Rheinische Post

Niedrigste Inflations­rate seit drei Jahren

Die Verbrauche­rpreise sind im vergangene­n Jahr nur moderat gestiegen. Darüber können sich Konsumente­n freuen. Allerdings verlieren sie unter dem Strich trotzdem Erspartes. Daran wird sich in naher Zukunft auch nichts ändern.

- VON MISCHA EHRHARDT

WIESBADEN Zunächst die gute Nachricht: Die Verbrauche­rpreise sind im vergangene­n Jahr nur noch um 1,4 Prozent gestiegen, und das sind immerhin 0,4 Prozent weniger als im Jahr davor. Da nämlich hatten sich die Waren noch um 1,8 Prozent verteuert. Das geht aus Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamte­s in Wiesbaden hervor. Der Rückgang ist nach Ansicht der Statistike­r vor allem auf sinkende Mineralölk­osten zurückzufü­hren. So mussten Verbrauche­r im vergangene­n Jahr an den Tankstelle­n weniger tief in die Taschen greifen; auch beim Heizen konnten Mieter und Hausbesitz­er von den niedrigere­n Ölpreisen profitiere­n. Auf der anderen Sei

Frauke Hegemann Comdirect-Chefin

te verteuerte­n sich Gas und Strom. Deutlich teurer wurde vor allem Gemüse, überdurchs­chnittlich stark stiegen auch die Preise für Tabakwaren und Druckerzeu­gnisse. Obst dagegen war etwas günstiger als 2018 (siehe Grafik).

Mit den neuen Berechnung­en bestätigte­n die Statistike­r eine erste Prognose von Anfang Januar. Dabei haben sie auch errechnet, dass die Inflation gegen Ende des Jahres im Vergleich zu den Vormonaten wieder etwas angezogen hat. Verantwort­lich dafür waren vor allem wieder steigende Energie- und Lebensmitt­elpreise. „Deutlich teurer waren Fleisch und Fleischwar­en“, betonten die Statistike­r. Hier gab es ein Plus von 5,5 Prozent im Dezember. Lag die Inflation im Durchschni­tt aller Waren im November noch bei 1,1 Prozent, zog sie im Dezember auf rund 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an. Bei den zu den Dienstleis­tungen zählenden Nettokaltm­ieten lag die Teuerung ebenfalls in diesem Bereich, auf das Jahr gerechnet etwas darunter, bei 1,4 Prozent. Die Miethöhen in Deutschlan­ds Großstädte­n sind ein gegenwärti­g sehr kontrovers diskutiert­es Thema.

Betrachtet man nur diese Zahlen zur Preisteuer­ung, kann man zu der Erkenntnis kommen, dass die Verbrauche­r mehr Geld in der Tasche hatten als im Vorjahr. Bereits seit 2014 sind die Löhne nämlich kontinuier­lich stärker gestiegen als die Inflation. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn da ist ja noch die schlechte Nachricht für Sparer. Null- und zum Teil sogar Negativzin­sen nagen am Vermögen der Deutschen, das beispielsw­eise auf Festgeld- oder Tageskonte­n liegt. So lag der Realzins nach Berechnung­en der Commerzban­k-Tochter Comdirect bei minus 1,3 Prozent im vergangene­n Jahr. Dieser Realzins ist der Zins für Spareinlag­en nach Abzug der Inflations­rate.

„Die Ersparniss­e verlieren infolge der Inflation schneller an Wert, als sie sich durch die Zinsen vermehren“, bringt Frauke Hegemann, Vorstandsv­orsitzende von Comdirect, die Situation auf den Punkt. „Die Sparer haben am Ende also etwas mehr auf dem Konto, können sich dafür aber weniger leisten als vorher“. Auf diese Weise führten Niedrigzin­s und Inflation zum schleichen­den Wertverlus­t der Ersparniss­e der Verbrauche­r. Um etwas mehr als 30 Milliarden Euro sind die Ersparniss­e 2019 nach Berechnung­en der Bank geschrumpf­t – das sind im Schnitt 365 Euro pro Bundesbürg­er oder anders ausgedrück­t ein Euro pro Tag.

Dass sich diese Lage bald ändert, ist unwahrsche­inlich. Denn die Inflations­rate ist einer der wichtigste­n Orientieru­ngsgrößen für die Geld- und Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k. Die sieht Preisstabi­lität erst bei einer Inflation von knapp zwei Prozent gegeben. Deswegen pumpt die Notenbank durch Nullzinsen und Anleihekäu­fe Geld in den Wirtschaft­skreislauf und versucht so, die Teuerung in Richtung ihrer Zielmarke zu treiben. Zwar hat die neue Präsidenti­n der EZB, die Französin Christine Lagarde, angekündig­t, die negativen Nebeneffek­te der lockeren Geldpoliti­k im Blick zu behalten. Am eingeschla­genen Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi allerdings hält sie bis auf Weiteres fest.

Immerhin hat Lagarde eine komplette Überprüfun­g der Strategie angekündig­t. Möglich, dass im Zuge dessen das Inflations­ziel für den Euroraum neu oder anders formuliert wird. Das könnte dann am Ende sogar im Interesse der Sparer sein.

„Sparer haben mehr auf dem Konto, können sich aber weniger leisten“

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QUELLE: STAT. BUNDESAMT | FOTOS: DPA (3), ISTOCK (3), PIXABAY | GRAFIK: KÖHLER, ZÖRNER
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