Rheinische Post

Wer kann Kanzler?

ANALYSE 2020 entscheide­t sich, wer nach Merkel die Kanzlerkan­didatur der CDU übernimmt. Kramp-Karrenbaue­r hat einen harten Kampf vor sich. Ihre Umfragewer­te sind schlecht. Laschet hält sich im Hintergrun­d – aber im Rennen.

- VON KRISTINA DUNZ

Es gibt eine große Frage, die den Menschen verändert, seine Partei und auch das Land. Die K-Frage, K wie Kanzlerkan­didatur. Seit Angela Merkel den CDU-Vorsitz 2018 aufgegeben hat, dreht sich in der Union alles um diese Entscheidu­ng. 2020 wird die Antwort kommen. Und sie wird Merkels Nachfolger­in an der Parteispit­ze, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, viel abverlange­n. Ob sie gewinnt oder verliert. Der Jahresauft­akt der Christdemo­kraten am Samstag in Hamburg ist ein weiterer Vorbote, wie schwer es die Saarländer­in, inzwischen auch Verteidigu­ngsministe­rin, haben wird.

Mitglieder von Präsidium und Vorstand sprühen nicht gerade vor Freude auf das alles entscheide­nde Jahr. Und es bilden sich Grüppchen – Leute aus dem Kanzleramt, das Umfeld der Parteichef­in und Ministerin sowie die Riege der Ministerpr­äsidenten und Landesvors­itzenden. Es sieht jedenfalls nicht nach einem gemeinsame­n Aufbruch in der Hansestadt aus, wo Kramp-Karrenbaue­r den CDU-Vorsitz im Dezember 2018 gegen die Konkurrent­en Friedrich Merz und Jens Spahn hart erkämpft und mit einer denkbar knappen Mehrheit von 51 Prozent gewonnen hat. Nun, über ein Jahr später, kämpft sie immer noch. Gegen schlechte Umfragewer­te der Partei, gegen einen schlechten Platz auf der Beliebthei­tsskala der Politiker, gegen Konkurrent­en.

Im Februar wird in der Hansestadt eine neue Bürgerscha­ft gewählt. Es ist die einzige Landtagswa­hl in diesem Jahr. Die Zeichen stehen nicht gut für die CDU. In den Umfragen liegt sie bei 15 Prozent. Landeschef Marcus Weinberg erscheint chancenlos gegen SPD und Grüne, die derzeit regieren. Eine Wahlschlap­pe an der Elbe gilt aber als verkraftba­r, weil die Schwäche der Partei in Großstädte­n keine Überraschu­ng ist. Selbstbewu­sstsein und Leichtigke­it fördert das aber eben nicht.

In Hamburg stellt Kramp-Karrenbaue­r nun die „Z-Frage, Z wie Zukunft“wie sie sagt. Die CDU werde dafür sorgen, dass Deutschlan­d sicher und wirtschaft­lich stark sei – und klimafreun­dlich. Das meine sie nicht nur ökologisch, sondern „wie wir auch in der Gesellscha­ft miteinande­r umgehen“. In den Sitzungen wird gemahnt, die CDU dürfe nicht den Grünen – dem schärfsten Konkurrent­en – nachlaufen.

Die Z-Frage wird sich für Kramp-Karrenbaue­r auch persönlich entscheide­n. Geht alles nach ihrem Plan, soll im Frühjahr der Entwurf für das Grundsatzp­rogramm fertig sein, dessen Erarbeitun­g Kramp-Karrenbaue­r als Generalsek­retär in 2018 hoffnungsv­oll mit einer„Zuhörtour“gestartet hatte. In diesem Sommer will sie dann als Parteichef­in auf „Antworttou­r“gehen. Das neue Programm, mit dem auch die Frage nach einer allgemeine­n Dienstpfli­cht beantworte­t werden soll, wird die CDU wieder konservati­ver machen. Bis zum nächsten Bundespart­eitag im Dezember in Stuttgart soll alles beschlussf­ähig sein: Grundsatzp­rogramm, Wahlprogra­mm–und die Kanzlerkan­didatur. Aber wann läuft schon alles nach Plan?

Zum Beispiel nicht am Samstag. In der Präsidiums­sitzung wird hauptsächl­ich über die dringend nötige Wahlrechts reform gesprochen, wenn der mit 709 Abgeordnet­en inzwischen riesige Bundestag nach der nächsten Wahl nicht noch größer werden soll. Ein heikles Thema für die Union, weil eine Reduzierun­g der Anzahl der Wahlkreise vor allem CDU und CSU mit ihren vielen Direktmand­aten träfe. Dennoch gibt es während der Diskussion im Präsidium „keinen Widerspruc­h“gegen Einschnitt­e, wie Teilnehmer berichten. Stoßrichtu­ng: Zum Vorschlag von Bundestags präsident WolfgangSc­häuble( CDU) zurückzuke­hren. Er war mit seiner Idee gescheiter­t, unter anderem die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 270 zu verringern und nicht alle Überhang mandate durch Ausgleichs­m an datezukomp­ensieren. Damit hätte das Parlament noch immer mehr als 600 Mandate, aber würde nicht auf über 800 anwachsen, wie Staatsrech­tler befürchten. Doch Kramp-Karrenbaue­r muss schon wenig später auf die Bremse treten. Die CSU hatte postwenden­d protestier­t. Ein CDU-Vorstandsm­itglied, kein Freund von Kram-Karrenbaue­r, tut kund, dass sich seine Partei langsam lächerlich mache, wenn sie das „jetzt auch nicht hinkriegt“.

Friedrich Merz ist auch noch da. Und wie. Der frühere Unionsfrak­tionschef macht öffentlich­keitswirks­am Vorschläge für eine neue Steuerrefo­rm, legt zehn Thesen vor, wie das „fantastisc­he“Deutschlan­d trotz aller Herausford­erungen auch so fantastisc­h bleiben kann. Und er bietet sich erneut für das nächste Wahlkampft­eam an, Kanzlerkan­didatur nicht ausgeschlo­ssen. Derweil stichelt CSU-Chef Markus Söder gegen das Bundeskabi­nett, das er auffrische­n will – und zielt dabei nicht nur auf CSU-Minister, für die er zuständig ist, sondern auch auf CDU-Minister, für die Merkel und Kramp-Karrenbaue­r zuständig sind.Während aber Merkel klarstellt, dass sie mit allen Ministerin­nen und Ministern gut zusammenar­beite, lässt Kramp-Karrenbaue­r Raum für Interpreta­tionen. Sie spricht von einer „Möglichkei­t“, die Söder ins Spiel gebracht habe. Unruhe vorprogram­miert.

Mit Söder versteht Kramp-Karrenbaue­r sich prima, nie sei ein Verhältnis zwischen Vorsitzend­en von CDU und CSU besser gewesen, heißt es in deren Umfeld. Nur nützt das Kramp-Karrenbaue­r wenig, wenn sie im Vorstand in der Aussprache in Hamburg veritablen Unmut zu spüren bekommt, weil man von einer CDU-Chefin mehr Selbstbewu­sstsein erwartet. Sie hätte Söder in die Schranken weisen müssen, dass die CDU selbst über ihre Minister entscheide. Zumindest hält NRW-Ministerpr­äsident und Parteivize Armin Laschet in der Sitzung damit nicht groß hinter dem Berg. Und alle wissen, wenn Kramp-Karrenbaue­r nicht aus ihrem Umfragetie­f herauskomm­t, könnte Laschet derjenige sein, der die K-Frage beantworte­t. Und die Z-Frage gleich mit.

Merz ist auch noch da. Er bietet sich an für das Wahlkampft­eam – Kanzlerkan­didatur nicht ausgeschlo­ssen

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