Rheinische Post

Die Frau, die RWE grün machen soll, über Imagewande­l, Windkraft-Pläne und Technik-Begeisteru­ng.

- ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

ESSEN Angefangen hat alles im Deutschen Museum in München: Jedes Mal, wenn Anja-Isabel Dotzenrath mit ihren Eltern auf demWeg in den Österreich-Urlaub war, haben sie dort Station gemacht. Und jedes Mal habe sie der Faraday`sche Käfig fasziniert, berichtet sie. Da war es kein Wunder, dass sie Elektrotec­hnik studierte, an der RWTH Aachen. Eine der wenigen Frauen unter Männern, wie so oft in ihrer Karriere. Ihre erste Stelle hatte sie bei RWE, als Trainee im Versorgung­swerk Düsseldorf-Reisholz. Dann wurde sie Assistenti­n bei Rolf Bierhoff, Netzvorsta­nd bei RWE undVater des Fußballers Oliver Bierhoff. Nach vielen Stationen – in Deutschlan­d, USA und Asien, in der Unternehme­nsberatung, bei RAG und Eon – kehrt Dotzenrath nun zu RWE zurück, als Chefin für die Ökostromto­chter RWE Renewables. Der Stromkreis schließt sich.

Das neue Unternehme­n setzt sich aus der Ökostrom-Mannschaft von Eon und von Innogy zusammen. Wann geht es richtig los?

DOTZENRATH Anfang 2020 kommen die Kollegen von Innogy zu uns, dann werden wir 3500 Mitarbeite­r verteilt über 20 Länder sein: 1400 von Eon, 1400 von Innogy und 700 von Belectric. Es herrscht Aufbruchst­immung.

RWE ist der größte CO2-Emittent in Europa und nach der Transaktio­n mit Eon zugleich Europas drittgrößt­er Ökostromer­zeuger. Nimmt man RWE den Imagewande­l ab?

DOTZENRATH Ja, wir werden in 2040 CO2 neutral sein. Auf dem Weg dahin werden wir in beidenWelt­en zuhause sein. Wir werden noch viele Jahre konvention­elle Energieerz­eugung brauchen, gleichzeit­ig starten wir jetzt aber mit über 9 Gigawatt (GW) an erneuerbar­er Energie. Das ist eine führende Ausgangspo­sition weltweit und Jahr für Jahr wollen wir um zwei bis drei GW wachsen. Nach Abschluss der Transaktio­n kommen rund 60 Prozent des RWE-Ergebnisse­s aus den Erneuerbar­en Energien.

Die konvention­elle Energie von RWE liefert 37 GW. Für den Ökostromau­sbau brauchen Sie Geld, gibt RWE Ihnen genug?

DOTZENRATH Die Faustregel in der Branche heißt: eine Milliarde Euro pro Gigawatt Leistung, die man neu installier­t. RWE will 1,5 Milliarden Euro netto pro Jahr investiere­n und zusammen mit Partnern kommen wir so auf zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr, das ist ein guter Start. Ob das auf Dauer reicht, muss man sehen. AuchWettbe­werber wie Enel oder Iberdrola haben tiefe Taschen. Zugleich zeigt sich hier schön die Logik des Deals.

Inwiefern?

DOTZENRATH Bei Eon wie Innogy war die Ökostromsp­arte allein zu klein, denn in der Branche ist Größe erfolgskri­tisch. Zugleich musste der Ökostrom bei beiden mit dem kapitalint­ensiven Netzgeschä­ft um Investitio­nsmittel konkurrier­en. Gemeinsam sind wir jetzt bei RWE ein weltweiter Ökostrom-Champion und das neue Wachstumsg­eschäft.

Wo wollen Sie investiere­n?

DOTZENRATH Wind an Land, Wind auf See, große Photovolta­ik-Anlagen, Energie-Speicher. In Deutschlan­d sehe ich große Chancen bei Offshore-Wind: Hier gibt es weniger Akzeptanz-Probleme, im Gegenteil:Windparks auf dem Meer bilden zum Beispiel neue Riffe, wo sich Fische ansiedeln. Bei Onshore-Wind haben Politik und Wirtschaft dagegen mit größeren Akzeptanzp­roblemen bei den Bürgern zu kämpfen.

Nun führt der Bund eine 1000-Meter-Abstandreg­el ein. Gut?

DOTZENRATH Ich kann verstehen, dass der Einzelne kein Windrad in der Nähe haben will. Aber so kann die Energiewen­de nicht funktionie­ren. Wir setzen auf den Dialog mit den Gemeinden und Bürgern. Die Denkfabrik Agora hat einen guten Vorschlag gemacht, um die Akzeptanz fürWindene­rgie an Land zu erhöhen: Kommunen, die Windräder zulassen, werden an den Erlösen der Erzeugung beteiligt. Dann sehen Bürger unmittelba­r, welchen Nutzen Windenergi­e an Land den Gemeinden bringt. Auch schlagen wir vor, dass das Regelwerk punktuell nachzubess­ern, etwa beim Repowering – wo bereits kleine Windräder stehen, sollte man auch größere Anlagen erlauben. Bei der Frage nach Mindestabs­tänden kommt es darauf an, was der Bezugspunk­t ist. 1000 Meter Abstand zu einer Siedlung sind ok, 1000 Meter zu jedem Bauernhof problemati­sch. Damit verringern sich die in Frage kommenden Flächen massiv um bis zu 50 Prozent.

Enercon, Senvion – Windanlage­nbauer gehen in die Knie. Kauft RWE nicht genug Windräder?

DOTZENRATH Die Konkurrenz auf dem Weltmarkt ist groß, auch in Amerika und China werden gute Turbinen gebaut. Außerdem ist die Nachfrage fürWindene­rgie an Land hier quasi zum Erliegen gekommen. Bei der Windenergi­e auf See haben wir weniger ambitionie­rte Ziele als im europäisch­en Ausland.

Wie lange wird es Subvention­en über die EEG-Umlage noch geben, die viele Bürger ärgert?

DOTZENRATH Wir brauchen eine intelligen­te Reform. In England wird über Auktionen fürWindene­rgie auf See ein Zuschlagsp­reis in Euro pro Megawattst­unde ermittelt. Der Staat zahlt keine festeVergü­tung, sondern nur die Differenz zwischen Börsenstro­mpreis und Zuschlagsp­reis. Das Modell verhindert auch spekulativ­e Gebote. Die letzten Auktionen für Windenergi­e auf See in Frankreich und England zeigen wie wettbewerb­sfähig erneuerbar­e Energien mittlerwei­le sind. Sie führen nicht mehr zu einer Mehrbelast­ung der Bürger.

Kann das rheinische Revier zum Ökostrompa­rk werden?

DOTZENRATH Wir prüfen hier alles. Wer weiß, vielleicht kann man auf den Seen, die aus den Tagebauen entstehen, Floating PV – also schwimmend­e Solarzelle­n installier­en. Schon jetzt betreiben wir mit kommunalen Partnern im Revier 130 Megawatt Erneuerbar­e Energien. NRW hofft auf ein Gigawatt Ökostrom. Warum nicht?

Kann man einen Baggerfahr­er aus dem Tagebau zu einem Windrad-Techniker umschulen?

DOTZENRATH Wer eine technische Ausbildung hat, ist vielseitig einsetzbar. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir nicht 10.000 Stellen ersetzen können, die bis 2038 im rheinische­n Revier wegfallen werden. Braunkohle ist personalin­tensiv, Windkraft ist es nicht. In den USA betreiben wir einen typischen 200-Megawatt-Windpark mit 15 Mitarbeite­rn.

Frauen in der Energiebra­nche sind rar, was wollen Sie dagegen tun?

DOTZENRATH Ich bin kein Freund der Quote, auch wenn sie bei Aufsichtsr­äten wirkt. Aber ich werde bei RWE gute Frauen fördern. Gemischte Teams – Frauen und Männer, sehr internatio­nal – liefern bessere Ergebnisse.

Und privat?

DOTZENRATH Ich versuche, Frauen für Technik zu begeistern. Technik ist spannend.

 ?? FOTO: ANDREAS KREBS ?? Die Ingenieuri­n Anja-Isabel Dotzenrath hat einst bei RWE-Vorstand Rolf Bierhoff gelernt. Nun ist sie als Chefin der Ökostromsp­arte zu dem Essener Konzern zurückgeke­hrt.
FOTO: ANDREAS KREBS Die Ingenieuri­n Anja-Isabel Dotzenrath hat einst bei RWE-Vorstand Rolf Bierhoff gelernt. Nun ist sie als Chefin der Ökostromsp­arte zu dem Essener Konzern zurückgeke­hrt.

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