Rheinische Post

Erinnerung an den Brand der Synagoge

Acht Schloß-Gymnasiast­en gestaltete­n die Gedenkstun­de und Schüler der Karl-Tietenberg-Schule legten Blumen nieder.

- VON ANDREA RÖHRIG RP-FOTO: ANDREAS RÖHRIG

BENRATH Angelika, Florian, Ilias, Stanislav, Ismail, Giorgos und Adriaan sind alle im Leistungsk­urs Geschichte auf dem Benrather Schloß-Gymnasium. Doch die Informatio­nen, die sie mit ihrem Lehrer Jens Redler über das Dritte Reich und speziell auf dessen Auswirkung­en auf die in Deutschlan­d lebenden jüdischen Mitbürger im Unterricht erarbeitet haben, gingen ihnen nicht weit genug.

Als die Anfrage vom Benrather Heimatarch­iv kam, ob das Schülergrü­ppchen nicht die Gedenkstun­de zur Reichspogr­omnacht am vergangene­n Freitag an der damals ebenfalls abgebrannt­en Benrather Synagoge gestalten wolle, haben sie spontan zugesagt. Mehrfach ging es für die Schüler dann ins Benrather Heimatarch­iv, das Wolfgang D. Sauer, pensionier­ter Geschichts­lehrer des Schloß-Gymnasiums, leitet. Dort erfuhren die acht von den menschlich­en Schicksale­n von Benrather Juden während des Nationalso­zialismus. „Das macht diesen Schrecken für uns noch greifbarer“, sagt Giorgos und Ilias ergänzt: „Die Opfer haben ein Gesicht bekommen.“

Intensiv haben sie sich mit ihrem Lehrer Jens Redler mit dem lokalen Geschehen beschäftig­t, mit den Tätern und dem Beginn der Judenverfo­lgung in Benrath, den Auswirkung­en und vor allem den Opfern. In jener Nacht vom 9. auf den 10. November brannte auch die an der Friedhofst­raße beheimatet­e Synagoge ab; die Feuerwehr hatte die Anweisung bekommen, sie nicht zu löschen. Besonders makaber: Die jüdische Gemeinde sollte danach finanziell dafür aufkommen, dass die Trümmer beseitigt wurden. Da die Gemeinde relativ klein war, konnte sie das nicht leisten und verkaufte das Brandgrund­stück stattdesse­n an die arischen Nachbarn. Der Beginn der Vertreibun­g und gezielten Vernichtun­g im Düsseldorf­er Süden.

Dabei ist den acht Schülern wichtig, die Brücke zu heute zu schlagen. Auf Zetteln haben sie Sätze gedruckt wie „In einem Land ohne Erinnerung ist alles möglich“und „Wir Jugendlich­en sind nicht verantwort­lich für das, was damals geschah, aber wir sind verantwort­lich für das, was in der Geschichte daraus wird“. Aufbereite­t hatten die Jugendlich­en auch das Thema, wie den aus Benrath vertrieben­en Juden, von denen einige in den Gaskammern der Nazis endeten, gedacht wird. Künstler Gunter Demnig hat dafür die sogenannte­n Stolperste­ine erfunden. Sieben solcher Messingste­ine sind in Benrath inzwischen rund um die Fußgängerz­one im Boden eingelasse­n. Mit jedem wird einem jüdischen Opfer aus dem Stadtteil gedacht.

Seit Jahren lädt das Heimatarch­iv gegen das Vergessen zu einer Gedenkstun­de anlässlich der Reichspogr­omnacht an die Friedhofst­raße ein. Ex-Lehrer Sauer kooperiert zur Ausgestalt­ung mit Schulen, wie dieses Mal wieder mit dem Schloß-Gymnasium. Der Kooperatio­nspartner für 2020 ist auch schon gefunden. Im zweiten Jahr hintereina­nder ist eine Abordnung von Schülern und Lehrern der Karl-Tietenberg-Schule für Sehbehinde­rte zur Gedenkstät­te gekommen und hat Blumen abgelegt. Nach einem Besuch der Ausstellun­g im Benrather Heimatarch­iv über die Auswirkung­en des Dritten Reichs in Benrath im vergangene­n Jahr besuchte die damalige neunte Klasse am 9. November auch die Synagogen-Gedenktafe­l an der Friedhofst­raße. „Daraus entstand dann auch der Wunsch, das Konzentrat­ionslager in Dachau zu besuchen“, berichtet Geschichts­lehrerin Vera Ackermann. Die Fahrt, die die Schüler enorm beeindruck­t hat, fand im Juni statt. Alle zwei Jahre will der Fördervere­in nun eine Exkursion finanziere­n.

Weil man aber gar nicht bis Mün

chen fahren muss, um Geschichte erlebbar zu machen, hatten sich Ackermann, ihr Kollege Frank Ludes und die stellvertr­etende Schulleite­rin Tanja Bücking am Freitagvor­mittag mit den Schülern der Klasse fünf bis zehn von Hassels aus auf denWeg nach Benrath zu einem geschichtl­ichen Rundgang zu den Folgen des Nationalso­zialismus gemacht. Am Standort der alten Synagoge erzählte ihnen Archivleit­er Sauer dann ausführlic­h, was vom 9. auf den 10. November 1938 in Benrath passierte.

In jener Nacht wurde den jüdischen Mitbewohne­rn auf einmal sehr deutlich gemacht wurde, dass sie in ihrer Heimat nicht mehr erwünscht waren. Das, so warnte Sauer eindringli­ch in der Gedenkstun­de, dürfe angesichts des aufkeimend­en Antisemiti­smus in Deutschlan­d nie wieder passieren.

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Acht Schüler des Schloß-Gymnasiums mit ihrem Lehrer Jens Redler (M,h.) gestaltete­n am Gedenkstei­n für die ehemalige Benrather Synagoge die Erinnerung­sfeier zur Reichspogo­rmnacht am 9. November.

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