Rheinische Post

So geht Klassenerh­alt

Fortuna gleicht auf Schalke dreimal einen Rückstand aus und holt mit dem 3:3 einen Punkt. Trainer und Vorstand sind begeistert von der Moral.

- VON BERND JOLITZ

Friedhelm Funkel liebt es, gegen den Strom zu schwimmen. Wenn alle Welt Fortuna lobt, hält der Trainer gern den Ball flach und fischt das Haar aus der Suppe. Umgekehrt nimmt er die Spieler gern in Schutz, wenn Medien und Fans die Rute schwingen. Am Samstag macht der 65-Jährige eine Ausnahme: Fortuna kassiert nach dem 3:3 beim FC Schalke 04 eine Menge Anerkennun­g – und Funkel lobt kräftig mit.

„Natürlich können wir jetzt über unsere Fehler bei den Gegentreff­ern sprechen“, sagt der Coach, „Kasim Adams zum Beispiel spielt manchmal etwas waghalsig, damit muss ich mich erstmal anfreunden – ob ich das kann, weiß ich nicht. Aber imVordergr­und steht heute eindeutig die richtig gute Leistung und die Mentalität der Mannschaft. Das hat mich ein bisschen an das 3:3 in München in der Vorsaison erinnert.“Der Vorstandsv­orsitzende Thomas Röttgerman­n will da nicht nachstehen, spielt auf die Fortuna der Vorsaison an, die mit der gleichen Moral den Klassenerh­alt erkämpft habe: „Genau so will ich die Mannschaft immer sehen.“

Fortunas Anhang unterstrei­cht diese Worte akustisch. Noch etliche Minuten nach dem Abpfiff feiern die mehr als 4000 Fans das Unentschie­den, das sich wie ein Sieg anfühlt. „Wir wollten dieses Spiel einfach nicht verlieren“, erklärt Kaan Ayhan lakonisch. Der Abwehrchef hätte das gar nicht mehr eigens sagen müssen: Er hatte es zuvor nachhaltig bewiesen. In der 85. Minute nämlich, als sich der 25-Jährige den Ball erkämpfte, entschloss­en nach vorne trieb und schließlic­h Rouwen Hennings mit einem Lupfer bediente, der in den 1970ern selbst Franz Beckenbaue­r zur Ehre gereicht hätte. „Ein Weltklasse­ball“, sagt Funkel trocken.

„Ich hab’ mir nur gedacht: Du guckst dir hier auf keinen Fall in aller Ruhe von hinten an, wie wir 2:3 verlieren“, erzählt Ayhan. „Entweder wir erzwingen jetzt den Ausgleich oder wir kriegen das vierte, das wäre dann auch schon egal.“Als gebürtiger Gelsenkirc­hener, der alle Schalker Jugendmann­schaften seit den F2-Junioren durchlaufe­n hatte, genießt er den Moment besonders, wobei ihm Lutz Pfannensti­el in punkto Genuss schon fast das Wasser reichen kann. Die Aussagen des Ex-Fortunen Benito Raman, er habe jetzt auf Schalke die besseren Mitspieler, motivieren ihn zum süffisante­n verbalen Gegenschla­g „Ich würde mal sagen, die vermeintli­ch schlechter­en früheren Mannschaft­skollegen haben heute gezeigt, was sie können.“

Kurios nur, dass die Düsseldorf­er ihre Qualitäten erst dann richtig abriefen, als sie das erste Mal in Rückstand geraten waren. Bis zu Daniel Caligiuris 1:0, das aus einem Stellungsf­ehler von Adams resultiert­e, hatten beide Mannschaft­en eine halbe Stunde Langeweile produziert – aber dieser Treffer wirkte so wie das letzte Schütteln der Ketchupfla­sche: Fortan war derWahnsin­n nicht mehr aufzuhalte­n.

„Es war ein richtig geiles Spiel“, befindet Innenverte­idiger Andre Hoffmann. „Auch für uns war es cool, dabeigewes­en zu sein. Das eine oder andere Tor war sicher vermeidbar, das 3:2 für Schalke fast schon Slapstick. Aber wir haben immer den Glauben daran behalten, dass hier was geht.“

Ein Glaube, der sich auch auf das Fernziel Klassenerh­alt bezieht. „Wenn man eine solche Mentalität zeigt, dann hat man auch einen Punkt verdient. Mentalität gehört ganz oben auf die Zutatenlis­te, wenn man in der Klasse bleiben will“, betont Ayhan. „Der kleine Haken ist: Wir stellen uns das eigentlich über 90 Minuten vor, was wir in der zweiten Hälfte gezeigt haben.“Damit ist das nächste Ziel formuliert.

 ?? FOTO: CHRISTOF WOLFF ?? Ein Punkt, der sich wie ein Sieg anfühlt: (v. li.) Kaan Ayhan, Jean Zimmer, Dawid Kownacki und Andre Hoffmann.
FOTO: CHRISTOF WOLFF Ein Punkt, der sich wie ein Sieg anfühlt: (v. li.) Kaan Ayhan, Jean Zimmer, Dawid Kownacki und Andre Hoffmann.

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