Ein Zuhause für die Kunst
Die Künstlerin Ute Debus wohnt und arbeitet im Zooviertel. Viel Platz braucht sie für ihre großformatigen Collagen.
Die Künstlerin Ute Debus wohnt und arbeitet im Zooviertel. Viel Platz braucht sie für ihre großformatigen Collagen.
Eine unscheinbare Wohnstraße im Zooviertel, vorbei an einem Imbiss mit einem einzigen Gast am Fenster. Ein paar Autos kreisen in ständiger Parkplatzsuche. Das Backsteinhaus stammt aus den 1950-er Jahren, drei Stockwerke und ein Treppenhaus, dessen letzte Renovierung schon eineWeile her ist. Aber dann das: Im zweiten Stock eine Farb-Explosion, schon vor der Wohnungstür – Hingucker und Wegweiser gleichermaßen. Und eine Bewohnerin (gelbe Hose, rostfarbener Pullover, strahlender Blick), die sich hier eine ganz eigene Welt geschaffen hat. „Kommen Sie doch herein!“
Wohin zuerst schauen? Egal, wohin der Blick schweift, überall ist in dieserWohnung das Lebenswerk einer Künstlerin zu sehen, die ihren 82. Geburtstag bereits gefeiert hat – das Werk einer jungen Wilden. Wie viel an Phantasie und Kraft muss sich in diesem Leben angesammelt haben? Sie sagt dazu: „Die Kreativität muss immer noch raus“.
In die Wiege gelegt wurde die Kunst Ute Debus sicher nicht. Auch wenn da schon früh ein Gefühl war, das sie zur Außenseiterin in der Familie machte. „Aber erst mal war ich brav und wurde Buchhändlerin“, ganz nach dem Wunsch der Eltern. Doch nebenbei nahm sie erst heimlich, später auch offiziell Schauspielunterricht – und spielte auf etlichen Bühnen. Dann bekam sie zwei Kinder, war bald Alleinerziehende, musste Geld verdienen. „Aber in meinen Jobs habe ich mich immer gelangweilt“, also begann sie abends zu malen. Der Zeitvertreib entwickelte sich zur lebenslangen Leidenschaft.
Die Anfänge sind in ihrem Wohnzimmer zu sehen: „Meine Landschaften der Seele“, Aquarelle – Leichtgewichte, verglichen mit dem, was folgen sollte. Denn bekannt wurde Ute Debus mit ihren großformatigen Collagen, mit ihrer „PappArt“. Da nimmt sie Fundstücke (gern auch mal einen alten Glitzerschuh), Papier, Pappe, Stoffe, Fotografien aus Zeitschriften und Büchern, setzt all diese Fragmente neu zusammen, oft zu geheimnisvollen Stadtlandschaften mit zerrissenen Strukturen und verletzten Oberflächen. Manchmal glaubt man, ein verlassenes Bergdorf irgendwo in Italien zu erkennen, in anderen Kompositionen ist ein Kö-Schild zu sehen und andere Düsseldorf-Fragmente – allemal wilde Kompositionen, meist übermalt. Sie spricht von ihren „Ex- und Hopp-Materialien“, die ihr manchmal im Supermarkt, manchmal in der Natur begegnen und die in ihren Collagen aufeinandertreffen. Und bei denen ihr jedes Mittel recht ist, wie ihre Objekte zeigen, die auf alten Sicherungskästen oder ausrangiertenWeinkartons entstanden sind. „Könnte man mal in einem Weinladen ausstellen.“
Zum ersten Mal öffentlich zeigte sie ihre Collagen 1980, bis heute folgten etwa 140 Ausstellungen im In- und Ausland. Wer heute die Bilderwelten von Ute Debus sehen will, muss während der„Kunstpunkte“zu ihr in diese gut 90 Quadratmeter große Atelierwohnung kommen: zwei offene Räume, die sie alsWohnund Schlafzimmer nutzt, angefüllt mit Erinnerungsstücken ihres Lebens, bewacht von Engeln in Variationen – „ich hab‘ eine Schwäche für meine Engelchen.“Wichtigster Raum ist ihr Atelier, in dem sie immer noch jeden Tag arbeitet. Verlassen kann sie dieseWohnung nur unter Mühen und mit Hilfe, denn nach einem Sturz und mehreren Operationen ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen.
Ihre Mobilität ist dadurch eingeschränkt, ihre Kreativität nicht: „Ich kann nicht aufhören Kunst zu machen.“Auch wenn in ihrer Wohnung keine freie Wand mehr zu finden ist und längst in einer ehemaligen Waschküche ein großer Teil des Werks eingelagert ist. Gern würde sie mit ihren Fähigkeiten andere Menschen inspirieren, „ich könnte mir vorstellen, Unterricht zu geben.“Genug Energie hat sie allemal, und ihren positiven Blick auf dieWelt würde sie auch gern mit anderen teilen. Wie sieht sie ihr Leben im Rückspiegel? „Es war eigentlich immer ein Überlebenskampf“, sagt sie. Aber dann kommt wieder dieses strahlende Lächeln. „Mein Leben war oft ein Wagnis. Und es war immer intensiv.“