt. Geprüft wird bei Empfängern nicht die Bedürftigk­eit – wohl aber das Einkommen.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Bis zu 1,5 Millionen Menschen sollen ab 2021 von der Grundrente profitiere­n. Nach monatelang­em Streit haben Union und SPD am Sonntagnac­hmittag einen Kompromiss gefunden. Statt der ursprüngli­ch im Koalitions­vertrag vorgesehen­en Bedürftigk­eitsprüfun­g soll nun nur eine Einkommens­prüfung stattfinde­n.„Dabei gilt ein Einkommens­freibetrag in Höhe von 1250 Euro für Alleinsteh­ende und 1950 Euro für Paare“, heißt es im Beschlussp­apier des Koalitions­ausschusse­s.

Wer also ein Alterseink­ommen bezieht, das unter dieser Grenze liegt, und zudem 35 Beitragsja­hre geleistet hat, der wird die Grundrente bekommen. Deren Höhe hängt von den gezahlten Beiträgen ab. Die Kosten werden zwischen einer und 1,5 Milliarden Euro pro Jahr liegen. Genauer konnten es die Verhandler noch nicht beziffern.

Die Spitzen der Koalition zeigten sich nach fast siebenstün­digen Verhandlun­gen im Kanzleramt erleichter­t. „Der Knoten ist durchschla­gen“, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und sprach von einer „guten Lösung“. Die kommissari­sche SPD-Chefin Malu Dreyer nannte die Einigung einen „sozialpoli­tischen Meilenstei­n“. CSU-Chef Markus Söder sagte: „Es gibt keinen Grund mehr, über den Fortbestan­d der Koalition zu diskutiere­n.“

Der Streit um die Grundrente hatte sich in den vergangene­n Wochen zur Existenzfr­age der Regierung zugespitzt. Allerdings müssen nun noch die Parteigrem­ien dem Kompromiss und vor allem die Fraktionen dem noch nicht fertigen Gesetzentw­urf zustimmen.

Am Sonntag hatten sich die Koalitions­spitzen um 10 Uhr im Kanzleramt getroffen. Kurz vor der entscheide­nden Runde kam es abermals zum Schlagabta­usch um die Bedürftigk­eitsprüfun­g. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sagte: „Die Hubertus-Heil-Konfettika­none, mit der er einfach Geld verteilen will, wird nicht abgefeuert.“Für denWirtsch­aftsflügel der Union beharrte Carsten Linnemann auf einer Bedürftigk­eitsprüfun­g. Während der „harten Verhandlun­gen“sei die Atmosphäre „sachlich“und „gut“gewesen, versichert­en Teilnehmer.

Kramp-Karrenbaue­r verwies darauf, dass der Koalitions­ausschuss auch ein „Signal für wirtschaft­liche Dynamik“setzen wolle. Als Reaktion auf die sich eintrübend­e Konjunktur verständig­ten sich die Spitzen von Union und SPD auf Impulse für Unternehme­n und Arbeitnehm­er. So soll der Beitragssa­tz zur Arbeitslos­enversiche­rung um 0,2 Prozentpun­kte auf 2,4 Prozent gesenkt werden – befristet bis Ende 2022. In Zukunftste­chnologien sollen über einen Fonds der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) zehn Milliarden Euro investiert werden.

Auch ein Herzensthe­ma der Union wird angegangen: Empfänger von Betriebsre­nten oder einer betrieblic­hen Altersvers­orgung sollen Erleichter­ungen bei der sogenannte­n Doppelverb­eitragung bekommen – die auf die Altersvers­orgung fälligen Krankenver­sicherungs­beiträge sollen sinken. Zudem sollen Arbeitnehm­er mit einem Einkommen von bis zu 2200 Euro brutto für die betrieblic­he Altersvors­orge höhere Förderbetr­äge bekommen.

Mit der Einigung auf die Grundrente beendet die Koalition einen Streit, der seit mehr als einem Jahrzehnt schwelte. Bereits die schwarz-gelbe Bundesregi­erung unter Angela Merkel (2009 bis 2013) hatte mit der sogenannte­n Lebensleis­tungsrente ein ähnliches Konzept im Koalitions­vertrag verankert, konnte sich aber nicht auf die Umsetzung einigen.

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