Erinnerung an den Brand der Synagoge
Acht Schloß-Gymnasiasten gestalteten die Gedenkstunde und Schüler der Karl-Tietenberg-Schule legten Blumen nieder.
BENRATH Angelika, Florian, Ilias, Stanislav, Ismail, Giorgos und Adriaan sind alle im Leistungskurs Geschichte auf dem Benrather Schloß-Gymnasium. Doch die Informationen, die sie mit ihrem Lehrer Jens Redler über das Dritte Reich und speziell auf dessen Auswirkungen auf die in Deutschland lebenden jüdischen Mitbürger im Unterricht erarbeitet haben, gingen ihnen nicht weit genug.
Als die Anfrage vom Benrather Heimatarchiv kam, ob das Schülergrüppchen nicht die Gedenkstunde zur Reichspogromnacht am vergangenen Freitag an der damals ebenfalls abgebrannten Benrather Synagoge gestalten wolle, haben sie spontan zugesagt. Mehrfach ging es für die Schüler dann ins Benrather Heimatarchiv, das Wolfgang D. Sauer, pensionierter Geschichtslehrer des Schloß-Gymnasiums, leitet. Dort erfuhren die acht von den menschlichen Schicksalen von Benrather Juden während des Nationalsozialismus. „Das macht diesen Schrecken für uns noch greifbarer“, sagt Giorgos und Ilias ergänzt: „Die Opfer haben ein Gesicht bekommen.“
Intensiv haben sie sich mit ihrem Lehrer Jens Redler mit dem lokalen Geschehen beschäftigt, mit den Tätern und dem Beginn der Judenverfolgung in Benrath, den Auswirkungen und vor allem den Opfern. In jener Nacht vom 9. auf den 10. November brannte auch die an der Friedhofstraße beheimatete Synagoge ab; die Feuerwehr hatte die Anweisung bekommen, sie nicht zu löschen. Besonders makaber: Die jüdische Gemeinde sollte danach finanziell dafür aufkommen, dass die Trümmer beseitigt wurden. Da die Gemeinde relativ klein war, konnte sie das nicht leisten und verkaufte das Brandgrundstück stattdessen an die arischen Nachbarn. Der Beginn der Vertreibung und gezielten Vernichtung im Düsseldorfer Süden.
Dabei ist den acht Schülern wichtig, die Brücke zu heute zu schlagen. Auf Zetteln haben sie Sätze gedruckt wie „In einem Land ohne Erinnerung ist alles möglich“und „Wir Jugendlichen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah, aber wir sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird“. Aufbereitet hatten die Jugendlichen auch das Thema, wie den aus Benrath vertriebenen Juden, von denen einige in den Gaskammern der Nazis endeten, gedacht wird. Künstler Gunter Demnig hat dafür die sogenannten Stolpersteine erfunden. Sieben solcher Messingsteine sind in Benrath inzwischen rund um die Fußgängerzone im Boden eingelassen. Mit jedem wird einem jüdischen Opfer aus dem Stadtteil gedacht.
Seit Jahren lädt das Heimatarchiv gegen das Vergessen zu einer Gedenkstunde anlässlich der Reichspogromnacht an die Friedhofstraße ein. Ex-Lehrer Sauer kooperiert zur Ausgestaltung mit Schulen, wie dieses Mal wieder mit dem Schloß-Gymnasium. Der Kooperationspartner für 2020 ist auch schon gefunden. Im zweiten Jahr hintereinander ist eine Abordnung von Schülern und Lehrern der Karl-Tietenberg-Schule für Sehbehinderte zur Gedenkstätte gekommen und hat Blumen abgelegt. Nach einem Besuch der Ausstellung im Benrather Heimatarchiv über die Auswirkungen des Dritten Reichs in Benrath im vergangenen Jahr besuchte die damalige neunte Klasse am 9. November auch die Synagogen-Gedenktafel an der Friedhofstraße. „Daraus entstand dann auch der Wunsch, das Konzentrationslager in Dachau zu besuchen“, berichtet Geschichtslehrerin Vera Ackermann. Die Fahrt, die die Schüler enorm beeindruckt hat, fand im Juni statt. Alle zwei Jahre will der Förderverein nun eine Exkursion finanzieren.
Weil man aber gar nicht bis Mün
chen fahren muss, um Geschichte erlebbar zu machen, hatten sich Ackermann, ihr Kollege Frank Ludes und die stellvertretende Schulleiterin Tanja Bücking am Freitagvormittag mit den Schülern der Klasse fünf bis zehn von Hassels aus auf denWeg nach Benrath zu einem geschichtlichen Rundgang zu den Folgen des Nationalsozialismus gemacht. Am Standort der alten Synagoge erzählte ihnen Archivleiter Sauer dann ausführlich, was vom 9. auf den 10. November 1938 in Benrath passierte.
In jener Nacht wurde den jüdischen Mitbewohnern auf einmal sehr deutlich gemacht wurde, dass sie in ihrer Heimat nicht mehr erwünscht waren. Das, so warnte Sauer eindringlich in der Gedenkstunde, dürfe angesichts des aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland nie wieder passieren.