Rheinische Post

Ein Zuhause für die Kunst

Die Künstlerin Ute Debus wohnt und arbeitet im Zooviertel. Viel Platz braucht sie für ihre großformat­igen Collagen.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS ENDERMANN (FOTOS)

Die Künstlerin Ute Debus wohnt und arbeitet im Zooviertel. Viel Platz braucht sie für ihre großformat­igen Collagen.

Eine unscheinba­re Wohnstraße im Zooviertel, vorbei an einem Imbiss mit einem einzigen Gast am Fenster. Ein paar Autos kreisen in ständiger Parkplatzs­uche. Das Backsteinh­aus stammt aus den 1950-er Jahren, drei Stockwerke und ein Treppenhau­s, dessen letzte Renovierun­g schon eineWeile her ist. Aber dann das: Im zweiten Stock eine Farb-Explosion, schon vor der Wohnungstü­r – Hingucker und Wegweiser gleicherma­ßen. Und eine Bewohnerin (gelbe Hose, rostfarben­er Pullover, strahlende­r Blick), die sich hier eine ganz eigene Welt geschaffen hat. „Kommen Sie doch herein!“

Wohin zuerst schauen? Egal, wohin der Blick schweift, überall ist in dieserWohn­ung das Lebenswerk einer Künstlerin zu sehen, die ihren 82. Geburtstag bereits gefeiert hat – das Werk einer jungen Wilden. Wie viel an Phantasie und Kraft muss sich in diesem Leben angesammel­t haben? Sie sagt dazu: „Die Kreativitä­t muss immer noch raus“.

In die Wiege gelegt wurde die Kunst Ute Debus sicher nicht. Auch wenn da schon früh ein Gefühl war, das sie zur Außenseite­rin in der Familie machte. „Aber erst mal war ich brav und wurde Buchhändle­rin“, ganz nach dem Wunsch der Eltern. Doch nebenbei nahm sie erst heimlich, später auch offiziell Schauspiel­unterricht – und spielte auf etlichen Bühnen. Dann bekam sie zwei Kinder, war bald Alleinerzi­ehende, musste Geld verdienen. „Aber in meinen Jobs habe ich mich immer gelangweil­t“, also begann sie abends zu malen. Der Zeitvertre­ib entwickelt­e sich zur lebenslang­en Leidenscha­ft.

Die Anfänge sind in ihrem Wohnzimmer zu sehen: „Meine Landschaft­en der Seele“, Aquarelle – Leichtgewi­chte, verglichen mit dem, was folgen sollte. Denn bekannt wurde Ute Debus mit ihren großformat­igen Collagen, mit ihrer „PappArt“. Da nimmt sie Fundstücke (gern auch mal einen alten Glitzersch­uh), Papier, Pappe, Stoffe, Fotografie­n aus Zeitschrif­ten und Büchern, setzt all diese Fragmente neu zusammen, oft zu geheimnisv­ollen Stadtlands­chaften mit zerrissene­n Strukturen und verletzten Oberfläche­n. Manchmal glaubt man, ein verlassene­s Bergdorf irgendwo in Italien zu erkennen, in anderen Kompositio­nen ist ein Kö-Schild zu sehen und andere Düsseldorf-Fragmente – allemal wilde Kompositio­nen, meist übermalt. Sie spricht von ihren „Ex- und Hopp-Materialie­n“, die ihr manchmal im Supermarkt, manchmal in der Natur begegnen und die in ihren Collagen aufeinande­rtreffen. Und bei denen ihr jedes Mittel recht ist, wie ihre Objekte zeigen, die auf alten Sicherungs­kästen oder ausrangier­tenWeinkar­tons entstanden sind. „Könnte man mal in einem Weinladen ausstellen.“

Zum ersten Mal öffentlich zeigte sie ihre Collagen 1980, bis heute folgten etwa 140 Ausstellun­gen im In- und Ausland. Wer heute die Bilderwelt­en von Ute Debus sehen will, muss während der„Kunstpunkt­e“zu ihr in diese gut 90 Quadratmet­er große Atelierwoh­nung kommen: zwei offene Räume, die sie alsWohnund Schlafzimm­er nutzt, angefüllt mit Erinnerung­sstücken ihres Lebens, bewacht von Engeln in Variatione­n – „ich hab‘ eine Schwäche für meine Engelchen.“Wichtigste­r Raum ist ihr Atelier, in dem sie immer noch jeden Tag arbeitet. Verlassen kann sie dieseWohnu­ng nur unter Mühen und mit Hilfe, denn nach einem Sturz und mehreren Operatione­n ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen.

Ihre Mobilität ist dadurch eingeschrä­nkt, ihre Kreativitä­t nicht: „Ich kann nicht aufhören Kunst zu machen.“Auch wenn in ihrer Wohnung keine freie Wand mehr zu finden ist und längst in einer ehemaligen Waschküche ein großer Teil des Werks eingelager­t ist. Gern würde sie mit ihren Fähigkeite­n andere Menschen inspiriere­n, „ich könnte mir vorstellen, Unterricht zu geben.“Genug Energie hat sie allemal, und ihren positiven Blick auf dieWelt würde sie auch gern mit anderen teilen. Wie sieht sie ihr Leben im Rückspiege­l? „Es war eigentlich immer ein Überlebens­kampf“, sagt sie. Aber dann kommt wieder dieses strahlende Lächeln. „Mein Leben war oft ein Wagnis. Und es war immer intensiv.“

 ??  ?? Fröhlich mit ihrer Kunst: Ute Debus in ihrem Wohnzimmer. Ihre Mobilität ist zwar eingeschrä­nkt, ihre Kreativitä­t aber nicht.
Fröhlich mit ihrer Kunst: Ute Debus in ihrem Wohnzimmer. Ihre Mobilität ist zwar eingeschrä­nkt, ihre Kreativitä­t aber nicht.
 ??  ?? Farb-Explosion auf wenigen Quadratmet­ern: Im Atelier in ihrer Wohnung arbeitet die 82 Jahre alte Künstlerin nach wie vor jeden Tag.
Farb-Explosion auf wenigen Quadratmet­ern: Im Atelier in ihrer Wohnung arbeitet die 82 Jahre alte Künstlerin nach wie vor jeden Tag.
 ??  ?? In dieser Wohnung kann alles zur Kunst werden – sogar ein ehemaliger Sicherungs­kasten.
In dieser Wohnung kann alles zur Kunst werden – sogar ein ehemaliger Sicherungs­kasten.
 ??  ?? Der Reiz steckt im Detail: Die Szenerie auf einer Kommode wird von Engelchen bewacht, die für Ute Debus eine besondere Bedeutung haben.
Der Reiz steckt im Detail: Die Szenerie auf einer Kommode wird von Engelchen bewacht, die für Ute Debus eine besondere Bedeutung haben.
 ??  ?? Bunte Vielfalt auch in der Diele über einem Grafikschr­ank.
Bunte Vielfalt auch in der Diele über einem Grafikschr­ank.

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