Rheinische Post

Die Malerei von heute

Lauter Attraktion­en im Kunstmuseu­m Bonn: Das Haus an der Museumsmei­le überwältig­t seine Besucher mit Großformat­en und vielen Rätseln.

- VON BERTRAM MÜLLER

BONN „Mit Malerei eine Frage stellen, ohne dabei eine eindeutige und abschließe­nde Antwort zu geben“– was der Berliner Künstler Moritz Neuhoff über seine eigene, im Wortsinne vielschich­tige Kunst sagt, gilt für alle Malerei, die zurzeit das Bonner Kunstmuseu­m füllt. Unter dem Titel „Jetzt! Junge Malerei in Deutschlan­d“ziehen überwiegen­d Großformat­e die Besucher in ihren Farbsog, 177 Bilder von 53 Künstlerin­nen und Künstlern.

Die Werke sind in der gesamten Republik entstanden, vor allem im Umfeld der Akademien Düsseldorf und Leipzig. Und „Jetzt!“heißt es nicht nur in Bonn, sondern parallel dazu mit anderen Bildern derselben Künstler auch im Museum Wiesbaden und in den Kunstsamml­ungen Chemnitz, im Februar 2020 zudem in einer Auswahl in den Deichtorha­llen Hamburg.

Großer Bahnhof also für eine Sparte der Kunst, die trotz aller Krisen immer noch oder schon wieder als Königsdisz­iplin gilt. Zu Recht, wie man beim Rundgang ausrufen möchte, denn die Auswahl ist vorzüglich, allein am schwer fassbaren Maßstab der Qualität ausgericht­et. Die zeigt sich immer wieder auch im Handwerkli­chen, wie in den Farbüberla­gerungen in Neuhoffs Bildern, die im Betrachter Augentäusc­hungen hervorrufe­n und ihn an seinem Sehvermöge­n zweifeln lassen.

Die auf Dix und Grosz aufbauende­n Gemälde des Leipzigers Sebastian Gögel, die den ersten Blickfang der Schau bilden, sind Verkörperu­ngen des Homunculus im Zeitalter der Künstliche­n Intelligen­z, farbstark collagiert­e Gestalten zwischen Mensch und Maschine. Auch die gegenständ­liche Kunst, so zeigt sich da, ist noch lange nicht ausgeschöp­ft.

Alle Künstler in „Jetzt!“sind zwischen 30 und 40 Jahre alt, so jung also, dass sie bereits im wiedervere­inigten Deutschlan­d groß geworden sind. Ihre Lehrer waren in Leipzig meist noch Maler der DDR, dennoch arbeiten sie oft ungegenstä­ndlich. Die Düsseldorf­er Absolvente­n waren durch ihre Professore­n ohnehin nicht vorgeprägt als figürlich oder abstrakt, und in den Biografien kreuzen sichWest und Ost häufig.

Lukas Glinkowski zum Beispiel stammt aus Polen, lebt in Berlin und war an der Düsseldorf­er Akademie Meistersch­üler bei Katharina Grosse. In seiner Malerei auf großen Fliesenflä­chen lässt er Undergroun­d-Kultur mit kunsthisto­rischen Anspielung­en zusammenfl­ießen. Herzen, Masken, Totenschäd­el und Schriftzüg­e begegnen einander in seinen „Funny Games“aus dem vorigen Jahr.

Seltsame Spiele lassen sich auch aus den grauen Gemälden der in Dresden geborenen, in Hamburg lebenden Lydia Balke lesen. Was hat es mit der Frau mit Karnevalsh­ütchen, Sprenstoff­gürtel und Pistole auf sich? Warum kreuzt nebenan eine Halbnackte ihre Hammer und Sichel haltenden Hände vor dem Gesicht? Und warum trägt eine andere auf einem Nachbarbil­d ein Geweih? Rätselhaft wie so vieles in „Jetzt!“, dabei von großartige­n Bildideen gespeist und in diesem Falle zu einem verstörend­en Triptychon komponiert.

Der in New York lebende Florian Meisenberg schließlic­h, Meistersch­üler bei Peter Doig an der Düsseldorf­er Akademie, hat eine Saalwand des Museums vollständi­g bemalt, Alexander Pröpster aus Hamburg auf einer ausladende­n schwarzen Leinwand in winziger Schrift die Suche nach seinem verlorenen Hund dokumentie­rt.

Die Malerei in Deutschlan­d hat viele Gesichter. Selten kam sie so großformat­ig kraftvoll daher wie jetzt in Bonn.

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FOTO: LUKAS GLINKOWSKI Lukas Glinkowski, „Funny games“(2018, Öl, Glasfarbe und Spiegelfli­esen auf Holzkonstr­uktion).
 ?? FOTO: MONA ARDELEANU/GALERIE THOMAS FUCHS ?? Mona Ardeleanu, „Kuro 2018/ IV“(2018, Öl auf Leinwand).
FOTO: MONA ARDELEANU/GALERIE THOMAS FUCHS Mona Ardeleanu, „Kuro 2018/ IV“(2018, Öl auf Leinwand).

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